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Wirtschaftsumfeld | Venezuela | Investitionsklima

Investitionsklima in Venezuela ist sehr komplex

Geschäfte in Venezuela winken mit hohen Profiten, doch die Risiken sind groß. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Land sind äußerst schwierig.

Von Janosch Siepen | Bogotá

Der britische Informationsdienstleister Economist Intelligence Unit listet Venezuela auf dem letzten Platz in seinem Ranking zum Geschäftsklima in 82 Ländern weltweit. Die Politik der Regierung schrecke ausländische Investoren durch komplizierte Vorschriften und wenig Aussicht auf fairen Wettbewerb ab. Die Geschichte Venezuelas mit Verstaatlichungen und staatlichen Eingriffen hat dazu geführt, dass das Vertrauen der Investoren in das Land weiterhin ausgesprochen gering ist. Im Index of Economic Freedom der Heritage Foundation rangiert Venezuela auf Platz 174 von 176 Ländern weltweit.

Finanzierung fehlt und die Steuerlast ist hoch

Eines der größten Hindernisse für Geschäfte und Investitionen in Venezuela ist der Mangel an Bankkrediten. Das Forschungsinstitut Ecoanalítica schätzt den Kreditbedarf des Privatsektors auf rund 6 Milliarden US-Dollar (US$), das gesamte Kreditportfolio venezolanischer Banken betrug Mitte 2023 jedoch nur etwa 730 Millionen US$. Unternehmen klagen auch über die hohe Steuerlast im Land. Die 2022 angepasste Steuer auf große Finanztransaktionen (Impuesto a las Grandes Transacciones Financieras, IGTF) beispielsweise erhebt 3 Prozent auf Transaktionen in Fremdwährungen und verhindert so die Verwendung des US-Dollars im Land. Bei einer dreistelligen Inflationsrate können Geschäfte im Ausland nur über harte Währungen abgewickelt werden. Die meisten lokalen Unternehmen haben Bankkonten in anderen Ländern. 

Venezuelas wirtschaftliche Zukunft hängt von einer langfristigen Aufhebung der Sanktionen ab, die noch nicht absehbar ist. Trotz des Drucks der USA auf die Regierung, freie Wahlen im Jahr 2024 im Gegenzug zu Sanktionslockerungen zuzulassen und weitere Lockerungen zu ermöglichen, bleibt der zukünftige Kurs der Regierung ungewiss. Gleichzeitig kündigten die USA an, die Aufhebung der Sanktionen gegen Venezuela auszusetzen, sofern keine demokratischen Fortschritte erzielt werden. Der Grenzstreit mit Guyana um die ölreiche Region Esequibo sorgt für zusätzliche Unsicherheit. 

Zwar dürfte sich die zaghafte wirtschaftliche Liberalisierung der Wirtschaft fortsetzen. Doch trotz der Abschaffung vieler Preis- und Währungskontrollen seit 2019 und einer de facto Dollarisierung der Wirtschaft bleiben grundlegende strukturelle Wirtschaftsreformen unwahrscheinlich. 

Deutsche Direktinvestitionen sinken

Die deutschen Direktinvestitionen in Venezuela sind seit Jahren rückläufig. Die verbliebenen deutschen Unternehmen in Venezuela bieten vornehmlich Dienstleistungen und Produktvertrieb an, darunter Siemens Energy, Bayer, Bosch, Schryver, DHL und Saltec. Henkel und Linde produzieren in Venezuela. Andere Firmen aus Deutschland bearbeiten den Markt durch Repräsentanten. 

Investitionsförderung: Regulatorischer Rahmen profitiert von wirtschaftspolitischem Wandel

Das "Ley Constitucional de Inversión Extranjera Productiva" von 2017 bildet die Grundlage für ausländische Investitionen. Das Gesetz sieht ausdrücklich die Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Investoren vor und regelt die Grundsätze für ausländische Investitionen, mit Ausnahme bestimmter Wirtschaftssektoren wie Öl und Gas, Bergbau, Finanzdienstleistungen, Medien und Telekommunikation. 

Unternehmerkreise berichten von einem wirtschaftspolitischen Wandel innerhalb Venezuelas, der Austausch zwischen politischen Vertretern und der Privatwirtschaft nehme zu und die Regierung zeige sich pragmatischer. Im Juni 2022 verabschiedete die venezolanische Nationalversammlung das "Ley Orgánica de Zonas Económicas Especiales - LOZEE". Das Gesetz regelt die Einrichtung sogenannter Sonderwirtschaftszonen (ZEE). Diese umfassen verschiedene Wirtschaftszweige und basieren auf einem umfangreichen System von Steuervergünstigungen, das sich auch an ausländische Unternehmen richtet. Zu den Vorteilen zählen Steuererleichterungen, Zollsenkungen, vereinfachte Verwaltungsverfahren und Zollpräferenzen.

Neue bilaterale Beschlüsse (zum Beispiel ein Zusatzprotokoll zum "Acuerdo de Alcance Parcial Nr. 28" mit Kolumbien) bewirken eine zwischenstaatliche Vertiefung der Handelsbeziehungen beispielsweise durch  Zollpräferenzen. Zudem sorgen seit einigen Jahren Dekrete und Beschlüsse (zum Beispiel Resolution 075/2019, Gaceta Extraordinaria 6393/2018, Dekret Nr. 4.821/2023) für Mehrwertsteuerbefreiungen bei bestimmten importierten Produktgruppen wie Medikamenten oder Nahrungsmitteln sowie für die Aufhebung von Importzöllen.

Zwischen Venezuela und Deutschland besteht seit 1995 ein Doppelbesteuerungsabkommen und seit 1996 ein Investitionsschutzabkommen. Aktuell entscheidet die Bundesregierung jedoch nicht über Garantieanträge für Investitionen in Venezuela. Aus Wirtschaftskreisen wird berichtet, dass Investitionssicherheit und Rechtsstaatlichkeit zweifelhaft seien. Die Regierung ist darauf angewiesen, die Wirtschaft und den Devisenfluss anzukurbeln, um Inflation, Kaufkraftverlust und Unzufriedenheit in der Bevölkerung vor den Wahlen 2024 zu mildern. Der regulatorische Rahmen könnte von diesen Faktoren profitieren.

Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

 

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