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Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung
Der Wiederaufbau in der Erdbebenregion und Präventionsmaßnahmen bleiben die Wachstumstreiber. Finanzierungsschwierigkeiten und hohe Kosten dämpfen die Nachfrage.
28.05.2025
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Das Städtische Transformationsprogramm und der Wiederaufbau der südöstlichen Türkei treiben die Investitionen in der Bauwirtschaft an. Der Baustoffverband İMSAD rechnet 2025 mit einem Wachstum von 5 Prozent. Im Jahr 2024 wuchs die Branche real um 9,3 Prozent und verzeichnete damit das zweite Jahr in Folge ein starkes Wachstum.
Allerdings könnten steigende Löhne sowie hohe Finanzierungs- und Baukosten die Nachfrage schwächen. Privatpersonen und Investoren haben außerdem derzeit Schwierigkeiten Kredite zu erhalten. Zudem sind diese aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus teurer geworden. Dies verzögert Projekte und schränkt die Bautätigkeit ein. In der 2. Jahreshälfte 2025 könnten Zinserleichterungen die private Bautätigkeit ankurbeln. Seit Juni 2023 hat die Zentralbank den Leitzins zur Inflationsbekämpfung von 8,5 auf 50 Prozent (März 2024) erhöht und die Kreditvergabe begrenzt. Mittlerweile sinkt der Zinssatz schrittweise (März 2025: 42,5 Prozent).
Kommunale und nationale Förderung für Erdbebensicherung
Den Kommunen stehen für den Wiederaufbau in der Erdbebenregion umgerechnet 1,6 Milliarden Euro an Zuschüssen über die İLBANK für Infrastrukturprojekte wie Trink-, Abwasser- und Kläranlagen zur Verfügung. Bis Ende November 2024 wurden 155.000 Wohneinheiten fertiggestellt. Bis zum Jahresende 2025 soll es einen Bestand von insgesamt 416.960 Wohnungen und 36.023 Gewerbeeinheiten in der Region geben.
Landesweit gelten etwa 6,5 Millionen Wohneinheiten als besonders erdbebengefährdet, davon allein 1,5 Millionen in Istanbul. Sie sollen im Rahmen des Städtischen Transformationsprogramms erneuert werden.
Städtisches Transformationsprogramm (Kentsel Dönüsüm)
Das 2012 gestartete Programm zur Sanierung erdbebengefährdeter Wohngebiete erfuhr durch die Erdbeben 2023 neue Aufmerksamkeit. Gefährdete Gebäude werden vom Staat abgerissen und neu gebaut (in der Regel über die türkische Wohnungsbaubehörde TOKI). Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Eigentümer mit staatlicher Förderung Neubauten über private Baufirmen abwickeln und dabei vergünstigte Kredite, Garantien und einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Bauaufträge nutzen können.
Privater Wohnungsbau legt 2025 wieder zu
Auch außerhalb des Wiederaufbaugebiets ist der Bedarf an Wohnungen weiterhin hoch. Im Januar 2025 zogen die Eigenheimkäufe, nach einem Einbruch im Vorjahr, wieder deutlich an (+40 Prozent). Banken unterstützen hier mit zinsgünstigeren Wohnungsbaudarlehen. Die Nachfrage nach Wohnraum dürfte im Jahresverlauf 2025 stark bleiben.
Viele sehen Wohnimmobilien wegen der hohen Inflation und drohender Kursschwankungen der Lira als attraktive Anlageobjekte. Besonders risikobehaftet gelten Gebäude, die vor der Verschärfung der Baurichtlinien im Jahr 1999 errichtet wurden. Insbesondere im stark erdbebengefährdeten Istanbul planen deshalb viele Wohnungseigentümer den Abriss und Neubau ihrer Gebäude, wie bei vielen Wirtschafts- und Wohnbauten in der Türkei. Diese Gebäude werden durchschnittlich nach 15 Jahren aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erneuerungsbedürftig eingeschätzt. Der Erneuerungsbedarf im türkischen Gebäudebestand bleibt somit insgesamt hoch. Gleichzeitig suchen zahlreiche Mieter nach Wohnraum in neueren Gebäuden.
| 2023 | 2024 | Veränderung 2024/2023 |
---|---|---|---|
Anzahl der Gebäude | 139.660 | 122.594 | -12,2 |
Anzahl der Wohnungen | 860.445 | 758.189 | -11,9 |
Fläche in (Tsd. m2) | 168.538 | 147.576 | -12,4 |
Neubauten machten laut dem türkischen Statistikamt TÜIK 33 Prozent der gesamten Verkäufe im Jahr 2024 aus. Der Wohnungsverkauf an Ausländer ging, wie bereits im Vorjahr, zurück. Dabei entfiel fast jeder dritte Verkauf auf Interessenten aus Russland, gefolgt von Iran und Ukraine. Viele Immobilienkäufe aus dem Ausland dienen dem Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft.
Auch der soziale Wohnungsbau geht voran: Im Rahmen des 12. Entwicklungsplans sollen von 2024 bis Ende 2028 landesweit 500.000 Wohneinheiten für Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen gebaut werden. Die staatliche Wohnungsbaugesellschaft TOKİ ist für die Umsetzung des Projekts verantwortlich.
Der Trend zur Rückkehr in die Büros hält an
Die Nachfrage nach hochwertigen Büroflächen in zentralen Lagen mit guter Erreichbarkeit in Großstädten wie Istanbul, Ankara und Izmir wächst weiter. Zudem wechseln Mieter aus Sorge verstärkt von Altbauten zu neuen, erdbebensicheren Bürogebäuden der Klasse A. Laut VS Partners übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich, da in den vergangenen Jahren nur wenige Investitionen getätigt wurden. Für 2025 wird erwartet, dass leerstehende Gebäude und Einkaufszentren in Büroflächen umgewandelt werden. Besonders gefragt waren Büroflächen in Levent und Maslak.
| 2023 | 2024 | Veränderung 2024/2023 |
---|---|---|---|
Anzahl der Bauten | 3.262 | 4.032 | 23,6 |
Fläche in (Tsd. m2) | 8.047 | 9.634 | 19,7 |
Nachfrage nach Einzelhandelsflächen lässt nach
Trotz hoher Inflation und sinkender Kaufkraft profitiert der Handel weiterhin vom lebhaften Konsum, bedingt durch die steigenden Touristenzahlen. Allerdings hat die starke Dynamik der Vorjahre infolge der restriktiven Geldpolitik an Schwung verloren. Laut VS Partners befanden sich Ende September 2024 landesweit 39 Einkaufszentren mit 1,1 Millionen Quadratmeter GLA (Gross Lease Area) im Bau, die meisten in Istanbul.
Anzahl | Mio. m2 | |
---|---|---|
Istanbul | 135 | 5,22 |
Ankara | 44 | 1,71 |
Restliche Türkei | 274 | 7,15 |
Gesamt | 453 | 14,1 |
| 2023 | 2024 | Veränderung 2024/2023 |
---|---|---|---|
Anzahl der Bauten | 3.293 | 1.478 | -55,1 |
Fläche in (Tsd. m2) | 5.448 | 2.457 | -54,9 |
Hohe Hotelinvestitionen geplant
Die Anzahl der Türkeibesucher stieg im Jahr 2024 um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf rund 62,3 Millionen. Besonders beliebte Ziele waren Istanbul und Antalya. Zahlreiche neue Hotels sind geplant. Der Gesundheitstourismus gewinnt an Bedeutung.
Hotels werden in der Regel eher renoviert und modernisiert, statt abgerissen und neu gebaut. Laut İMSAD müssen Hotels etwa alle sieben Jahre erneuert werden, was in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu einem erheblichen Renovierungsbedarf führen dürfte. Anfang 2025 gab es landesweit 21.485 Hotels mit 884.550 Zimmern und insgesamt 1,83 Millionen Betten. Neben den Renovierungen sind weitere 164.359 Betten geplant.
| 2023 | 2024 | Veränderung 2024/2023 |
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Anzahl der Bauten | 1.210 | 2.088 | 72,6 |
Fläche in (Tsd. m2) | 2.088 | 2.044 | -2,1 |
Logistiker suchen Kapazitäten
Die Nachfrage nach Lagerflächen übersteigt weiterhin das Angebot. Hohe Bau- und Grundstückskosten bleiben dabei eine zentrale Herausforderung. Die Marmara-Region, insbesondere die Provinzen Istanbul und Kocaeli, sind nach wie vor der wichtigste Logistikmarkt. Aufgrund des knappen Angebots könnte jedoch auch die Nachfrage in angrenzenden Regionen steigen. Laut VS Partners waren Ende September 2024 rund 99 Prozent der Lagerflächen in Istanbul und 98 Prozent in Kocaeli ausgelastet. In beiden Städten standen Ende 2023 insgesamt 11,2 Millionen Quadratmeter Lagerfläche zur Verfügung, während weitere 480.000 Quadratmeter im Bau waren.
| 2023 | 2024 | Veränderung 2024/2023 |
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Anzahl der Bauten | 4.917 | 5.136 | 4,5 |
Fläche in (Tsd. m2) | 13.567 | 12.203 | -10,1 |