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Arbeitsrecht
Die einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen können je nach Rechtsanwendungsgebiet (England und Wales, Schottland, Nordirland) variieren. Wichtig ist der jeweilige Arbeitsort. (Stand: 22.10.2025)
Von Dr. Achim Kampf, Nadine Bauer, Karl Martin Fischer | Bonn
Derzeit (im Oktober 2025) macht ein arbeitsrechtlicher Gesetzentwurf seinen Weg durch das britische Parlament: die Employment Rights Bill 2025. Mit einer Verabschiedung wird im Herbst 2025 gerechnet. Die ersten neuen Regelungen werden dann ab April 2026 gelten.
Zu den wichtigsten Neuerungen gehören viele "day one rights" wie zum Beispiel Kündigungsschutz, bezahlte Krankheit und Elternzeit - all diese Rechte gibt es bereits, aber bislang erst nach Wartezeiten. Weiterhin werden Nullstundenverträge ("zero hour contracts") und die Praxis der "fire and rehire" beschränkt. Bitte beachten Sie unsere laufende Berichterstattung zu diesen Themen.
Die Rechtsgrundlage des britischen Arbeitsrechts sind eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen. Das wohl bedeutendste arbeitsrechtliche Gesetz ist der Employment Rights Act 1996 (ERA 1996). Daneben spielt auch das Common Law (ungeschriebenes, hauptsächlich durch richterliche Entscheidungen entwickeltes Recht) eine wichtige, wenngleich tendenziell abnehmende Rolle.
Es wird zwischen drei verschiedenen Status unterschieden:
- Arbeitnehmer:innen (employees),
- Arbeiter (workers) und
- Selbständige (self-employed).
In vollem Umfang findet das britische Arbeitsrecht lediglich auf die Arbeitnehmer:innen Anwendung, daher ist genau zu prüfen, welchen Status die betreffende Person hat und welche Rechte damit für sie gelten.
Vertragsschluss
Ein Arbeitsvertrag kann mündlich oder schriftlich geschlossen werden, aus Beweisgründen ist die Schriftform jedoch ratsam. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbestimmungen schriftlich in Form eines written statement of particulars festzuhalten und dem Arbeitnehmer bei Beschäftigungsbeginn zur Verfügung zu stellen. Zu den wesentlichen Beschäftigungsbedingungen zählen unter anderem der Name des Arbeitgebers, die Vergütungshöhe bzw. deren Berechnungsmethode sowie Angaben zur Arbeitszeit und zum Urlaubsanspruch. Dieser Anspruch besteht inzwischen nicht mehr nur für employees, sondern auch für workers.
Die Vereinbarung einer Probezeit ist grundsätzlich möglich, gesetzliche Bestimmungen hierzu gibt es keine. In der Regel wird eine Probezeit zwischen drei und sechs Monaten vereinbart, häufig mit Verlängerungsoption.
Auf befristete Arbeitsverhältnisse sind die Vorschriften zum Schutz befristet eingestellter Arbeitnehmer, insbesondere die Fixed-term Employees (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2002, anwendbar. Hiernach müssen Arbeitnehmer bei befristeten Arbeitsverhältnissen zu den gleichen Arbeitsbedingungen wie Arbeitnehmer in unbefristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden. Nach englischem Recht erwerben Arbeitnehmer erst nach zwei Jahren Dienstzeit Kündigungsschutz. Da die Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages als Kündigung gilt, müssen befristete Verträge ab zwei Jahren Dauer bei Nichtverlängerung ebenso gerechtfertigt werden wie eine Kündigung.
Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn (National Minimum Wage/National Living Wage) im Vereinigten Königreich wird jährlich zum April angepasst. Seit April 2025 gelten folgende Sätze:
| Alter | Mindestvergütung (in Pfund Sterling) |
|---|---|
| ab 21 Jahre | 12,21 |
| 18 - 20 Jahre | 10,- |
| unter 18 Jahre | 7,55 |
| Auszubildende | 7,55 |
Zur Bestimmung, wer Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn hat, informiert diese Webseite (auf Englisch). Zur Abgrenzung der National Minimum Wage und der National Living Wage hält die britische Regierung einen Calculator bereit (auf Englisch).
Employer's Liability Insurance
Besonders praxisrelevant und wichtig ist der Nachweis einer "employer's liability insurance". Dabei handelt es sich um eine vom Arbeitgeber abzuschließende Haftpflichtversicherung, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Gesundheitsschäden bei der Arbeit absichert. Die Funktion ähnelt also derjenigen der deutschen Berufsgenossenschaft, aber die Umsetzung erfolgt im VK durch private Versicherungen. Die Versicherung muss auch für normalerweise im Ausland tätige Arbeitnehmer abgeschlossen werden, wenn diese 14 Tage oder länger im VK arbeiten. Weitere Informationen bietet ein Merkblatt des Health & Safety Executive.
Kündigung
Bei der Kündigung unbefristeter Arbeitsverhältnisse ist die gesetzliche Kündigungsfrist zu beachten. Für den Arbeitgeber richtet sich diese nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers: Die Frist für eine Arbeitgeberkündigung (dismissal) beträgt eine Woche für einen Arbeitnehmer, der mehr als einen Monat, aber weniger als zwei Jahre ununterbrochen beschäftigt ist. Sie erhöht sich bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zwei Jahren um jeweils eine Woche pro weiterem Beschäftigungsjahr, bis zu einer Maximalfrist von zwölf Wochen. Für eine Arbeitnehmerkündigung (resignation) gilt nach einem Monat Dienstzeit die gesetzliche Kündigungsfrist von einer Woche. Vertraglich können allerdings für beide Parteien längere Kündigungsfristen vereinbart werden, wobei die Kündigungsfrist der Arbeitgeberin immer mindestens genauso lang sein muss wie diejenige des Arbeitnehmers. Eine Kündigung ist bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht automatisch unwirksam; der Arbeitnehmer hat nämlich die Möglichkeit diesen Vertragsbruch zu akzeptieren. Ihm steht dann ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Vertragsbruchs (wrongful dismissal) zu, der sich in der Regel auf das richtet, was ihm bei Einhaltung der Kündigungsfrist zugestanden hätte.
Alle Arbeitnehmer genießen nach zwei Jahren durchgehender Beschäftigung Kündigungsschutz (Teil X des ERA 1996). Eine Kleinbetriebsklausel gibt es nicht. Eine Kündigung ist nur fair, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt (sec. 94, 98 ERA 1996): es gibt eine personenbedingte, eine verhaltensbedingte und eine betriebsbedingte Kündigung. Außerdem kennt das britische Arbeitsrecht zwei weitere Kündigungsgründe, nämlich "contravention of a statute" und "some other substantial reason". Beide spielen in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle. Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber. Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, muss dem betreffenden Arbeitnehmer immer eine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden. Vor allem vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung muss auf die Einhaltung des richtigen Verfahrens ("disciplinary procedure") geachtet werden.
Eine Klage wegen unfair dismissal ist innerhalb von drei Monaten ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erheben; bei Diskriminierungsklagen beginnt die dreimonatige Klagefrist mit der diskriminierenden Handlung zu laufen. Vor Klageerhebung muss allerdings zwingend ein Schlichtungsverfahren bei dem Advisory, Conciliation and Arbitration Service (ACAS) durchgeführt werden (early conciliation). Die Frage der Unfairness wirkt sich bezüglich etwaiger Entschädigungsansprüche aus. Klagen auf Weiterbeschäftigung (reinstatement) oder Wiedereinstellung (reengagement) sind prinzipiell möglich, aber selten. Der britische Kündigungsschutz bietet im Wesentlichen Abfindungsschutz, In der Regel sprechen die Gerichte bei Unfairness daher eine Entschädigung aus, die sich aus einem Grundanspruch (basic award) und einem Ausgleichsanspruch (compensatory award) zusammensetzt und einer Obergrenze unterliegt. Informationen zur individuellen Berechnung hält die Webseite Citizens Advice bereit. Beruht die Kündigung auf Diskriminierung oder Whistleblowing, ist die Abfindung nicht begrenzt.
Besonderheiten bestehen bei der sogenannten Redundancy, der betriebsbedingten Kündigung. Sie löst einen Entschädigungsanspruch (statutory redundancy pay) des Arbeitnehmers aus. Die Höhe dieser gesetzlichen Abfindung ist abhängig vom Lebensalter, der Dienstzeit sowie dem Gehalt des betreffenden Arbeitnehmers; einen entsprechenden Rechner bietet die britische Regierung online an.
Beim Betriebsübergang sind die Transfer of Undertakings (Protection of Employment) Regulations 2006 (TUPE) zu beachten. Informationen zu TUPE sind auf der Webseite der britischen Regierung abrufbar.