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Branche kompakt | Türkei | Bauwirtschaft

Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

Die Baubranche hofft auf ein Wachstum. Finanzierungsschwierigkeiten und hohe Baukosten trüben die Aussichten.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Der Wiederaufbau im Erdbebengebiet und das Städtische Transformationsprogramm bleiben die wichtigsten Wachstumstreiber. Der türkische Fachverband der Baustoffhersteller İMSAD prognostiziert 5 Prozent Wachstum für die Baubranche im Jahr 2024. Das Beratungsunternehmen KPMG hingegen erwartet nur einen Anstieg zwischen 3,5 und 4,1 Prozent. Hohe Finanzierungs- und Baukosten, insbesondere durch Lohnsteigerungen, dämpfen die Nachfrage. Im Jahr 2023 verzeichnete die Branche ein reales Wachstum von 7,8 Prozent.

Derzeit haben private Bauherren und Investoren Schwierigkeiten, an Kredite zu gelangen. Dies verzögert Projekte und führt zu eingeschränkten Aktivitäten im Bauwesen. Seit Juni 2023 verfolgt die Zentralbank eine restriktive Geldpolitik, um die ausufernde Inflation einzudämmen. Sie hat den Leitzins bis März 2024 schrittweise von 8,5 auf 50 Prozent erhöht und weitere Maßnahmen ergriffen, um die Kreditvergabe zu begrenzen. 

Wiederaufbau und Vorsorge prägen den Wohnungsbau

Regierung und Kommunen treiben den Wiederaufbau der Erdbebenregion in der südöstlichen Türkei voran. Dafür stehen den Kommunen umgerechnet 1,6 Milliarden Euro an Zuschüssen über die İLBANK für Infrastrukturprojekte wie Trink-, Abwasser und Kläranlagen zur Verfügung. Ungefähr 6,5 Millionen Wohneinheiten gelten landesweit als besonders erdbebengefährdet, davon allein in Istanbul 1,5 Millionen. Bis Ende März 2024 wurden 78.000 Wohneinheiten fertiggestellt und bis zum Jahresende sollen weitere 122.000 folgen.

Städtisches Transformationsprogramm (Kentsel Dönüsüm)

Das 2012 gestartete Programm zur Sanierung erdbebengefährdeter Wohngebiete erfuhr durch die Erdbeben 2023 neue Aufmerksamkeit. Gefährdete Gebäude werden vom Staat abgerissen und neu gebaut (in der Regel über die türkische Wohnungsbaubehörde TOKI). Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Eigentümer mit staatlicher Förderung Neubauten über private Baufirmen abwickeln und dabei vergünstigte Kredite, Garantien und einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Bauaufträge nutzen können.

Hoher Bedarf, aber es mangelt an Geld

Finanzierungsprobleme haben zu einem starken Rückgang im privaten Wohnungsbau geführt, obwohl der Bedarf weiterhin hoch ist. Viele sehen Wohnimmobilien wegen der hohen Inflation und drohender Kursschwankungen der Lira als attraktive Anlageobjekte. Die Erdbeben 2023 treiben die Nachfrage ebenfalls an. Insbesondere im stark erdbebengefährdeten Istanbul planen viele Wohnungseigentümer den Abriss und Neubau ihrer Gebäude. Gleichzeitig suchen zahlreiche Mieter nach Wohnraum in neueren Gebäuden. Besonders risikobehaftet gelten Gebäude, die vor der Verschärfung der Baurichtlinien im Jahr 1999 errichtet wurden. 

Baugenehmigungen für Wohngebäude Veränderung in Prozent

 

2022

2023

 Veränderung (2023/2022)

Anzahl der Gebäude

127.885

138.270

8,1

Anzahl der Wohnungen

697.596

843.077

20,9

Fläche in (Tsd. m2)

145.923

165.826

13,6

Quelle: Türkisches Statistikamt TÜIK 2024

Neubauten machten laut dem türkischen Statistikamt TÜIK 31 Prozent der gesamten Verkäufe aus. Der Wohnungsverkauf an Ausländer ging 2023 um deutliche 48 Prozent auf 35.005 Einheiten zurück. Dabei entfiel fast jeder dritte Verkauf auf Käufer aus Russland, gefolgt von Iran und Irak. Viele Immobilienkäufe aus dem Ausland dienen dem Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft.

Megaprojekt im sozialen Wohnungsbau

Im Rahmen des 12. Entwicklungsplans sollen bis Ende 2028 landesweit 500.000 Wohneinheiten für Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen gebaut werden. Die staatliche Wohnungsbaugesellschaft TOKİ ist für die Umsetzung des Projekts verantwortlich.

Baugenehmigungen für SozialunterkünfteVeränderung in Prozent

 

2022 

2023 

Veränderung (2023/2022) 

Anzahl der Bauten

229

203

-11,4

Fläche in (Tsd. m2)

949.312

920.430

-3,0

Quelle: TÜIK 2024

Gebäude für gewerbliche Zwecke sind gefragt

Der Trend zur Rückkehr in die Büros hält an. Die Nachfrage nach hochwertigen Büroflächen in zentralen Geschäftsvierteln steigt. Laut dem Immobilienunternehmen Cushman & Wakefield übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich, auch aufgrund geringer Büroinvestitionen in den vergangenen Jahren.

Die Leerstandsquote bei Büroflächen betrug Ende 2023 rund 10 Prozent, der niedrigste Wert der letzten neun Jahre. Der Gesamtbestand an Bürofläche belief sich auf 7,4 Millionen Quadratmeter. 

Baugenehmigungen für Bürogebäude Veränderung in Prozent

 

2022 

2023 

Veränderung (2023/2022) 

Anzahl der Bauten

3.238

3.264

0,8

Fläche in (Tsd. m2)

6.912

8.040

16,3

Quelle: TÜIK 2024

Nachfrage im Einzelhandel ist groß

Einige Expansionspläne im Handel mussten mangels passendem Immobilienangebot aufgeschoben werden. Der Vermietungsstand in Einkaufszentren und -straßen ist hoch. Trotz hoher Inflation und sinkender Kaufkraft profitiert der Handel weiterhin von einem kräftigen Konsum und der Belebung des Tourismus. Ende des Jahres 2023 waren in der Türkei 1 Million Quadratmeter GLA (Gross Lease Area) in 36 Einkaufszentren im Bau.

Geplante Anzahl von Einkaufszentren bis Ende 2025
 

Aktiv

Im Bau

Gesamt

Istanbul

135

14

149

Ankara

44

3

47

Restliche Türkei

274

19

293

Gesamt

453

36

489

Quelle: Value Solution Partners 2023

Baugenehmigungen für Groß- und Einzelhandel Veränderung in Prozent

 

2022 

2023

Veränderung (2023/2022) 

Anzahl der Bauten

2.622

3.259

24,3

Fläche in (Tsd. m2)

4.001

5.240

31,0

Quelle: TÜIK 2024

Hoher Bedarf an Lagermöglichkeiten

Das Angebot an Lagerflächen kann kaum mit der Nachfrage Schritt halten. Laut Value Solution Partners waren 2023 rund 95 Prozent der Lagerflächen in Istanbul und Kocaeli belegt, hauptsächlich für die Industrie elektronischer Haushaltsgeräte (32 Prozent), den Einzelhandel (30 Prozent) und Internethandel (25 Prozent). Ende 2023 gab es insgesamt 11 Millionen Quadratmeter Lagerfläche, mit weiteren 480.000 Quadratmetern im Bau. Die Marmara Region, insbesondere die Provinzen Istanbul und Kocaeli, bleibt der wichtigste Logistikmarkt, doch die Nachfrage in nachgelagerten Regionen könnte aufgrund des knappen Angebots zunehmen.

Baugenehmigungen für Industriebauten Veränderung in Prozent

 

2022 

2023

Veränderung (2023/2022) 

Anzahl der Bauten

5.083

4.899

-3,6

Fläche in (Tsd. m2)

11.513

13.553

17,7

Quelle: TÜIK 2024

 

Erneuerungsbedarf bei Hotels erwartet

Die Belegungsrate der Hotels blieb 2023 trotz steigender Besucherzahlen mit landesweit 59 Prozent (2022: 67 Prozent) unter den Erwartungen. Viele Besucher verkürzten wegen hoher Preisanstiege bei den Übernachtungen ihren Aufenthalt. Die Türkei zählte 57 Millionen Besucher. Besonders beliebte Ziele waren Istanbul und Antalya. 

Etwa zwei Drittel der ausländischen Besucher kommen zur Erholung, aber Gesundheitstourismus und Einkaufsmöglichkeiten gewinnen an Bedeutung. Die Anzahl der Geschäftsreisen in die Türkei zieht weiter an. Ende 2023 gab es landesweit 20.991 Hotels mit insgesamt 941.279 Zimmern und fast 2 Millionen Betten. Bei vielen Hotels stehen in den nächsten Jahren Renovierungsarbeiten an.

Baugenehmigungen für Hotels und ähnliche BautenVeränderung in Prozent

 

2022

2023

Veränderung (2023/2022) 

Anzahl der Bauten

1.750

1.205

-31,1

Fläche in (Tsd. m2)

1.954

2.087

6,8

Quelle: TÜIK 2024

Lieber abreißen als renovieren

Der Erneuerungsbedarf im Gebäudebestand in der Türkei ist hoch. Wohn- und Wirtschaftsbauten werden durchschnittlich nach 15 Jahren aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erneuerungsbedürftig, schätzt İMSAD. Jedoch wird tendenziell eher abgerissen und neu gebaut als renoviert. Eine Ausnahme sind Hotels, hier wird eher renoviert und saniert. İMSAD zufolge müssen Hotels in der Türkei etwa alle sieben Jahre erneuert werden, wodurch in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein erheblicher Erneuerungsbedarf erwartet wird.

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