Special | Tunesien | Start-ups
Kreative Gründer prägen das tunesische Ökosystem
Tunesische Gründer haben einige prominente Start-ups ins Leben gerufen, wie InstaDeep oder Expensya. Um zu wachsen, verlagern die Firmen aber ihren Sitz häufig ins Ausland.
06.06.2025
Von Verena Matschoß | Tunis
Die Hannover Messe stand 2025 unter dem Schwerpunkt der künstlichen Intelligenz. Rund 4.000 Aussteller präsentierten ihre Lösungen für die digitale Modernisierung der Industrie. Mit dabei: 10 tunesische Start-ups mit ihren Ideen auf den Gebieten der künstlichen Intelligenz, Automatisierung, Robotik und Cybersicherheit.
Der Erfolg des tunesischen Ökosystems ruht vor allem auf den Schultern von den kreativen Gründern im Land, vielfach aus dem Bereich der Ingenieurwissenschaften. Nach Zahlen der UNESCO erhielten im Jahr 2022 rund 38 Prozent der Absolventen ihren höheren Bildungsabschluss in MINT-Fächern. Damit steht Tunesien weltweit auf Rang 2 und wird nur von Malaysia überholt, das eine Quote von 44 Prozent aufweist.
Success stories "made in Tunisia"
Internationale Erfolgsgeschichten, die ihren Anfang in Tunesien nahmen, sind zum Beispiel InstaDeep oder Expensya. Der Geschäftsführer von InstaDeep, Karim Beguir, gründete sein Unternehmen für künstliche Intelligenz 2014 in Tataouine, im Süden Tunesiens. Im Jahr 2023 kaufte der deutsche Biotechnologiekonzern Biontech das Start-up für 682 Millionen US-Dollar. Im Jahr 2015 hatte Beguir den Hauptsitz von InstaDeep bereits nach London verlagert. Auch Expensya, Anbieter von Lösungen für Kostenverwaltung, hat seinen Hauptsitz nicht mehr in Tunesien, sondern in Paris. Im Jahr 2023 wurde Expensya von der schwedischen Firma Medius aufgekauft.
Hier zeigt sich eine wesentliche Herausforderung des Standorts. Für Jungunternehmen ist es schwierig, größere Investoren in Tunesien zu finden. Erstens ist dafür der lokale Markt zu klein und zweitens ist das Devisenrecht sehr restriktiv. Die jungen Unternehmen erschließen sich mit einem Firmensitz im Ausland aber auch neue Märkte. Am Ende wird es auch leichter, Käufer für die Unternehmen zu finden.
Über 1.000 Start-ups mit Label
Das Gründungsgeschehen bleibt dynamisch. Es gibt zwar keine Statistik zu der genauen Anzahl von tunesischen Start-ups. Die Zahl der Start-ups mit entsprechendem Label erreichte Mitte Mai 2025 allerdings 1.165. Über die Vergabe entscheidet ein Kollegium. Ein solches staatliches Label können neu gegründete Unternehmen erhalten, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Im Jahr 2024 bewarben sich 437 Start-ups um das Label, 146 haben es erhalten. Zu den Vorteilen zählen unter anderem Steuerbefreiungen und das Recht, ein Devisenkonto zu unterhalten. Mit dem Finanzgesetz für das Jahr 2025 wurden Steuererleichterungen für Crowdfunding eingeführt, wovon die Start-up-Szene profitieren könnte.
Im Rahmen des Startup-Acts aus dem Jahre 2018 hat die tunesische Regierung ein Label für Start-ups eingeführt. Neu gegründete Unternehmen können sich darauf bewerben, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:
Alter: Unternehmen ist 8 Jahre oder jünger
Größe: unter 100 Mitarbeiter und Bilanzsumme oder Jahresumsatz unter 15 Millionen Dinar
Unabhängigkeit des Kapitals: zwei Drittel müssen von Einzelpersonen, regulierten Investment-Organisationen oder ausländischen Start-ups gehalten werden
Innovation: Das Business Model muss innovativ sein
Skalierbarkeit des Produkts
Das Start-up muss jährlich nachweisen, dass es die Kriterien für das Label noch erfüllt. Nach acht Jahren läuft das Label aus.
In Tunesien sind die meisten Start-ups im Bereich Unternehmenssoftware und Dienstleistungen zu finden, darauf folgen Neugründungen im Handel und bei Lehrtechnologien (EdTech). Das mit Abstand wichtigste regionale Zentrum für Neugründungen ist der Großraum Tunis, gefolgt von Sousse und Sfax. In Tunesien finden immer wieder Veranstaltungen mit einem Schwerpunkt auf dem Start-up-Ökosystem statt, vielfach in den Start-up-Hubs in Tunis wie The Dot, Startup Village oder im Westerwelle Startup Haus.
Neben zahlreichen kleineren Veranstaltungen für Start-ups gibt es in Tunesien unter anderem folgende größere Events:
- Riyeda: Festival für das Unternehmertum in Tunis; fand im Januar 2025 zum zwölften Mal statt
- Bigtech Africa: Tech, IA & Startup Show; 2. Auflage im September 2025
- Tunisia Digital Summit: Konferenz zu Digitalisierungsthemen; fand im April 2025 zum neunten Mal statt
Tunesien war eines der ersten Länder in Afrika, das einen speziellen Rechtsrahmen für Start-ups eingeführt hat. Der sogenannte Start-up-Act umfasst insgesamt 20 Maßnahmen, die neben dem Label weitere Vorteile für neu gegründete Unternehmen bereithalten. Das Gesetz soll die Gründung und Entwicklung von Start-ups in Tunesien erleichtern.
Name | Kapitalbeschaffung in Mio. US-Dollar | Branche |
---|---|---|
Expensya | 32,3 | Software |
Enda Tamweel | 28,7 | Fintech |
GoMyCode | 9,7 | Edtech |
Konnect | 3,1 | Fintech (Zahlungsdienstleistungen) |
Med.tn | 0,7 | Healthcare |
ilboursa | 0,4 | Content Marketing |
Drest | 0,3 | Healthtech |
Große Herausforderungen für Jungunternehmen
Trotz dieser neuen Rahmenbedingungen bleibt das Umfeld für junge Unternehmen in Tunesien schwierig. Sie kämpfen mit langsamen Verwaltungsprozessen, einem Mangel an Finanzmitteln und wenig gezielter Unterstützung. Business Angels, Risikokapitalfonds oder Accelerators sind in Tunesien noch nicht stark etabliert.
Name | Fokus | Anmerkungen |
---|---|---|
Biatlabs | Übergreifend | Inkubator der BIAT-Bank |
CEED Tunis | Übergreifend | Know-how-Transfer für Jungunternehmer, Begleitung auf aufstrebenden Märkten. |
MediaNet | Technologie | |
CoStarT | IT-Digital | Technologie-Inkubator im Technopole Sfax. |
icube | Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, Smart Environment, Agritech, E-Health | |
Smart 216 | E-Health, Fintech, IT | Begleitung von Projektträgern |
Minassa | Kultur und Kreatives | |
Wiki Start Up | Übergreifend | 2011 gegründet, erster private Inkubator in Tunesien |
Tunesien ist attraktiver Standort für IT-Outsourcing
Für deutsche und europäische Unternehmen könnten tunesische Start-ups unter anderem beim IT-Outsourcing eine wichtige Rolle spielen. Die Initiative Tech216, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wird, hat dies im Blick und will deutschen und europäischen Unternehmen bei ihren Outsourcing-Bestrebungen zur Seite stehen. Die Initiative bietet vor allem Unterstützung bei der Entwicklung von digitalen Outsourcing- oder Nearshoring-Projekten in Tunesien an und hilft beispielsweise bei der Suche nach geeigneten Technologieanbietern.
Im Rahmen des Markterschließungsprogramms findet Ende September 2025 eine Geschäftsanbahnungsreise zum Thema "Digitaler Wandel in Tunesien" statt, die deutschen Firmen Kooperationsmöglichkeiten in der Digitalwirtschaft zeigen möchte. Unternehmen, die bereits vor Ort beispielsweise mit einer Produktion aktiv sind, schätzen die IT-Kompetenzen am Standort und verlagern teilweise ihre IT-Service-Center nach Tunesien. Die Deutsch-Tunesische Auslandshandelskammer (AHK Tunesien) berät deutsche Unternehmen zu Outsourcing- und Nearshoring-Möglichkeiten in Tunesien und begleitet sie bei ihren Geschäftsvorhaben vor Ort.