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Wirtschaftsumfeld | Ungarn | EU-Förderung

Ungarn droht Kürzung von EU-Geldern

Wegen Rechtsstaatverstößen und Korruption in Ungarn will die Europäische Kommission die Zahlung von Fördergeldern aus dem Gemeinschaftshaushalt um 7,5 Milliarden Euro kürzen.

Von Waldemar Lichter | Budapest

Die von der Europäischen Kommission am 18. September 2022 vorgeschlagenen Sanktionen gegen Ungarn sehen vor, 65 Prozent der operationellen Programme der Europäischen Union (EU) für Umweltschutz, Verkehr und regionale Entwicklung auszusetzen. Es handelt sich damit um etwa 7,5 Milliarden Euro. Nach Angaben von EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn würde das rund einem Drittel der Fördermittel aus den EU-Strukturfonds entsprechen, die Ungarn in der EU-Haushaltsperiode 2021 bis 2027 planmäßig zustünden.

Weiterführende Informationen zur EU-Förderung in Ungarn finden Sie in unserem Themen-Special.

Zustimmung des EU-Ministerrats notwendig

Diese Sanktionen können aber erst in Kraft treten, wenn die qualifizierte Mehrheit der EU-Mitglieder zustimmt. Das wäre gegeben, wenn sich mindestens 15 Länder mit zusammen mehr als 65 Prozent der EU-Bevölkerung dafür aussprechen. Dem Vorschlag muss der EU-Ministerrat innerhalb eines Monats, in Ausnahmefällen spätestens in drei Monaten, also bis Ende 2022, zustimmen.

Im Vorfeld der jetzigen Kommissionsentscheidung über die Mittelkürzung hatte sich die ungarische Regierung bemüht, Entgegenkommen zu zeigen und Brüssel einige Vorschläge zur Verbesserung der beanstandeten Sachverhalte unterbreitet. Dazu gehören unter anderem die Veränderung der Gesetze zum Beschaffungsrecht sowie die Schaffung einer besonderen Antikorruptionsbehörde, deren Mitglieder allerdings von der Regierung ernannt werden sollten.

Die gemachten Zusagen wurden zwar gewürdigt. Ungarn habe sich tatsächlich bewegt, heißt es. "Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen grundsätzlich die vorliegenden Probleme lösen könnten - wenn sie in den einschlägigen Gesetzen und Vorschriften im Einzelnen ordnungsgemäß festgelegt und entsprechend umgesetzt werden", so die Pressemitteilung der Europäischen Kommission. Doch bis die wichtigsten Umsetzungsschritte durchgeführt seien, bestehe ein Risiko für den Unionshaushalt fort. Ungarn habe sich verpflichtet, die Europäische Kommission bis zum 19. November 2022 umfassend über die Erfüllung der wichtigsten Umsetzungsschritte zu unterrichten, heißt es weiter.

Regierung will mit Reformen reagieren

Als Reaktion auf die angedrohte Mittelstreichung kündigte der für die Verhandlungen mit der EU zuständige ungarische Minister für Regionalentwicklung, Tibor Navracsics, am selben Tag an, dass Ungarns Regierung mit der Europäischen Kommission kooperieren und dem ungarischen Parlament in Kürze das erste Paket von relevanten Gesetzesänderungen zur Abstimmung vorlegen werde.

Darin wird es darum gehen, das öffentliche Beschaffungswesen transparenter zu gestalten, die Kontrolle und Überwachung der Beschaffungsverfahren zu verbessern und rechtskonforme Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu verabschieden. Ein weiteres geplantes Gesetz wird die Einrichtung einer Prüf- und Überwachungsbehörde für das öffentliche Beschaffungswesen vorsehen.

Navracsics gibt sich sicher, dass angesichts dessen die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission fortgesetzt werden können. Es gäbe sogar eine gute Chance, den ursprünglichen Zeitplan einhalten zu können und bis Ende 2022 die Vereinbarung mit der Europäischen Kommission zu unterzeichnen, die die Verwendung von EU-Mitteln sicherstellt, so der Minister.

Kürzungen würden Konjunktur bremsen

Sollten die EU-Gelder jedoch wie von der Kommission angedroht gestrichen werden oder deren Auszahlung ausgesetzt bleiben, dann wäre das für Ungarn ein harter Schlag. Der Ukrainekrieg und die erwartete Rezession in der EU drohen auch die ungarische Wirtschaft in eine Krise zu stürzen. Die Energiekrise und die hohe Inflation bremsen die bisher robuste ungarische Konjunktur zusätzlich aus.

Hinzu kommen die Bemühungen um die Konsolidierung des Staatshaushalts. Diese sind notwendig geworden, um die durch die Coronakrise und die hohen Ausgaben im Vorfeld der Parlamentswahlen im April 2022 in Schieflage geratenen öffentlichen Finanzen wieder ins Lot zu bringen. Infolgedessen werden Ausgaben gekürzt und bereits geplante staatliche Investitionen verschoben. Beides könnte durch die EU-Gelder vermieden oder zumindest abgemildert werden.

So sind bis September 2022 insgesamt 270 staatliche Investitionsprojekte im Gesamtvolumen von umgerechnet 5,2 Milliarden Euro ausgesetzt oder vertagt worden, so Nándor Csepreghy, Staatssekretär im Bau- und Investitionsministerium. Als wichtigste Gründe dafür nannte er die hohen Energiepreise und steigende Zinsen. Das habe zur Verteuerung der Vorhaben geführt. Die ausgesetzten Projekte sollen dann 2025/2026 neu geplant und gestartet werden. Bereits laufende Projekte sollen dagegen nicht gestoppt werden. Es müsse aber mit einem Kostenanstieg von 15 bis 20 Prozent gerechnet werden, was die Mobilisierung von zusätzlich über 1,8 Milliarden Euro erforderlich machen werde, so Csepreghy.

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