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Künstliche Intelligenz treibt US-Strombedarf nach oben
Die wie Pilze aus dem Boden schießenden Rechenzentren haben ein zunehmendes Energieproblem. Große IT-Konzerne setzen daher auf eigene Kraftwerke und Energieeffizienz.
19.11.2025
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Die großen IT-Unternehmen in den USA investieren massiv in künstliche Intelligenz (KI) und den Bau von Rechenzentren. So bauen allein OpenAI, Oracle und Softbank im Rahmen des Stargate-Projekts zwischen 2026 und 2028 fünf Hubs mit einer Rechenleistung von 7 Gigawatt. Dies entspricht der Kapazität von vier großen Gaskraftwerken.
Dabei stoßen die Erzeugungs- und Verteilungskapazitäten bereits jetzt an ihre Grenzen. Immer mehr lokale Stromanbieter können für neue Projekte keine ausreichende Versorgung mehr garantieren. In manchen Fällen werden Investoren auf die nächste Dekade vertröstet. In Salt Lake City (Utah) gibt es ein Moratorium für neue Datencenter. Santa Clara (Kalifornien) nimmt keine Anträge für Stromanschlüsse mehr an. Virginia musste Strom bereits 2024 teilweise rationieren.
Stromfresser Rechenzentren
Die Lage dürfte sich auf absehbare Sicht weiter verschärfen. Laut einer Studie des Electric Power Research Institute könnte der Strombedarf der Rechenzentren in den USA allein zwischen 2023 und 2030 um 80 Prozent steigen. Dabei handelt es sich um den Durchschnittswert aus vier Szenarien: Im Extremfall ist sogar ein Wachstum von 166 Prozent möglich. Der Anteil der Datenzentren am landesweiten Stromkonsum lag 2023 laut dem Analysehaus bei 4 Prozent. Bis 2030 könnte er auf rund 6,5 Prozent steigen, im extremsten Szenario sogar auf 9 Prozent.
Das US-Energieministerium kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demzufolge verbrauchten Rechenzentren 2023 rund 100 Terawattstunden, eine Verdreifachung gegenüber 2014. Das Wachstum soll sich in den nächsten Jahren infolge von KI nochmals erheblich beschleunigen. Bis 2028 sagt die Behörde im konservativen Szenario einen Anstieg auf knapp 250 Terawattstunden voraus. Im oberen Szenario erwartet sie sogar eine Zunahme auf fast 400 Terawattstunden. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 lag der gesamte Stromverbrauch der USA bei rund 4.145 Terawattstunden.
Megaprojekte treiben den Bedarf
Dabei handelt es sich wohlgemerkt um Prognosen aus dem Jahr 2024. Die Ankündigungen von Megaprojekten vieler IT-Konzerne wie Microsoft, Meta und Google lagen damals noch gar nicht vor. Allein das Anfang 2025 bekannt gegebene Stargate-Projekt soll rund 500 Milliarden US-Dollar (US$) verschlingen.
Laut McKinsey werden die USA bis 2030 rund 3 Billionen US$ in Rechenzentren investieren. Ökonomen schätzen, dass deren Bau bereits jetzt rund 50 Prozent zum Wirtschaftswachstum des Landes beiträgt. Auch in Kanada und Mexiko entstehen viele Rechenzentren. Hinzu kommt der Bau neuer grenzüberschreitender Glasfaserverbindungen. Angesichts des Booms warnen Analysten bereits von einer Blasenbildung.
Technologien gegen den Energiehunger gefragt
Mit dem Bau immer weiterer Rechenzentren steigt der Strombedarf massiv an. Kurzfristig können Innovationen in puncto Effizienz das drängende Energieproblem lindern. Datenzentren erzeugen große Wärmemengen. Daher entfallen rund 35 Prozent ihres Energiebedarfs auf die Kühlung.
Das bietet Chancen für ausländische und auch deutsche Unternehmen. US-Anbieter von energieeffizienten Systemen hinken technologisch oft hinterher. Es fehlen zudem entsprechende Fachkräfte. Darüber hinaus können auch Hard- und Software stärker aufs Energiesparen getrimmt werden – Beispiel: selbst kühlende Mikrochips.
Fast 50 GW an zusätzlichen Kapazitäten benötigt
Doch letztendlich müssen die Stromerzeugungs- und Verteilungskapazitäten ausgebaut werden. Laut Goldman Sachs benötigt der Sektor bis 2030 zusätzliche Leistung im Umfang von 47 Gigawatt. Das entspricht dem Output von rund zwei Dutzend großer Gaskraftwerke. Dabei kann der Bedarf regional sehr unterschiedlich sein, denn die Projekte sind nicht gleichmäßig über das Land verteilt.
Rechenzentren siedeln sich in der Regel in Regionen mit einer guten Interkonnektivität sowie niedrigen Strom- und Grundstückspreisen an. Der Bundesstaat Virginia hat sich dabei zum Vorreiter entwickelt. Das spiegelt sich am Stromverbrauch wider. So waren die Datenzentren in dem Ostküstenstaat 2023 bereits für gut ein Viertel des Stromverbrauchs verantwortlich. Bis 2030 könnte die Quote – je nach Szenario – auf 30 bis 46 Prozent steigen.
2023 |
| 2030 *) |
| |
|---|---|---|---|---|
| Bundesstaat | Verbrauch | Anteil | Verbrauch | Anteil |
| Virginia | 33,8 | 25,6 | 61,8 | 36,2 |
| Texas | 21,8 | 4,6 | 39,8 | 7,5 |
| Kalifornien | 9,3 | 3,7 | 17,0 | 6,1 |
| Oregon | 6,4 | 11,4 | 11,7 | 17,7 |
| Iowa | 6,2 | 11,4 | 11,3 | 17,8 |
| Nebraska | 4,0 | 11,7 | 7,2 | 18,2 |
| North Dakota | 3,9 | 15,4 | 7,1 | 23,3 |
| Nevada | 3,4 | 8,7 | 6,2 | 13,8 |
Einige IT-Konzerne nehmen daher das Heft selbst in die Hand und bauen eigene Kraftwerke. Dabei liegen alle Optionen auf den Tisch. Sie investieren nicht nur in Gaskraftwerke, erneuerbare Energien und Stromspeicher, sondern läuten auch eine Wende in der Kernenergie ein. Microsoft lässt den Three-Mile-Island-Atommeiler reaktivieren. In dem Kernkraftwerk bei Harrisburg (Pennsylvania) war es 1979 zu einem Unfall gekommen, der zur Stilllegung des Reaktors geführt hatte.
Kernfusion als Hoffnungsschimmer
Zugleich setzt der IT-Riese auf die Kernfusion als Zukunftstechnologie und unterzeichnete bereits 2023 einen Abnahmevertrag mit der US-Firma Helion Energy. Diese verspricht für 2028 die erste Stromlieferung. Im Juli 2025 starteten die Bauarbeiten an dem mit 50 Megawatt recht kleinen Reaktor. Google unterzeichnete im Juni 2025 einen Vertrag mit dem Start-up Commonwealth Fusion Systems zum Bau eines Fusionsreaktors mit einer Leistung von 200 Megawatt. Die Partner sprechen von einem Regelbetrieb in den 2030er-Jahren.
Bei den regenerativen Energien haben sich die Aussichten derweil eingetrübt. Nach Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes One Big Beautiful Bill Act (OBBBA) wurde die Förderung von Wind- und Solarenergie aus dem Inflation Reduction Act (IRA) vorzeitig beendet. Dabei gibt es eine relativ großzügige Karenzzeit: Projekte, deren Bau vor dem 4. Juli 2026 beginnt, müssen erst Ende 2030 in Betrieb gehen, um noch in den Genuss der vollen IRA-Förderung zu kommen. Damit bleibt die Projekt-Pipeline zunächst gut gefüllt. Doch ganz neue Vorhaben sind Mangelware. Bei Offshore-Windkraft hingegen herrscht Flaute: Die amerikanische Regierung hat Genehmigungsverfahren und Landverpachtung vorerst auf Eis gelegt.