Wirtschaftsausblick | Griechenland
Investitionen treiben Griechenlands Wandel zum Innovationshub
EU-Fördermittel stimulieren Investitionen. Während die Wirtschaft weiter wächst, bleibt Deutschland wichtigster Handelspartner und Impulsgeber für den Außenhandel.
15.12.2025
Von Michaela Balis | Athen
Top Thema: Strategischer Hub für Innovationen
Bis 2028 entsteht mit "Pharos" in Athen eine von 13 KI-Fabriken europaweit. Diese Einrichtungen sollen kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu digitalen Lösungen und Forschung erleichtern. Gemeinsam mit dem Supercomputer Daedalus trägt die griechische KI-Schmiede dazu bei, den digitalen Wandel von Unternehmen zu beschleunigen. Daedalus wird von Hewlett Packard Enterprise in Zusammenarbeit mit dem griechischen Ministerium für digitale Verwaltung entwickelt.
Griechenland wandelt sich zu einem attraktiven Standort für Technologie- und Innovationszentren. Die Deutsche Telekom hat in Thessaloniki das IT- und Software-Entwicklungszentrum T-Digital Greece eröffnet. Der Pharmakonzern Pfizer betreibt dort sein Global Center for Digital Innovation, während die US-amerikanische Telekommunikationsgesellschaft Cisco das Digital Transformation & Innovation Center gründete. Auch Coca-Cola investiert in den Aufbau eines Forschungs- und Entwicklungszentrums in Athen. Und Microsoft stärkt die digitale Infrastruktur des Landes mit dem Bau von drei neuen Datenzentren in der Hauptstadt. Diese Investitionen unterstreichen die strategische Bedeutung Griechenlands für digitale Transformation und Innovation in Südosteuropa.
Wirtschaftsentwicklung: Fördermittel treiben Wirtschaft weiter an
Die Europäische Kommission erwartet für 2026 ein Wachstum von 2,2 Prozent – ähnlich stark wie im Vorjahr. Das geht aus der Herbstprognose hervor. Im Jahr 2027, nach Auslaufen des EU-Aufbaufonds, dürfte sich die Dynamik etwas verlangsamen. Viele Griechen sehen die Zukunft dennoch deutlich pessimistischer. Laut einer Umfrage des Instituts für Wirtschafts- und Industrieforschung (IOBE) vom Oktober 2025 rechnen sie mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Hauptgrund ist die Angst vor weiter steigenden Preisen. Griechenland bleibt zudem beim BIP pro Kopf, gemessen in Kaufkraft, eines der Schlusslichter in der EU.
Beim privaten Konsum zeigt sich ein moderates Plus gegenüber dem Vorjahr. Um die Kaufkraft zu stützen, plant die Regierung, den Mindestlohn auch 2026 erneut anzuheben. Gleichzeitig soll die Inflation mit 2,3 Prozent etwas geringer ausfallen als 2025, bleibt aber über dem EU-Durchschnitt von 1,9 Prozent.
Umstrukturierung der Projekte des EU-Aufbaufonds erforderlich
Griechenland stehen bis Ende August 2026 insgesamt 36 Milliarden Euro aus dem EU-Aufbaufonds zur Verfügung. Bis Oktober 2025 hat das Land rund 21,3 Milliarden Euro aus diesem Fonds erhalten, was knapp 60 Prozent der gesamten vorgesehenen Mittel entspricht. Bis Ende August müssen die Projekte des EU-Aufbaufonds realisiert und die Reformen umgesetzt sein. Da sich mehrere Projekte als nicht umsetzbar erwiesen haben, schichtet das griechische Finanz- und Wirtschaftsministerium rund 900 Millionen Euro in neue Vorhaben um. Zudem wurde ein höherer Gesamtbetrag eingeplant. So soll sichergestellt werden, dass trotz möglicher Projektstreichungen die ursprünglich vorgesehene Summe aus dem EU-Aufbaufonds abgerufen werden kann. Gleichzeitig überprüft das Ministerium die bisherigen Reformen, da sich einige Vorgaben als schwer realisierbar gezeigt haben. Ziel ist es, die Anforderungen zu vereinfachen und so anzupassen, dass sie bis zum Auslaufen des EU-Aufbaufonds im August 2026 umsetzbar sind.
Deutschland wichtigster Handelspartner
In den ersten neun Monaten des Jahres 2025 ist Deutschland Griechenlands wichtigster Handelspartner. Italien rangiert mit geringem Abstand auf Platz 2, gefolgt von China. Die Importe aus Deutschland stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,4 Prozent. Mit einem Anteil von 11,7 Prozent an den gesamten griechischen Einfuhren bleibt Deutschland weiterhin wichtigster Lieferant. Besonders gefragt sind deutsche Produkte aus dem Fahrzeugbau sowie aus der medizinischen, pharmazeutischen und chemischen Industrie.
In der Rangliste der wichtigsten Abnehmer griechischer Produkte ist Italien der Spitzenreiter. Es folgen Deutschland und Zypern. Die griechischen Lieferungen nach Deutschland stiegen im Jahr 2024 um 6,7 Prozent.
Deutsche Kfz-Exporte erholen sich rasch
Nach Angaben von Eurostat stiegen die griechischen Kfz‑Importe in den ersten neun Monaten 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 9 Prozent. Damit wurde der Rückgang von rund 3 Prozent im 1. Quartal deutlich überkompensiert. Im gleichen Zeitraum verzeichneten die Kfz-Importe aus Deutschland ein Plus von 10,5 Prozent, ebenso die aus Frankreich. Auch die Einfuhren aus der Türkei, Belgien und Ungarn entwickelten sich dynamisch. Deutschland bleibt mit rund 28 Prozent Marktanteil wichtigster Lieferant, gefolgt von Frankreich und der Türkei.
Deutsche Perspektive: Positives Wirtschaftsklima kurbelt Investitionen an
Die Bewertung der Kreditwürdigkeit Griechenlands durch Ratingagenturen gilt seit der Euro-Schuldenkrise als wichtiger Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Hochstufung der griechischen Bonität durch die Agentur Fitch im November 2025 von BBB- auf BBB unterstreicht die Reformfortschritte: politische und wirtschaftliche Stabilität, gute Wachstumsaussichten und ein investorenfreundliches Umfeld dank Bürokratieabbau, digitaler Dienste und moderner Infrastruktur.
Dass deutsche Unternehmen Vertrauen in den Standort haben, zeigt Boehringer Ingelheim Hellas: Das Unternehmen investiert bis 2027 rund 120 Millionen Euro in eine neue Produktionsstätte in Attika. Nach Angaben von Präsident und Geschäftsführer, Dimitris Anagnostakis, sind Investitionen in der Pharmaindustrie aus Sicht des Unternehmens ein zentraler Faktor für den Ausbau von Forschung und Innovation, insbesondere im Hinblick auf die Unabhängigkeit Europas in dieser Branche.
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