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Branchen | Tunesien | Kfz-Markt

Europäische Automarken verlieren in Tunesien Marktanteile

Der Kauf eines Neuwagens rückt für viele Tunesier in immer weitere Ferne. Viele weichen auf den Parallelmarkt aus – zum Leidwesen der offiziellen Händler.

Von Verena Matschoß | Tunis

Tunesische Autofahrer greifen bei Neukäufen immer mehr zu Marken aus Asien. Von Januar bis Juli 2023 wurden in Tunesien 23.316 neue Pkw zugelassen. Dabei stand die südkoreanische Marke Hyundai für 18 Prozent der Verkäufe. Der Marktanteil asiatischer Hersteller auf dem gesamten Kfz-Markt beträgt bereits rund 60 Prozent.

Pkw-Neuzulassungen nach Marken 2022

Marke

Neuzulassungen  (Einheiten)

Veränderung 2022/2021

Marktanteil

Insgesamt

41.873

-15,5

Hyundai

7.356

7,3

17,6

KIA

5.743

-17,5

13,7

Toyota

4.424

-5,7

10,6

Peugeot

2.641

15,5

6,3

Suzuki

2.519

-22,4

6,0

Volkswagen

2.125

-28,8

5,1

Chery

1.983

5,4

4,7

Quelle: Internetportal automobile.tn (Daten von der Technischen Agentur für Landverkehr) 2023

Der Anteil europäischer Hersteller am Kfz-Markt hingegen ist innerhalb eines Jahres - von 2021 auf 2022 – um 5 Prozentpunkte auf 34,5 Prozent der Neuzulassungen gesunken. Dies scheint vor allem an Wettbewerbsvorteilen der asiatischen Hersteller zu liegen. Denn europäische Automobilproduzenten hatten mehr als ihre Konkurrenz in Asien mit steigenden Herstellungskosten und Zulieferproblemen zu kämpfen.

Und für einige Hersteller aus Deutschland geht es weiter bergab: Die beliebteste deutsche Automarke, Volkswagen, stand von Januar bis Juli 2023 nur noch für 2 Prozent der gesamten Pkw-Verkäufe in Tunesien. In der gleichen Periode des Vorjahres waren es noch 7 Prozent. 

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Einfuhrquoten um fast 20 Prozent gesenkt

Da es in Tunesien kaum eine eigene Kfz-Produktion gibt, werden Autos fast ausschließlich importiert. Seit 2012 dürfen keine Fahrzeuge mehr nach Tunesien eingeführt werden, die älter als fünf Jahre sind. Bei Neufahrzeugen gelten strenge Einfuhrquoten, die von der Regierung jährlich neu festgelegt werden. Im Juni 2023 hat das Handelsministerium die Quoten für das laufende Jahr gesenkt: von ursprünglich 55.000 Fahrzeugen auf 45.000. Als Grund wurde die schlechte Handelsbilanz angeführt.

Die tunesische Kammer der Automobilhändler hatte im April 2023 knapp 60.000 gefordert. Ibrahim Debache, Präsident der Kammer und Vorstandsvorsitzender des VW-Konzessionärs Ennakl, beklagt im Gespräch mit Germany Trade & Invest: "Das bringt uns Händler in Schwierigkeiten, denn die Verträge für das Jahr 2023 sind mit den Herstellern bereits geschlossen." Auch das Argument der schlechten Handelsbilanz stellt er in Frage, denn "Kfz-Importe machen lediglich 2 Prozent der tunesischen Gesamteinfuhren aus.

Aber nicht nur die Quoten sind ein Problem. Immer mehr Tunesier können sich schlicht kein Auto mehr leisten. Ibrahim Debache, der auch Vizepräsident der deutsch-tunesischen Industrie- und Handelskammer ist, kennt die Gründe. Entscheidend seien die Abwertung des Dinar und die hohe Abgabenlast im Land. Denn die Verbrauchsteuer auf Kfz in Tunesien gehört zu der höchsten weltweit. Hinzu kommen die global gestiegenen Herstellungskosten für Pkw.

Der Parallelmarkt floriert

Die hohe Besteuerung hat dazu geführt, dass es eine Reihe von privilegierten Gruppen gibt, für die günstigere Sätze gelten. Dies sind zum Beispiel Taxifahrer oder andere Anbieter im Personentransport. Eine andere wichtige Gruppe sind Tunesier mit Wohnsitz im Ausland, die endgültig nach Tunesien zurückkehren wollen. Sie haben das Recht einmalig einen Pkw einzuführen. Wenn sie planen, ihr Auto dann weiterzuverkaufen, müssen sie nur einen Teil der sonst üblichen Steuern zahlen. Ibrahim Debache schätzt, dass der Parallelmarkt bereits einen Umfang von bis zu 30 Prozent des offiziellen Marktes erreicht hat. Dies stellt die 36 offiziellen Autohändler im Land vor große Probleme. 

Langes Warten auf ein Volksauto

Eine andere Möglichkeit, an ein günstigeres Auto zu kommen, ist der Erwerb eines sogenannten Volksautos (voiture populaire). Dabei profitiert der Käufer von einigen Steuererleichterungen. Durch diese Vergünstigungen können Kleinwagen mit Basisausstattung für etwa 30.000 Tunesische Dinar (rund 9.000 Euro) angeboten werden. Auf dem freien Markt zahlt man hierfür teilweise das Doppelte. Berechtigt sind tunesische Staatsangehörige mit Einkommen, die bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten und die seit sieben Jahr kein Volksauto gekauft haben.

Allerdings gibt es derzeit nur acht Pkw-Modelle, die als Volksauto angeboten werden und auch der bürokratische Aufwand ist groß. Im Jahr 2022 durften zwölf zugelassene Händler zusätzlich zu den Gesamtquoten je 1.000 Volksautos verkaufen. Dennoch konnten nicht alle Konzessionäre die Quoten ausschöpfen. Das liegt vor allem an dem knappen Angebot, denn für Kfz-Hersteller ist diese Nische kaum interessant. Das alles wirkt sich laut Debache auf die Käufer aus: "Unsere Kunden müssen bis zu 10 Jahre warten, bis sie ein voiture populaire erhalten."

Die Verkäufe der Volksautos gingen im Jahr 2022 um über ein Fünftel zurück. Von Januar bis Mai 2023 wurden 2.800 für den Straßenverkehr zugelassen. Im Jahr 2023 dürfen laut Debache offiziell 8.000 neue Volksautos verkauft werden.

Elektrofahrzeuge spielen kaum eine Rolle

Auch in Tunesien wird die Klimaneutralität im Verkehrssektor wichtiger. So hat die Regierung im Januar 2022 Vergünstigungen für den Verkauf von Elektrofahrzeugen beschlossen. Elektrofahrzeuge sind von Einfuhrzöllen befreit, Autos mit Hybridantrieb profitieren von einer um 50 Prozent ermäßigten Verbrauchsteuer. Die fehlende Ladeinfrastruktur und die hohen Preise behindern allerdings die Entwicklung des Segments. 

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