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Tschechien erzielt trotz Wirtschaftskrise hohe Handelsüberschüsse
Die sinkenden Rohstoffpreise bescheren Tschechien wieder hohe Exportüberschüsse. Die Abhängigkeit von europäischen Handelspartnern bleibt enorm.
17.04.2024
Von Gerit Schulze | Prag
Die schwache Konjunkturentwicklung in Tschechien schadet der Exportkraft des Landes nicht. Nach Angaben von Eurostat stiegen die Ausfuhren 2023 um fast 3 Prozent auf einen neuen Rekordwert von fast 237 Milliarden Euro. Selbst die Exporte nach Deutschland legten in ähnlicher Größenordnung zu, obwohl die Wirtschaftsleistung des wichtigsten Handelspartners schrumpfte.
Türkei und Ukraine wichtige Wachstumsmärkte
Große Zuwächse zwischen 7 und 9 Prozent gab 2023 es bei den Ausfuhren Richtung Frankreich, Ungarn, Rumänien und in das Vereinigte Königreich. Noch dynamischer entwickelten sich die Lieferungen in die Türkei (+31 Prozent) und in die Ukraine (+28 Prozent). Tschechien gilt als einer der aktivsten Unterstützer der Ukraine mit zivilen Hilfsgütern und militärischer Ausrüstung.
Land | 2022 | 2023 | Veränderung 2023 / 2022 *) |
---|---|---|---|
Export insgesamt, davon | 230,2 | 236,7 | 2,8 |
Deutschland | 75,4 | 77,8 | 3,2 |
Slowakei | 19,3 | 18,4 | -4,7 |
Polen | 16,3 | 17,1 | 5,3 |
Frankreich | 10,7 | 11,5 | 7,2 |
Österreich | 10,2 | 9,8 | -4,1 |
Italien | 9,4 | 9,7 | 2,9 |
Vereinigtes Königreich | 8,2 | 8,9 | 8,7 |
Ungarn | 7,8 | 8,4 | 7,8 |
Niederlande | 8,3 | 8,3 | -0,1 |
Trotz der sehr positiven Entwicklung auf anderen Auslandsmärkten bleibt Deutschland die klare Nummer eins der tschechischen Exportziele. Ein Drittel des Ausfuhrvolumens ging auch 2023 wieder in das größte Nachbarland. Besonders kräftig stiegen die Lieferungen von Nahrungsmitteln, Fahrzeugen und Teilen und Elektrotechnik.
Warengruppe (SITC-Code) | 2022 | 2023 | Veränderung 2023 / 2022 *) |
---|---|---|---|
Insgesamt, davon | 75,4 | 77,8 | 3,2 |
Elektronik (75, 76, 776) | 13,8 | 12,8 | -6,9 |
Elektrotechnik (77 minus 776) | 9,1 | 10,7 | 17,5 |
Fertigerzeugnisse (8) | 9,5 | 10,1 | 5,5 |
Vorerzeugnisse (6) | 10,6 | 10,0 | -6,1 |
Maschinen (70 bis 74) | 8,8 | 9,6 | 8,5 |
Sonstige Kfz und Kfz-Teile (78 minus 781) | 6,5 | 7,6 | 17,6 |
Pkw (781) | 5,5 | 6,6 | 19,1 |
Nahrungsmittel und Getränke (0 bis 1) | 2,3 | 3,1 | 38,6 |
Chemische Erzeugnisse (5 minus 54) | 2,9 | 2,6 | -9,2 |
Mineralische Brennstoffe (3) | 3,1 | 1,7 | -44,6 |
Schwächere Landeswährung gibt 2024 Rückenwind
Das tschechische Finanzministerium begründete die Exporterfolge mit der Konjunkturerholung auf wichtigen Absatzmärkten und einem allmählichen Abbau der Lagerbestände dort. Selbst die aufgewertete Landeswährung störte die Exportströme kaum. Die Krone (Kč) verteuerte sich 2023 gegenüber dem Euro um 2,3 Prozent. Für einen Euro mussten im Jahresdurchschnitt 24 Kč gezahlt werden (2022: 24,57 Kč).
Für 2024 erwartet das Finanzministerium, das für die Wirtschaftsprognosen des Landes zuständig ist, bessere Rahmenbedingungen auf den Auslandsmärkten. Auch die Krone könnte nun für Rückenwind sorgen. Denn nach drei Leitzinssenkungen in Folge wertet Tschechiens Währung jetzt kräftig ab. Der Euro hat sich gegenüber dem Tiefstwert des Vorjahres bis Anfang April 2024 um 9 Prozent verteuert. Am 9. April 2024 kostete 1 Euro wieder 25,38 Kč.
Importe | Exporte | |
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2004 | 56,2 | 55,5 |
2018 | 156,5 | 171,3 |
2019 | 160,0 | 177,9 |
2020 | 149,6 | 167,6 |
2021 | 179,3 | 191,6 |
2022 | 225,2 | 230,2 |
2023 | 214,0 | 236,7 |
Zwei Drittel der Exporte gehen in die Eurozone
Die schwache Krone kommt Tschechiens Exportwirtschaft zugute, denn rund zwei Drittel des Ausfuhrwertes gehen in die Länder der Eurozone. Der Anteil der EU insgesamt liegt bei rund 80 Prozent. Dieser Wert ist seit dem EU-Beitritt Tschechiens vor 20 Jahren nahezu konstant geblieben. Alle Versuche Prags, die Exportgeografie zu diversifizieren, fruchten bislang kaum. Das zeigte sich auch 2023, als die Exporte in wichtige Übersee-Absatzmärkte wie Japan (-17 Prozent), China (-6 Prozent) und in die USA (-5 Prozent) zurückgingen.
Nochmals um mehr als die Hälfte eingebrochen sind 2023 die Lieferungen nach Russland. Sie erreichten nur noch 675 Millionen Euro und lagen damit erstmal seit fast 20 Jahren wieder unter 1 Milliarde Euro. Das Handelsdefizit mit Russland betrug 2023 immer noch über 2 Milliarden Euro, weil Tschechien weiterhin mineralische Brennstoffe in großem Umfang von dort importiert.
Insgesamt erzielte Tschechiens Außenhandel aber eine sehr positive Bilanz. Laut Eurostat betrug der Exportüberschuss 2023 fast 23 Milliarden Euro. Der Positivsaldo kam zustande, weil sich die Einfuhrpreise für fossile Energieträger nach dem Preissprung 2022 wieder normalisierten. Statt 21 Milliarden Euro mussten die Unternehmen nur noch 13 Milliarden Euro für mineralische Brennstoffe aus dem Ausland zahlen. Allerdings war auch das immer noch der zweithöchste Wert in der jüngeren Geschichte des Landes.
Starke Rückgänge beim Importwert gab es 2023 außerdem bei organischen Chemikalien (-23 Prozent), bei Büro- und Datenverarbeitungsmaschinen (-22 Prozent) sowie bei Eisen und Stahl (-17 Prozent). Hier wirkte sich die schwache Entwicklung der tschechischen Industrie negativ auf die Nachfrage aus.
Energieausrüstungen und Messtechnik gefragt
Hohe Zuwächse dagegen verzeichneten 2023 Tschechiens Importe an Pkw (+26 Prozent). Nachdem die Hersteller ihre Lieferketten wieder im Griff hatten, konnten sie die 2022 aufgestauten Bestellungen nun endlich abarbeiten. Außerdem stiegen die Einfuhren an Mess- und Prüfgeräten um 15 Prozent auf einen Rekordwert von über 4,2 Milliarden Euro. Ebenso wuchs der Bedarf an Energieausrüstungen wie Turbinen, Elektromotoren und Dampfkesseln um ein Zehntel. Auffallend war der hohe Anstieg bei "Sonstigen Transportmitteln" um 77 Prozent, was vor allem mit größeren Lieferungen von Lokomotiven, Straßenbahnen und Flugzeugen nach Tschechien zusammenhing. Ihr Importwert betrug fast 1,6 Milliarden Euro.
Unter den wichtigsten Beschaffungsmärkten legte 2023 besonders die Slowakei zu. Sie überholte die Niederlande als viertgrößten Lieferanten Tschechiens. Deutschland bleibt trotz eines deutlichen Rückganges das mit Abstand bedeutendste Herkunftsland für tschechische Importe.
Land | 2022 | 2023 | Veränderung 2023 / 2022 *) |
---|---|---|---|
Import insgesamt, davon | 225,2 | 214,0 | -5,0 |
Deutschland | 61,1 | 56,3 | -7,9 |
China | 30,1 | 25,4 | -15,5 |
Polen | 20,7 | 20,0 | -3,2 |
Slowakei | 12,2 | 12,7 | 4,2 |
Niederlande | 13,6 | 12,5 | -8,3 |
Italien | 8,6 | 8,4 | -2,1 |
Österreich | 8,0 | 7,9 | -2,2 |
Ungarn | 5,9 | 6,4 | 7,3 |
Frankreich | 6,1 | 6,3 | 2,0 |
In Deutschland kauft Tschechien in erster Linie Vorerzeugnisse, Maschinen, Elektrotechnik, Kfz-Teile und chemische Erzeugnisse ein. Merkbar zurückgegangen war 2023 der Bedarf an Brennstoffen und Elektronik.
SITC-Warencode | 2022 | 2023 | Veränderung 2023 / 2022 *) |
---|---|---|---|
Insgesamt, davon | 61,1 | 56,3 | -7,9 |
Vorerzeugnisse (6) | 9,5 | 9,3 | -2,9 |
Maschinen (70 bis 74) | 8,3 | 8,9 | 7,8 |
Elektrotechnik (77 minus 776) | 6,3 | 6,2 | -1,2 |
Fertigerzeugnisse (8) | 6,1 | 6,1 | -0,5 |
Chemische Erzeugnisse (5 minus 54) | 6,0 | 5,8 | -4,5 |
Sonstige Kfz und Kfz-Teile (78 minus 781) | 4,7 | 5,4 | 14,3 |
Mineralische Brennstoffe (3) | 8,5 | 3,8 | -55,3 |
Elektronik (75, 76, 776) | 4,0 | 3,2 | -20,0 |
Nahrungsmittel und Getränke (0 bis 1) | 2,7 | 3,0 | 11,3 |
Pkw (781) | 1,8 | 2,0 | 8,3 |
Handelsvolumen übertrifft Wirtschaftsleistung deutlich
Tschechien ist eine sehr offene Volkswirtschaft, die eng mit der Weltwirtschaft verwoben ist. Das Handelsvolumen von 450 Milliarden Euro entsprach 2023 fast 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Deutschland ist dieser Wert nicht einmal halb so groß. Tschechiens Exportquote betrug 2023 rund 77 Prozent des BIP, in Deutschland lag sie bei 38 Prozent.
Bei einigen Warengruppen erweist sich Tschechien sogar als führend in Europa, wie das Statistikamt ČSÚ bei einer Pressekonferenz im Frühjahr 2024 mitteilte. Das kleine Land ist bei Papageien, Mohn, Mikroskopen und lebenden Karpfen Europas wichtigster Exporteur. Bei Bandsägen liegt es auf Platz 3 und bei medizinischen Möbeln auf Platz 4.