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Politikwechsel in Tschechien: Mehr Wachstum und Investitionen

Tschechiens neue Regierung setzt auf weniger Steuern, mehr Bauprojekte und einen schlankeren Staat, um die Wirtschaft zu beleben. Wie beurteilen deutsche Firmen den Kurswechsel?

Von Gerit Schulze | Prag

Eine Dreierkoalition soll künftig die Geschicke Tschechiens leiten. Neben dem Wahlsieger ANO von Ex-Premierminister Andrej Babiš stellen die Autofahrerpartei Motoristé sobě und die EU-feindliche Rechtsaußenpartei SPD höchstwahrscheinlich die nächste Regierung. Anfang November 2025 legte das Bündnis sein Programm für die anstehende Legislaturperiode vor. 

Aus Sicht der Unternehmerschaft erscheinen die Ambitionen positiv. Es geht darum, die Wachstumskräfte der Wirtschaft zu aktivieren, Firmen von bürokratischem Ballast zu befreien, das Baugeschehen anzukurbeln sowie die Steuer- und Abgabenlast zu senken. Deutsche Unternehmen in Tschechien haben große Erwartungen an die neue Regierung und sind verhalten optimistisch für die nächsten vier Jahre, wie Firmenvertreter gegenüber Germany Trade & Invest bestätigten.

Die neue tschechische Regierung sollte als Erstes die Hightech-Agenda angehen und hochqualifizierte Jobs in Schlüsselindustrien der Zukunft fördern. Damit könnte Tschechien auch weiterhin als Industrienation erfolgreich die Zukunft gestalten.

Mathias Eickhoff Geschäftsführer ZF Engineering Plzeň s.r.o.

Körperschaftsteuer soll sinken

Unternehmen werden ihre Investitionen künftig schneller und effizienter abschreiben können. Das gilt besonders bei Ausgaben für Forschung und Entwicklung, heißt es in der Regierungserklärung. Start-ups bekommen die Möglichkeit, Mitarbeiteraktien auszugeben. Angekündigt wurde weiterhin eine Senkung der Körperschaftsteuer von 21 auf 19 Prozent sowie ein Mehrwertsteuersatz von 0 Prozent auf verschreibungspflichtige Medikamente (bislang 12 Prozent). Diese Maßnahme würde den Staatshaushalt mit rund 500 Millionen Euro pro Jahr belasten, schätzt der Pharmaverband ČAFF. Die Patienten könnten bis zu 250 Millionen Euro sparen. 

Ich erhoffe mir, dass die Regierung die elektronische Umsatzerfassung EET einführt, damit Steuervermeidung erschwert wird und wir für alle Unternehmen faire Bedingungen erhalten.

Christoph Schlesiger Geschäftsführer Fielmann s.r.o. in Prag

Zugleich will die neue Regierungskoalition die Einnahmesituation verbessern und Steuerhinterziehung bekämpfen. Dafür wird die elektronische Umsatzerfassung EET wieder eingeführt. Einzelhändler und Gastronomen müssen dann jeden Zahlungsvorgang, also auch Barzahlungen, in Echtzeit an die Steuerbehörde senden. Das System wurde schon während der ersten Amtszeit von Andrej Babiš implementiert, von der Folgeregierung wegen des hohen Verwaltungsaufwands aber wieder abgeschafft.

Ich würde mir steuerliche Anreize für Investitionen wünschen, eine Entbürokratisierung sowie den Ausbau der Infrastruktur im Verkehrs- und Digitalsektor. Die Wirtschaftspolitik bleibt hoffentlich im Einklang mit den Werten der EU, allerdings bin ich da skeptisch. Sollte der Staat mehr Schulden machen, dann nur zum Anschub der Wirtschaft, zum Ausbau der Infrastruktur und zur Verteidigungsfähigkeit.

Thomas Gaßmann Geschäftsführer des Logistikdienstleisters Geis CZ s.r.o.

In der Energiepolitik strebt die designierte Regierung an, die Gebühren zur Förderung erneuerbarer Energien nicht mehr auf die Verbraucher umzulegen. Das soll die Strompreise senken; das Geld dafür kommt aus dem Staatshaushalt. Der von der EU angestrebte Handel mit Emissionszertifikaten für Haushalte und Verkehr (ETS 2) soll nicht in die tschechische Gesetzgebung übernommen werden. Allerdings warnte der scheidende Umweltminister Petr Hladík bereits, dass Tschechien Geldstrafen und der Verlust von EU-Fördermitteln drohten, sollten die Vorgaben für den Zertifikatehandel nicht umgesetzt werden.

Kohlekraftwerke bleiben in Betrieb

Beim Netzausbau hat die Stärkung des Übertragungs- und Verteilnetzes Priorität. Betreiber erneuerbarer Energiequellen sollen sich aber angemessen daran beteiligen. Kohlekraftwerke bleiben in Betrieb, bis genügend andere Energiequellen verfügbar sind.

Unsere Branche erwartet weitere Unterstützung bei der Dekarbonisierung der zentralen Fernwärmesysteme aus nationalen und europäischen Fördertöpfen. Die Ablehnung des Zertifikatehandels ETS II wäre kontraproduktiv, um eine Senkung der CO2-Emissionen zu erreichen. Stattdessen sollte die Regierung die durch den Green Deal verursachten höheren Energiekosten mit Hilfe von Ausgleichszahlungen abfedern.

Jörg Lüdorf Vorsitzender des Verwaltungsrates beim Energieversorger ENETIQA a.s. in Prag

Bei der Kernkraft sollen in der neuen Legislaturperiode die Genehmigungsverfahren für die Blöcke Dukovany 5 und 6 beginnen sowie die Projektvorbereitung für die Blöcke 3 und 4 in Temelín. Außerdem strebt die Koalition Investitionen in kleine modulare Reaktoren (SMR) an und will die Produktion von SMR-Komponenten in Tschechien auf den Weg bringen.

Vorrang für Ausbau der Infrastruktur 

Grundsätzlich hofft das künftige Kabinett auf größere Investitionen in Tschechien. Besonders Infrastrukturbauten sollen schneller umgesetzt werden. 

Geplante Fertigstellung mehrerer Autobahnen

  • D11 von Prag über Hradec Králové nach Polen
  • D6 von Prag nach Karlovy Vary: bis 2029
  • D3 von Prag über České Budějovice bis nach Österreich: bis 2027
  • Baustart für verbleibenden Teil des Prager Rings spätestens 2028
  • Fortsetzung der D49 aus der Region Zlín in die Slowakei

Mehr Tempo im Schienenverkehr 

  • Weitere Elektrifizierung des Schienennetzes
  • Geschwindigkeiten von 200 Kilometern/Stunde auf mindestens 70 Kilometer langen Abschnitten
  • Hauptkorridore bis 2029 mit dem Sicherheitssystem ETCS und mit 5G-Internet ausstatten
  • Bahnanbindung des Prager Flughafens Prag bis 2029
  • Modernisierung der Hauptbahnhöfe in Pardubice, Hradec Králové und Ostrava
  • Rückgang des Schienengüterverkehrs stoppen
  • mehr Güterverkehr auf den Strecken Plzeň – Domažlice – Furth im Wald sowie České Velenice – Gmünd

Es ist relativ einfach: Der Stillstand bei der Förderung der Wirtschaftsentwicklung in Tschechien sollte beendet werden. Das Land muss gegenüber anderen Staaten in Mittelosteuropa wieder konkurrenzfähiger werden, um neue Investitionen zu gewinnen. Basis für ein Wirtschaftswachstum ist eine gut entwickelte Infrastruktur, und diese sollte in den kommenden vier Jahren schneller ausgebaut werden.

John Bölts Geschäftsführer des Transportunternehmens a. hartrodt CZ s.r.o. in Prag

Auf den Wasserstraßen steht der Ausbau des Wehr- und Schleusensystems Děčín auf dem Programm, um die Elbe besser für den Güterverkehr nutzen zu können. Das könnte helfen, große Komponenten für den Ausbau des Kernkraftwerks Dukovany auf dem Wasserwege anzuliefern. Der strategische Zugang Tschechiens zum Meer soll über das eigene Hafengrundstück in Hamburg beibehalten und die Flotte von Fluss- und Seeschiffen unter tschechischer Flagge ausgebaut werden.

Großkrankenhaus in Prag geplant

Zu den öffentlichen Bauvorhaben, die Tschechiens neue Regierung beschleunigen will, gehören Kanalisations- und Kläranlagen in den Gemeinden, Studentenwohnheime in Zusammenarbeit mit den Universitätsstädten und Privatinvestoren sowie ein neues Großkrankenhaus in Prag, das die beiden bestehenden Standorte Bulovka und Vinohrady ersetzt. Der wahrscheinlich künftige Gesundheitsminister Adam Vojtěch von der Bewegung ANO sagte, dass das Gesundheitszentrum auf der grünen Wiese rund 600 Millionen Euro kosten würde und in zehn Jahren in Betrieb gehen könnte.

Ich wünsche mir, dass die neue Regierung die Wettbewerbsfähigkeit der Tschechischen Republik verbessert. Dazu zählen die stärkere Einbindung von Gemeinden in strategische Investitionen sowie die Vereinfachung der Baurechtsänderungen von 2024, um verlässliche Genehmigungsprozesse zu schaffen.

Markus Ising Geschäftsführer des Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer s.r.o. in Prag

Revitalisierung von Wohnsiedlungen

Um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, beabsichtigt die Regierung, Bauprojekte mit mehr als 100 Wohneinheiten als strategische Vorhaben von öffentlichem Interesse einzustufen. Damit könnten solche Projekte schneller genehmigt werden. Vorgesehen ist außerdem der Ausbau der technischen Infrastruktur sowie die Revitalisierung von Wohnsiedlungen, einschließlich der Sanierung von Plattenbauten.

Auslandshandelskammer sieht richtige Signale

Bernard Bauer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK), begrüßt den Fokus der neuen Regierung auf Investitionen, Bürokratieabbau und stabile Energiepreise. "Positiv ist die angekündigte Unterstützung von KMU, Start-ups sowie Forschung und Entwicklung." Die geplante Einführung der dualen Ausbildung und den Ausbau technischer Kompetenzen sieht Bauer als Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit. Entscheidend bleibe, dass Energiepolitik nachhaltig und transparent sei und zügig zu bezahlbarer Energie führe. "Planungssicherheit, Verlässlichkeit und ein uneingeschränktes Bekenntnis zum europäischen Zusammenhalt sind zentrale Voraussetzungen für Investitionen und das Vertrauen deutscher Unternehmen in Tschechien."

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