Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Türkei | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Die junge Bevölkerung ist ein Standortvorteil. Ausländische Firmen bewerten das Ausbildungsniveau meist gut, dennoch bleibt die Personalsuche teils schwierig.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Die türkische Bevölkerung ist mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren deutlich jünger als die Deutschlands. Der Arbeitsmarkt umfasst potenziell 66 Millionen Menschen. Dies sind die Personen im arbeitsfähigen Alter über 15 Jahren. Allerdings waren Ende Juni 2024 nur etwas über die Hälfte offiziell erwerbstätig, was auf eine hohe Anzahl arbeitsloser oder nicht offiziell beschäftigter Personen hinweist. Von den Frauen im arbeitsfähigen Alter gingen nur rund 37 Prozent offiziell einer Erwerbstätigkeit nach (Männer: 72 Prozent). Bedenklich ist die hohe Zahl beschäftigungsloser junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Im Juni 2024 war jede fünfte Person in dieser Altersklasse weder in einer Ausbildung noch offiziell beschäftigt.

Die Türkei im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Fremdsprachenkenntnisse nehmen zu

Viele türkische Fachkräfte, insbesondere die jüngeren, sprechen Englisch. Das Gesamtniveau der Englischkenntnisse in der Bevölkerung ist eher gering. Laut dem Länderranking von Education First aus dem Jahr 2022 landete die Türkei auf Rang 64 von 111 Ländern weltweit, während Deutschland den 10. Platz belegte.

In den Großstädten Istanbul und Ankara gibt es zahlreiche Privatschulen, die weite Teile des Curriculums in Fremdsprachen wie Englisch, Französisch oder Deutsch unterrichten. Sie bieten oft auch ausländische Schulabschlüsse an, darunter das deutsche Abitur. Wegen der hohen Schulgebühren steht der Zugang zu privater Schulbildung vor allem einkommensstarken Familien offen. Deren Absolventen verfügen über ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse. Wenn ausländische Firmen in der Türkei tätig werden möchten und Personal mit nahezu muttersprachlichem Niveau in diesen Sprachen benötigen, dann sind diese Absolventen besonders wertvoll.

Jeder Vierte hat einen Universitätsabschluss

Die Türkei verfügt über eine Vielzahl an Universitäten und technischen Schulen, die eine breite Palette von Fachrichtungen abdecken. Insbesondere in den Ballungsräumen wie Istanbul und Ankara steht ein großer Pool ausgebildeter Arbeitskräfte zur Verfügung. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ab 25 Jahren hat einen Universitätsabschluss. Jedoch arbeiten viele Arbeitskräfte nicht in ihrem erlernten Fachgebiet. Berichten zufolge gehe es vielen Studierenden häufig vor allem darum, ein Diplom zu erhalten, egal in welcher Fachrichtung. Eine Einführung in das türkische Hochschulsystem hat der Deutsche Akademische Austauschdienst, DAAD, veröffentlicht. 

Trotz gutem Ausbildungsniveau muss nachjustiert werden

Ausländische Unternehmen bezeichnen das Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte in der Türkei meist als gut. Trotzdem sei es häufig schwierig, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten. Derzeit zieht es besonders viele "White Collar" Fachkräfte nach Europa. Unternehmen sehen sich teils in direkter Konkurrenz um Arbeitskräfte mit dem europäischen Markt und können eigenen Angaben zufolge in der Regel nicht mit den angebotenen Löhnen mithalten. Die Abwanderung qualifizierter Kräfte führt zu Engpässen in bestimmten Branchen und schränkt die Verfügbarkeit von Fachkräften ein. Deutschland ist beispielsweise eines der Länder. Deutschland ist überdies zum Ziel für türkische Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen geworden.

Außerdem bestehen Berichten zufolge teils erhebliche Defizite, insbesondere bei der praktischen Berufsausbildung. Nach der beruflichen oder akademischen Ausbildung sind die Absolventen recht häufig nicht direkt einsetzbar und benötigen eine weitere praktische Ausbildung im Betrieb. Ein paar ausländische Unternehmen haben eigene Ausbildungszentren eröffnet. Ein Universitätsabschluss wird gesellschaftlich hoch geschätzt, während praktische Berufsausbildungen als weniger erstrebenswert gelten. Unternehmensberichten zufolge fehle es beispielsweise an Technikern. Einige werben potenzielle Kandidaten deshalb direkt an den Berufsschulen an und haben auch teils Kooperationen mit diesen Schulen. Die Initiative iMOVE des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Unterstützung deutscher Bildungsdienstleister im Ausland hat 2011 eine Studie zur beruflichen Bildung in der Türkei veröffentlicht, die in weiten Teilen noch Gültigkeit haben dürfte. 

Ausbildungsinstitute deutscher Firmen in der Türkei (Auswahl)

Hoher Personalbedarf in Produktion und Vertrieb

Die Verfügbarkeit von Fachkräften kann in den verschiedenen Regionen der Türkei variieren. In den größeren Städten wie Istanbul und Ankara gibt es in der Regel einen größeren Pool an Fachkräften, während es in ländlicheren Gebieten schwieriger sein kann, qualifiziertes Personal zu finden. Zudem kann die Verfügbarkeit von Fachkräften von Branche zu Branche variieren. In manchen Branchen ist die Konkurrenz um Fachkräfte höher.

Die 2023 am meisten von den Arbeitgebern in der Türkei gesuchten Berufsbilder waren einer Umfrage des Personaldienstleisters Manpower zum Fachkräftemangel zufolge Fertigung und Produktion (30 Prozent), Vertrieb und Marketing (28 Prozent), Ingenieurwesen (26 Prozent), IT & Daten (20 Prozent) sowie Verwaltung und Büro (20 Prozent).

Unternehmen haben Schwierigkeiten offene Stellen zu besetzen

Laut der Manpower Umfrage berichteten 72 Prozent der befragten Unternehmen in der Türkei 2023 über Schwierig­keiten bei der Suche nach den benötigten Fähigkeiten und Qualifikationen. Dies betraf praktisch alle der in der Studie genannten Branchen in hohem Maße. Am schwierigsten waren Bewerber im Bereich Transport, Logistik und Automobilindustrie zu finden. Die Unternehmen reagieren auf den Fachkräftemangel, indem sie ihre Belegschaft weiterbilden oder umschulen (69 Prozent) und flexiblere Arbeitszeitmodelle (60 Prozent) anbieten, um attraktiver zu sein.

Umfrage zum Fachkräftemangel nach Branchen 2023In Prozent
Branche

Anteil der Unternehmen*)

Transport, Logistik und Automobil

79

Konsumgüter und Dienstleistungen

76

Gesundheitswesen und Life Science

76

Kommunikationsdienste

72

Energie und Versorgung

71

Finanzwesen und Immobilien

70

Industrie und Rohstoffe

70

Informationstechnologie

65

* Anteil der befragten Unternehmen, die über Fachkräftemangel oder Schwierigkeiten bei der Besetzung offene Stellen berichten.Quelle: ManpowerGroup 2023

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.