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Fachkräfte
Ein gut ausgebildeter, junger Talentpool ist vorhanden – doch ausländische Firmen berichten, dass es oft schwerfällt, geeignetes Personal zu finden und zu halten.
25.08.2025
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Die türkische Bevölkerung ist mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren deutlich jünger als die Deutschlands. Der Arbeitsmarkt umfasst potenziell 59 Millionen Menschen. Gemeint sind Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Offiziell erwerbstätig war im Jahr 2024 nur etwas mehr als die Hälfte – ein Hinweis auf viele arbeitslose oder nicht angemeldete Arbeitskräfte. Von den Frauen in diesem Alter gingen nur rund 37 Prozent offiziell einer Erwerbstätigkeit nach (Männer: 72 Prozent). Bedenklich ist auch die hohe Zahl beschäftigungsloser junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Im Jahr 2024 waren 16 Prozent in dieser Altersklasse weder in einer Ausbildung noch offiziell beschäftigt – also nahezu jede sechste Person.
Die Türkei im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |
Fremdsprachenkenntnisse nehmen zu
Viele jüngere Menschen sprechen Englisch. Das Gesamtniveau der Englischkenntnisse in der Bevölkerung ist jedoch eher gering. Laut dem Länder-Ranking von Education First belegte die Türkei 2024 Platz 65 von 116 Ländern weltweit, während Deutschland den 10. Platz erreichte.
In den Großstädten Istanbul und Ankara gibt es zahlreiche Privatschulen, die weite Teile des Curriculums in Fremdsprachen wie Englisch, Französisch oder Deutsch unterrichten. Häufig bieten sie auch ausländische Schulabschlüsse an, darunter das deutsche Abitur. Wegen der hohen Schulgebühren steht der Zugang zu privater Schulbildung vor allem einkommensstarken Familien offen. Deren Absolventen verfügen in der Regel über ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse. Zudem gibt es staatliche und private Universitäten, die deutschsprachige Studiengänge anbieten. Für ausländische Firmen, die in der Türkei tätig werden möchten und Personal mit nahezu muttersprachlichem Niveau in diesen Sprachen benötigen, sind diese Absolventen besonders wertvoll.
Deutschsprachige Schulen in der Türkei
Ankara
Istanbul
- Privatschule der Deutschen Botschaft Ankara, Zweigstelle Istanbul
- DSI - Alman Lisesi, Deutsche Schule Istanbul
- Istanbul Erkek Lisesi - Deutsche Abteilung
- IELEV Schule Istanbul
Izmir
Jeder Vierte hat einen Universitätsabschluss
Die Türkei verfügt über eine Vielzahl an Universitäten und technischen Schulen, die ein breites Spektrum an Fachrichtungen abdecken. Besonders in Ballungsräumen wie Istanbul und Ankara steht ein großer Pool qualifizierter Arbeitskräfte zur Verfügung. Rund ein Viertel der Bevölkerung ab 25 Jahren hat einen Universitätsabschluss. Viele arbeiten jedoch nicht in ihrem erlernten Fachgebiet. Berichten zufolge gehe es Studierenden häufig vor allem darum, ein Diplom zu erwerben – egal in welcher Fachrichtung. Eine Einführung in das türkische Hochschulsystem bietet der Deutsche Akademische Austauschdienst, DAAD.
Deutschsprachige Studiengänge an türkischen Hochschulen
Istanbul
• Altınbaş Universität – Privathochschule mit deutsch-türkischem Rechtsstudium in Kooperation mit der Universität Köln (Bachelor).
• Marmara Universität – Staatliche Universität mit deutschsprachigem BWL-Studium (Bachelor).
• Türkisch-Deutsche Universität (TDU) – Staatliche Universität mit Studiengängen in Ingenieur-, Natur-, Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungs- sowie Kultur- und Sozialwissenschaften. Partnerhochschulen in Deutschland, teils Doppeldiplom-Programme.
Trotz gutem Ausbildungsniveau muss nachjustiert werden
Internationale Firmen bewerten die berufliche Kompetenz der Arbeitskräfte in der Türkei in der Regel als hoch. Dennoch ist es häufig schwierig, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten. Aktuell zieht es viele Fachkräfte aus dem White-Collar-Bereich nach Europa. Unternehmen sehen sich zunehmend in direkter Konkurrenz mit dem europäischen Arbeitsmarkt und können beim Lohnniveau oft nicht mithalten. Die Abwanderung qualifizierter Kräfte führt in einigen Branchen zu Engpässen. Deutschland gilt dabei als eines der wichtigen Zielländer – insbesondere für Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen.
Außerdem bestehen Berichten zufolge teils erhebliche Defizite, insbesondere bei der praktischen Berufsausbildung. Nach einer beruflichen oder akademischen Ausbildung sind die Absolventen recht häufig nicht direkt einsetzbar und benötigen eine zusätzliche praktische Ausbildung im Betrieb. Ein paar ausländische Unternehmen haben daher eigene Ausbildungszentren eingerichtet.
Ein Universitätsabschluss gilt gesellschaftlich als besonders erstrebenswert, während praktische Ausbildungen weniger Ansehen genießen. Unternehmensberichten zufolge fehle es beispielsweise an Technikern. Einige Firmen werben gezielt an Berufsschulen oder kooperieren mit ihnen. Die Initiative iMOVE (International Marketing of Vocational Education) des Bundesbildungsministeriums unterstützt deutsche Bildungsanbieter im Ausland und hat 2011 eine Studie zur beruflichen Bildung in der Türkei veröffentlicht, die weitgehend noch aktuell ist.
Ausbildungsinstitute deutscher Firmen in der Türkei (Auswahl)
- Siemens Akademie
Zertifikat im Bereich Gesundheitswesen und der Industrie - GSI – Gesellschaft für Schweißtechnik International
Zertifizierung im Bereich Schweißfachingenieure und Schweißinspektoren - Festo Didactic
Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten - TÜV Süd Akademie
Zertifizierte Kfz-Sachverständige
Hoher Personalbedarf in Produktion und Vertrieb
Die Verfügbarkeit von Fachkräften variiert regional. In großen Städten wie Istanbul oder Ankara steht meist ein breiterer Pool zur Verfügung, während in ländlicheren Regionen die Suche nach qualifiziertem Personal schwieriger ist. Auch zwischen den Branchen bestehen Unterschiede: In einigen Bereichen ist der Wettbewerb um Fachkräfte besonders hoch.
Laut einer Umfrage des Personaldienstleisters Manpower zum Fachkräftemangel zählten 2023 vor allem folgende Bereiche zu den am stärksten nachgefragten Berufsbildern: Fertigung und Produktion (30 Prozent), Vertrieb und Marketing (28 Prozent), Ingenieurwesen (26 Prozent), IT & Daten (20 Prozent) sowie Verwaltung und Büro (20 Prozent).
Unternehmen haben Schwierigkeiten offene Stellen zu besetzen
Laut der Manpower Umfrage berichteten 72 Prozent der befragten Firmen über Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen – praktisch alle untersuchten Branchen waren stark betroffen. Besonders schwer zu finden waren Bewerber in den Bereichen Transport und Logistik sowie der Automobilindustrie. Als Reaktion auf den Fachkräftemangel setzen viele Firmen auf Weiterbildung oder Umschulung (69 Prozent) sowie auf flexiblere Arbeitszeitmodelle (60 Prozent), um ihre Attraktivität zu steigern.
Branche | Anteil der Unternehmen*) |
---|---|
Transport, Logistik und Automobil | 79 |
Konsumgüter und Dienstleistungen | 76 |
Gesundheitswesen und Life Science | 76 |
Kommunikationsdienste | 72 |
Energie und Versorgung | 71 |
Finanzwesen und Immobilien | 70 |
Industrie und Rohstoffe | 70 |
Informationstechnologie | 65 |