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Branchen | USA | Medizintechnik

Medizintechnikhersteller reagieren auf den wachsenden ASC-Markt

Der Trend zu ambulanten Chirurgiezentren (ASC) in den USA dürfte weiter anhalten. Medizintechnikanbieter stellen sich zunehmend auf die speziellen Bedarfe der neuen Kunden ein.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Der orthopädische Chirurg Brian Gruber hat Ende 2021 ein ambulantes Operationszentrum (Ambulatory Surgical Center; ASC) in Phoenix, Arizona, eröffnet. Im Gegenzug für die Zusage, fünf Jahre lang Chirurgieroboter, Ultraschall-, Röntgen- und andere medizinische Geräte vom US-Hersteller Stryker zu beziehen, bietet dieser dem ASC maßgeschneiderte Finanzierungslösungen an.

Gruber ist kein Einzelfall. Wie er haben in den vergangenen zehn bis 15 Jahren zahlreiche Ärzte eigene ASC gegründet. Viele schließen sich dafür auch zusammen und versuchen, für ihr Vorhaben private Beteiligungsgesellschaften zu gewinnen. Andere streben Joint Ventures mit größeren Krankenhausgruppen wie Tenet an, die Milliardensummen in den Ausbau eigener Zentren für ambulante Chirurgie investiert haben.

Laut der Lobbyorganisation ASC Association gibt es landesweit bereits gut 6.000 solcher Einrichtungen – gegenüber rund 5.000 im Jahr 2010. Noch vor zehn bis 15 Jahren wurden chirurgische Eingriffe in den USA überwiegend in Krankenhäusern durchgeführt. Im Jahr 2022 führten ASC dagegen bereits rund 30 Millionen Operationen in verschiedenen Fachbereichen durch. Das größte Segment bildet die orthopädische Chirurgie. Rund 21 Prozent der orthopädischen Eingriffe in den USA werden inzwischen in ASC durchgeführt, schätzt die Johnson & Johnson-Tochtergesellschaft DePuy Synthes. Vor allem solche haben sich in den letzten Jahren von Krankenhäusern in ambulante Zentren verlagert. Die Coronapandemie hat diesen Trend befördert.

Versicherungen, Ärzte und Patienten treiben das Wachstum der ASC voran

Medicare, das staatliche Krankenversicherungsprogramm für US-Bürger im Rentenalter, flankierte diese Entwicklung, indem es immer mehr Eingriffe in ASC vergütete: So nahm Medicare 2020 Knie- und ein Jahr später Hüft-Totalendoprothesen in die ASC-Liste der erstattungsfähigen Leistungen auf. Auch Herzkathetereingriffe und verschiedene neurochirurgische Verfahren in ASC werden inzwischen vergütet. Da die Zuzahlungen in dem Fall um 30 bis 60 Prozent niedriger ausfallen können als bei Krankenhausbehandlungen, spart Medicare dadurch jährlich Beträge in Milliardenhöhe.

Auch private Krankenversicherungen fördern die Verlagerung von Eingriffen in Hospitälern hin zu ASC. Ihre Zuzahlungen fallen bei ASC-Behandlungen im Schnitt nur etwa halb so hoch aus wie bei einer Krankenhausambulanz. Private Kostenträger haben in den letzten Jahren bereits ASC-Netzwerke übernommen, zum Beispiel United Health den Anbieter von ambulanten Chirurgiediensten Surgical Care Affiliates.

Abgesehen von weiteren Vorteilen wie geringeren Wartezeiten rechnet sich der Trend hin zu ASC auch für die Patienten finanziell: Nach einer 2019 im Journal of Spine Surgery veröffentlichten Studie summierten sich die Patientenkosten für eine Kataraktoperation damals im Schnitt auf 490 US-Dollar (US$) bei einer Krankenhausbehandlung gegenüber 193 US$ in einem ASC; eine Endoskopie kostete im Krankenhaus 139 US$, in einem ASC 68 US$. Die trotz gleicher oder ähnlicher Verfahren gewaltigen Unterschiede resultieren aus den deutlich niedrigeren Gemeinkosten der ASC.

ASC-Anteil könnte sich bei Gelenkersatz-OPs in nächsten fünf Jahren verdoppeln

Gerätehersteller erwarten, dass sich der Trend hin zu ASC fortsetzt, allen voran bei orthopädischen Eingriffen. Stryker zum Beispiel geht davon aus, dass sich der ASC-Anteil bei Gelenkersatzoperationen in den kommenden fünf Jahren von 10 auf 20 Prozent verdoppeln wird. Laut Johnson & Johnson wird der US-amerikanische ASC-Markt insgesamt in dieser Zeit jährlich „nur“ um 6 Prozent wachsen, das orthopädische Segment aber um 10 Prozent. Einen ähnlich hohen Zuwachs des ASC-Gesamtmarkts erwartet auch Grand View Research; das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen rechnet aber mit einem relativ ausgeglichenen Wachstum zwischen den einzelnen Fachgebieten.

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Und die Zahl der Fachgebiete steigt, denn im Zuge des technischen Fortschritts bieten ASC mittlerweile viele Eingriffe auch ambulant an. Dazu zählen Wirbelsäulen- und andere minimalinvasive Operationen, vorwiegend am Knie und an der Hüfte, aber auch kardiologische Eingriffe. Dabei kommen IT-Plattformen und Robotersysteme mit Benutzeroberflächen zum Einsatz, die speziell für ambulante Operationszentren entwickelt wurden und bei denen keine präoperative Computertomografie erforderlich ist. 

Medizintechnikhersteller entwickeln neue Geschäftsmodelle für ASC-Kunden

Für Medizingerätehersteller bleibt dieser Trend nicht ohne Konsequenzen. Neben eigens für sie entwickelten Apparaturen brauchen ASC auch spezielle Finanzierungslösungen. US-Krankenhäuser kaufen oft über große zentrale Einkaufsgruppen Geräte in größeren Mengen zu vergünstigten Preisen ein. Ärztliche Eigentümer ambulanter Zentren haben diese Möglichkeit nicht. Sie sind auf passende Finanzierungsmodelle angewiesen und fragen teure Geräte auch viel häufiger zur Miete nach.

„Partnerschaften mit Geräteanbietern sind der Schlüssel“, sagt Brandon Hollis von AmSurg aus Nashville, Tennessee, das US-weit mehr als 250 ASC betreibt. So wie der eingangs erwähnte Chirurg Brian Gruber das Unternehmen Stryker als Partner gewählt hat, geht auch der Hersteller Zimmer Biomet immer mehr Leasing- und Mietverträge mit ASC ein, unter anderem bei Chirurgierobotern.

Da ASC als Kundengruppe immer wichtiger werden, bieten Medizintechnikanbieter ihnen zunehmend Finanzierungspläne an, insbesondere für teurere Geräte. Einige stellen sogar Teams für die Kooperation mit ASC zusammen. Hierzu zählt DePuy Synthes. Die Johnson & Johnson-Tochter bietet Ärzten und ASC-Verwaltern maßgeschneiderte Lösungen an, zum Beispiel Finanzierungsprogramme für Anlagenkäufe und Hilfe im Umgang mit Versicherungen, etwa bei Erstattungen.

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