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Ukrainischer Automarkt wieder im Aufwärtsgang

Nach starkem Wachstum 2023 werden sich die Verkaufszahlen 2024 auf ähnlichem Niveau stabilisieren. Der kriegsbedingte Nachfrage- und Absatzschock von 2022 ist damit überwunden. 

Von Waldemar Lichter | Bonn

Der ukrainische Automarkt bleibt 2024 auf Wachstumskurs. Im 1. Quartal legten die Verkaufszahlen um 49 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum auf 16.600 zu, meldet die ukrainische Branchenvereinigung UkrAvtoProm. Bereits im Jahr 2023 zogen die Verkäufe neuer Pkw überdurchschnittlich stark an. Der Absatz legte um über 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Der ukrainische Markt gehörte damit zu den am stärksten wachsenden in Europa, so Analysten der Kyjiwer Agentur AUTO-Consulting.

Das hohe Wachstum wird allerdings durch das niedrige Ausgangsniveau des Vorjahres relativiert. Der Markt holt nur das wieder auf, was er durch den Kriegsausbruch verloren hatte. Anfang 2024 habe der Markt das gleiche Niveau gehabt wie 2017, so die UkrAvtoProm-Fachleute. Mit einer Rückkehr zu einem stabilen und starken Wachstum kann erst nach dem Ende des Krieges gerechnet werden. Branchenexperten erwarten dennoch, dass sich der Neuwagenmarkt bereits 2024 auf dem Niveau von 65.000 Autos stabilisieren werde. 

Starker Anstieg ausgehend von schwacher Basis

Rund 61.000 neue Pkw im Wert von 2,6 Milliarden Euro wechselten 2023 den Besitzer. Zwei Drittel davon gingen an Privatkunden (plus 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr; Wert: 1,7 Milliarden Euro), ein Drittel an Firmen, öffentliche Einrichtungen und andere (plus 71 Prozent). Marktführer war laut einer Analyse des Instituts für Forschung des Automarktes 2023 Toyota mit einem Anteil von 14,6 Prozent, gefolgt von Volkswagen (9,4 Prozent), Renault (8,3 Prozent), Skoda (7,2 Prozent), BMW (6,6 Prozent), Hyundai (5,0 Prozent) und Mercedes Benz (4,3 Prozent).

Die Zahlen können sich sehen lassen, wenn man bedenkt, dass der russische Angriffskrieg den ukrainischen Automarkt um Jahrzehnte zurückgeworfen hatte. Die Verkäufe gingen 2022 um 63 Prozent auf nur noch 37.900 Fahrzeuge zurück - der niedrigste Wert seit mehr als zwanzig Jahren, berechnete die Branchenvereinigung UkrAvtoProm

Gebrauchtwagen sind weiterhin stark nachgefragt

Hinzu kommt eine große Zahl von Gebrauchtwagen aus dem Ausland, die die Ukraine überschwemmen. Die Einfuhren sinken zwar, bleiben aber hoch. Für 2023 werden diese auf 214.400 Stück geschätzt. Das Durchschnittalter der Fahrzeuge betrug zehn Jahre.

Angetrieben wurden die Käufe von gebrauchten Kfz aus dem Ausland durch eine zeitlich befristete Befreiung dieser Importe von der Zahlung der Mehrwertsteuer und Einfuhrzölle. Damit wollte die Regierung der Bevölkerung die Möglichkeit geben, den durch den Krieg und ausgebliebene Ersatzkäufe dezimierten Pkw-Bestand wieder aufzufüllen. Für einige Bevölkerungsgruppen (zum Beispiel Kriegsgeschädigte oder Veteranen) dürfte diese Vergünstigung auch künftig bleiben. Nach Schätzungen der Kyiv School of Economics (KSE) wurden in der Ukraine infolge des Krieges rund 212.000 Pkw zerstört oder beschädigt. Hinzu kommen rund 12.000 zerstörte Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs.

E-Mobile überraschen mit hohen Verkaufszahlen

Beim Markt für Elektroautos rechnen Branchenkenner mit einem weiteren kräftigen Wachstum. Darauf deuten die hohen Verkaufszahlen in den ersten Monaten 2024 hin. Im Jahr 2023 wurden rund 37.600 elektrisch angetriebene Fahrzeuge in der Ukraine verkauft, berechnet UkrAvtoProm. Das waren fast dreimal so viel wie im Jahr davor. Bemerkenswert ist der Anstieg des Anteils von Elektroautos am gesamten Autoabsatz von 17 Prozent 2022 auf 20 Prozent 2023, erklären Branchenexperten. Das beliebteste Modell war der VW ID.4 (2.655 Stück), gefolgt von Dong Feng/Honda M-NV (559), VW ID.6 (491), Honda eNS1 (327) und BYD Song (189). Nach Einschätzung von Marktbeobachtern stammte der größte Teil der auf dem Markt verkauften VW-Elektroautos dabei aus chinesischer Fertigung.

Nachfrage nach Nutzfahrzeugen zieht an

Der Wachstumstrend hält auch beim Lkw-Absatz an. Im 1. Quartal 2024 wurden 2.900 Nutz- und Spezialfahrzeuge verkauft - 28 Prozent mehr als im gleichen Vorjahrszeitraum, meldet UkrAvtoProm. Der Markt legte bereits 2023 kräftig zu. Der Absatz von Lkw (über 3,5 Tonnen) stieg um 56,5 Prozent auf 4.853 Einheiten. Der Absatz übertraf damit den Vorkriegswert von 2021 (4.794 verkaufte Lkw), so AUTO-Consulting. Ähnlich hohe Zuwächse wurden auf dem Markt für kleinere Nutzfahrzeuge festgestellt.

Den Markt dominierten zwar europäische Marken. Doch andere Hersteller, wie etwa Ford, Dayun, Isuzu und insbesondere die chinesische Marke JAC, gewannen an Gewicht, so die AUTO-Consulting-Experten. Das sei unter anderem auf verstärkte Beschaffungen von Versorgungs- und Energieunternehmen und deren Bedarf nach besonders ausgerüsteten Spezialfahrzeugen zurückzuführen.

Erhöhter Bedarf an Fahrzeugen für den Gütertransport

Die Nachfrage nach Lkw wird durch den Bedarf der ukrainischen Exportunternehmen angetrieben. Wichtige Ausfuhrgüter, vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Getreide, können wegen der Zerstörungen und russischen Angriffen auf Hafenanlagen nur im begrenzten Maße per Schiff an die Kunden im Ausland gehen. Spediteure ziehen daher den Transport per Lkw oder Bahn vor. Benötigt werden deshalb Fahrzeuge, die für den Transport von Getreide oder anderer Gütern geeignet sind. Die Nachfrage danach steigt.

Stark wachsen wird 2024 auch der Absatz von Bussen (einschließlich Kleinbussen). Das ist zum Teil auf staatliche Beschaffungsprogramme, etwa für Schulbusse, zurückzuführen. Nach Angaben von UkrAvtoProm wurden 2023 insgesamt 2.770 Einheiten, davon 1.069 neue Fahrzeuge zugelassen. Das entspricht einem Plus von 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gefragt waren Busse aus ukrainischer Fertigung der Marken Ataman (Buswerk Cherkassy; 520) und Etalon (Boryspil, Chernihiv; 337) sowie Citroën-Modelle (412). Einen größeren Beschaffungsauftrag platzierte 2024 das kommunale Kyjiwer Unternehmen Kyiwpastrans in der Türkei (Anadolu Isuzu Otomotiv Sanayii Ve Ticaret A.Ş.). Der Kauf der Busse wurde aus einem Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanziert.

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