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Branche kompakt | Tunesien | Bauwirtschaft

Wenig Bewegung in der tunesischen Bauwirtschaft

Die Baubranche in Tunesien hat in den letzten Jahren stark gelitten. Zuletzt hat sich der gesamtwirtschaftliche Ausblick etwas aufgehellt. Ist die Talsohle nun erreicht?

Von Marcus Knupp | Berlin

Ausblick der Bauwirtschaft in Tunesien

Bewertung:

  • Hohe Zinskosten, gestiegene Preise für Baustoffe und anziehende Lohnkosten bremsen die Dynamik in Wohnungsbau.
  • Projekte im Bausektor werden häufig nur mit Verzögerung umgesetzt.
  • Nationale Strategie für den Wohnungsbau soll Impulse setzen, Spielraum für öffentliche Investitionen ist aber begrenzt.
  • Chancen für deutsche Unternehmen bestehen vor allem bei geberfinanzierten Projekten.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Oktober 2025.

Markttrends

In seiner jüngsten Konjunkturprognose hat der Internationale Währungsfonds (IWF) im Oktober 2025 die Aussichten für Tunesien deutlich nach oben korrigiert und erwartet nun ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von real 2,5 Prozent im Jahr 2025 (nach 1,4 Prozent im Mai 2025). Triebkräfte sind hier vor allem gute Ergebnisse in der Landwirtschaft und im Tourismus.

Auch 2026 bleibt demnach das Wachstum mit 2,1 Prozent auf einem ähnlichen Niveau. Die Bauwirtschaft könnte davon durchaus profitieren. Mit einer Nationalen Strategie für den Wohnungsbau 2025 bis 2035 will Tunis die Bautätigkeit wieder anschieben. So erwartet auch das irische Marktforschungsunternehmen Research and Markets in den kommenden Jahren ein Anziehen der Umsätze in der Bauwirtschaft mit einer Steigerung um real 3,1 Prozent im Durchschnitt der Jahre 2026 bis 2029 - nach nur 1,2 Prozent 2025.

In den letzten Jahren hat sich der Anteil der Bauwirtschaft an der tunesischen Wirtschaftsleistung kontinuierlich verringert, wie die Zahlen des Nationalen Statistikamtes zeigen. In absoluten Zahlen verharren die Bauinvestitionen in Tunesien in den letzten drei Jahren bei rund 590 Millionen tunesischen Dinar (tD), das waren 2025 etwa 145 Millionen Euro (in Euro gerechnet sind sie allerdings pro Jahr wechselkursbedingt um circa 2 Prozent gesunken). 

Gründe für die schwache Konjunktur sind vielfältig. Steigende Preise für Baumaterialien und höhere Löhne schmälern die Gewinne der Baufirmen. Fehlende Fachkräfte und langsam agierende öffentliche Partner, sei es beim Anschluss an Versorgungsnetze oder bei der Begleichung von Rechnungen, machen den Unternehmen das Leben schwer. Insbesondere kleine Firmen sind davon betroffen. Nach Angaben des Nachrichtenportals Tunisie Numérique von März 2025 sind seit 2023 zwischen 40 und 50 Prozent der Akteure in der Bauwirtschaft vom Markt verschwunden.

Impulse für den Wohnungsbau

Der weit überwiegende Teil der neu gebauten Wohnungen in Tunesien entsteht in Eigenregie der Eigentümer. Engpässe ergeben sich vor allem bei Wohnraum für einkommensschwache Bevölkerungsteile. Im Jahr 2024 hat das Wohnungsbauministerium eine Stratégie National du Logement für die Jahre 2025 bis 2035 angekündigt. Hauptbestandteile sollen die Vorhaltung von Grundstücksreserven, der Zugang zu Wohnraum und seine Finanzierung, die Erhaltung historischer Bausubstanz und die Verfahren der Stadt- und Raumplanung sein. Veröffentlicht wurde die Strategie noch nicht.

Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und damit einhergehende Veränderungen von Wohnweisen und Haushaltsgrößen haben den Bestand an Wohnungen in Tunesien in den letzten Jahrzehnten stark anwachsen lassen. Während sich die Bevölkerungszahl zwischen 1975 und 2024 von 5,6 Millionen auf 12 Millionen etwas mehr als verdoppelt hat, stieg die Zahl der Wohneinheiten von 1,02 Millionen auf 4,27 Millionen. In den letzten zehn Jahren kamen jährlich durchschnittlich 97.600 Wohnungen hinzu. Zuletzt waren es allerdings Pressemeldungen zufolge jährlich nur noch rund 80.000. Im Rahmen des Programms zum Bau von 13.400 Sozialwohnungen von 2012 werden aktuell noch Bauten durchgeführt.

Tourismus und Transport bieten Perspektiven

Wichtiges Anliegen der tunesischen Regierung ist die Modernisierung der Transportinfrastruktur. Viele Projekte bleiben allerdings lange Zeit im Planungsstadium, weil die Finanzierung schwierig ist. Da in den letzten Jahren keine Einigung mit dem IWF über ein Unterstützungsprogramm erzielt werden konnte, bleibt der Zugang zu internationalen Finanzinstitutionen begrenzt. Alternativen sind neben der ebenfalls nur in begrenztem Maße zu Verfügung stehenden inländischen Finanzierung Investoren aus den arabischen Golfstaaten, Länder wie China oder die Kooperation mit Entwicklungsbanken wie der EBRD.

So konnte Tunesien jüngst einige Modernisierungsprojekte in den Bereichen Eisenbahn und Straßenbau anstoßen. Unterstützung aus Saudi-Arabien gibt es für Krankenhausprojekte, etwa zwei regionale Hospitäler mit je 105 Betten in Sebiha und El Jem mit einem Investitionsvolumen von circa 50 Millionen US-Dollar (US$). Im Zusammenhang mit Planungen im Gesundheitssektor fällt auch immer wieder der Begriff Medizintourismus, potenziell eine Erweiterung des derzeit ohnehin wieder gut laufenden Fremdenverkehrs. 

Im Jahr 2024 stieg die Zahl der Ankünfte nach Angaben des Tourismusministeriums erstmals seit der Coronapandemie auf über 10 Millionen und übertraf damit das Niveau von 2019. Mit der Deklaration neuer Tourismuszonen in verschiedenen Landesteilen will das Office National de Tourisme Tunisien (ONTT) diesen Trend weiter fördern. In Orten wie Bizerte, Monastir, Gabès, auf Djerba oder in Tozeur sollen Anlagen und Hotels mit zum Teil mehreren Tausend Betten entstehen.

Ausgewählte Großprojekte in der Bauwirtschaft in TunesienIn Millionen Euro
Akteur/Projekt

Investitionssumme 

ProjektstandAnmerkungen
Bukhatir Group (VAE)/Tunis Sports City

5.000

Planung/VorbereitungMultifunktionales Stadtentwicklungsprojekt in Tunis; drei Phasen bis 2026, 2028 und 2031
Cité Médical des Aghlabides, Kairouan 

1.200

Planung/GrundstückserwerbVorhaben mit Krankenhaus, Universitätscampus, Wohnanlagen und Einrichtungen für Medizintourismus; Zusammenarbeit mit China
Lokale Investoren/Costa Coralis Jendouba Tabarka

650

PlanungTouristisches Megaprojekt mit Hotels, Einkaufszentrum, Wasser- und Kletterpark, Seilbahn etc.; 1. Phase bis 2029/30
SNCFT/Modernisierung von Eisenbahnstrecken

204

AusschreibungenFinanzierung in Höhe von 160 Millionen Euro durch EBRD; Modernisierung der Strecke Tunis-Kasserine, Elektrifizierung der Strecke Moknine-Mahdia, Beschaffung fünf neuer Elektrotriebzüge
SNCFT/Modernisierung der Phosphatbahnen

165

Planungen/Ausschreibungen 2026Finanzierung durch kuwaitischen Entwicklungsfonds; 190 Kilometer Strecken
Tiefseehafen Enfidha

k.A.

PlanungMinisterium für Transport kündigte im Juli 2025 an, das Projekt als strategisch zu klassifizieren
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, MEED Projects 2025

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Der harte Wettbewerb um eine begrenzte Zahl von Bauaufträgen infolge der schwierigen Finanzsituation macht den Unternehmen der Branche in Tunesien zu schaffen. Etliche haben in den letzten Jahren das Handtuch geworfen. Viele internationale Anbieter haben sich zurückgezogen. Möglichkeiten der Beteiligung ergeben sich entweder bei Projekten mit internationaler Finanzierung, etwa durch Entwicklungsbanken, oder im Rahmen technisch anspruchsvoller Vorhaben wie der Ausstattung von Krankenhäusern oder Signalisierung von Eisenbahnstrecken.

Selbst dann ist der tunesische Markt aber anspruchsvoll. Planungs- und Genehmigungsverfahren können sich lange hinziehen. Nicht immer ist das Personal in den zuständigen Stellen ausreichend qualifiziert. Rechtliche Probleme ergeben sich oft im Vorlauf der Projekte beim Erwerb der Baugrundstücke. Mit der Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure im Rahmen von Betreibermodellen gibt es in Tunesien noch wenig Erfahrung. Öffentliche Ausschreibungen können auf dem Vergabeportal TUNEPS eingesehen werden.

 

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