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Interview I USA I Künstliche Intelligenz

Vorbild Silicon Valley: Wie deutsche Firmen KI-Projekte erfolgreich umsetzen können

Wie können deutsche Mittelständler im KI-Zeitalter Schritt halten. Experte Roland Scharrer erklärt im Interview, worauf es bei KI-Projekten ankommt.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Roland Scharrer ist aktuell Visiting Researcher an der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien) mit Schwerpunkt auf KI in regulierten Branchen. Zuvor war er Group Chief Data, AI & Emerging Technologies Officer bei AXA sowie Chief Data Scientist bei Capgemini. Mit interdisziplinärer Ausbildung (unter anderem JMU Würzburg, ESADE Barcelona, IMD Lausanne, HPI Berlin, MIT Boston, UC Berkeley) verbindet er Forschung, Strategie und Umsetzung. Zudem berät er internationale Unternehmen, Start-ups und Institutionen.

 

Du warst jetzt ein Jahr lang an der Stanford University tätig. Im Silicon Valley wird häufig von einem besonderen Mindset gesprochen. Gibt es Unterschiede zwischen den USA und Deutschland, gerade wenn es um den Umgang mit KI und Innovation geht?

Roland Scharrer, KI-Experte Roland Scharrer, KI-Experte | © Roland Scharrer

In meinem Jahr an der Stanford University habe ich die Unterschiede sehr deutlich erlebt. Deutsche Unternehmen, besonders der Mittelstand, setzen stark auf Planung, Gründlichkeit und konkrete Ergebnisse, bevor sie investieren. Das schafft Stabilität, verlangsamt jedoch oft Innovationszyklen. Im Silicon Valley ist es umgekehrt: Eine Idee darf anfangs kaum groß genug sein; und statt lange zu planen, wird ausprobiert, getestet und schnell angepasst. Dieses iterative Vorgehen – also wiederholtes Entwickeln, Feedback einholen und Verbessern – ist zentral für den Erfolg von KI und disruptiven Technologien, weil es schnelles Lernen ermöglicht und Risiken früh sichtbar macht. Herausfordernd wird es, wenn beide Welten in Geschäftsbeziehungen, Partnerschaften oder Joint Ventures aufeinandertreffen: Während die eine Seite Sicherheit und Klarheit erwartet, setzt die andere auf Geschwindigkeit und Mut zum Risiko. Erfolgreich ist man nur, wenn man Brücken baut und beide Ansätze sinnvoll verbindet.

 

Welche Kriterien sind aus deiner Sicht für KMU am wichtigsten, um früh zu erkennen, ob sich ein KI-Projekt lohnt?

Nicht jedes KI-Projekt ist sinnvoll – entscheidend ist, ob ein klarer „job to be done“ dahintersteht. Also: Welches konkrete Problem soll gelöst werden und welcher messbare Nutzen entsteht für das Geschäft oder die Kunden? KI lohnt sich nur, wenn sie einen echten Pain Point adressiert; etwa Kosten senkt, Umsatz steigert oder Fehler reduziert. Viele Projekte scheitern, weil zwar mit neuer Technologie experimentiert wird, aber weder Problem noch Datenbasis klar definiert sind. Gerade die Verfügbarkeit und Qualität von Daten ist entscheidend. Mit Generative AI eröffnen sich hier neue Möglichkeiten: Sie kann große Datenmengen verdichten, Texte oder Inhalte automatisch erzeugen und so zum Beispiel den Kundenservice oder Marketingprozesse deutlich effizienter machen. Der nächste Schritt ist Agentic AI: Systeme, die nicht nur Inhalte generieren, sondern eigenständig Handlungen planen, Entscheidungen treffen und Prozesse ausführen. Damit entwickelt sich KI vom unterstützenden Werkzeug hin zu einem aktiven Problemlöser – was die Chancen, aber auch die Anforderungen an eine präzise Definition des „job to be done“ noch einmal deutlich erhöht.

 

Was sollten KMU beachten, damit ein KI-Projekt schnell und erfolgreich umgesetzt werden kann? Wo siehst du in der Praxis die größten Stolpersteine – und wie lassen sich diese aus dem Weg räumen?

Für den Mittelstand ist entscheidend, KI-Projekte pragmatisch und praxisnah anzugehen. Statt große Programme aufzusetzen, empfiehlt es sich, klein zu starten und in kurzen Zyklen zu experimentieren – beispielsweise mit Methoden wie Design Sprints, die schnelle Ergebnisse ermöglichen. Wichtig ist, den Großteil der Ressourcen in klar eingrenzbare Projekte mit messbarem Nutzen zu stecken, etwa zur Effizienzsteigerung oder Fehlerreduktion. Zukunftsvisionen haben ihren Platz, sollten aber nur ergänzend verfolgt werden. Häufige Stolpersteine sind zu viele beteiligte Abteilungen oder die Behandlung von KI als reines IT-Thema. Erfolgreich wird der Mittelstand dann, wenn KI-Teams direkt in den Fachbereichen arbeiten, wo die Geschäftsprozesse liegen. Gleichzeitig braucht es den Aufbau zentraler Fähigkeiten: saubere und zugängliche Daten, klare Zuständigkeiten, qualifizierte Mitarbeitende sowie eine Kultur, die Experimente erlaubt. Mit diesen Grundlagen können auch mittelständische Unternehmen KI-Projekte schnell und nachhaltig umsetzen.

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