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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Investitionsförderung

Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen

Zwei Jahre nach dem Brexit fehlen dem britischen Investitionsstandort wichtige Impulse für einen Aufbruch. Ein Trend lässt sich aus angekündigten Projekten noch nicht ablesen.

Von Marc Lehnfeld | London

Post-Brexit-Richtung des Investitionsstandorts unklar

Eigentlich gehört die britische Insel zu den größten Investitionsstandorten weltweit. Die vergangenen Jahre haben das Profil jedoch erheblich verändert. Die neue Zollgrenze und der betont abgewandte Kurs von der EU drohen die britische Rolle als Brücke in den europäischen Markt zu gefährden. Die proklamierte Freiheit von der Brüsseler Bürokratie konnte die Regierung bisher nicht materialisieren. Noch nicht von der Coronakrise erholt, kämpft das Land mit der nächsten Rezession

Die Meinungen über den britischen Investitionsstandort gehen deshalb auseinander. Kemi Badenoch, britische Ministerin für Internationalen Handel, zeigte sich mit ihrem Fünf-Punkte-Plan entschlossen das Land zum attraktivsten Standort in Europa zu machen. Dafür setzt sie unter anderem auf ein Freihandelsabkommen mit Indien, ein Anschluss an das transpazifische CPTPP-Abkommen, einen Abbau von Handelshemmnissen und eine Verteidigung des Freihandels. 

Der politische Optimismus trifft hingegen regelmäßig auf Ernüchterung der Wirtschaft. Die Tageszeitung Financial Times berichtet davon, dass sich britische Unternehmer auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos nicht mehr dazugehörig fühlen. Tony Danker, Generalsekretär des Wirtschaftsverbands CBI, warnt davor, dass das Vereinigte Königreich im Subventionsrennen zwischen der EU und den USA um Investitionen in grüne Technologien ins Hintertreffen geraten würde. Die britische Regierung solle hingegen auf smarte Regulierung setzen und dadurch Standortvorteile setzen. Auch die anhaltenden Diskussionen um den britischen Post-Brexit-Weg zeigen, wie unklar das Standortprofil noch ist.

Deutsche Unternehmen expandieren weiterhin

Als sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt an der Türschwelle zur EU bleibt der britische Markt in Zeiten der kriselnden Globalisierung grundsätzlich attraktiv. Viele deutsche Unternehmen erweitern ihre britischen Produktionskapazitäten für den lokalen Markt, da die Zollgrenze den Export erschwert. So expandiert beispielsweise das Windtechnikunternehmen Siemens Gamesa seine Rotorblattproduktion in Hull im Zuge der starken Offshore-Windindustrie. Das Klimatechnikunternehmen Vaillant ergänzt währenddessen seine Boilerherstellung auf dem wachsenden Absatzmarkt um eine Produktion von Wärmepumpen. Dass die deutsche Private Equity Gruppe Aurelius den britischen Arm des Gesundheitsdienstleisters McKesson übernommen hat, unterstreicht die Marktpotenziale im Königreich trotz des Brexit.

Weniger Investitionsprojekte, mehr Arbeitsplätze

Die Beispiele deutscher Erweiterungsinvestitionen entwickeln sich jedoch gegen den Trend. Nach Angaben des britischen Department for International Trade (DIT) ist nämlich die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte seit 2016 rückläufig. Insbesondere bei den Erweiterungsinvestitionen halbierte sich die Anzahl der Projekte fast von 822 auf 466 in den Jahren 2016 bis 2021. 

Das Gesamtbild ist gemischt. Trotz rückläufiger Projekte kündigen ausländische Unternehmen an, wieder mehr Arbeitsplätze im Land zu schaffen. Im Jahr 2021 versprachen Investoren mit knapp 85.000 Arbeitsplätzen so viele neue Beschäftigte einzustellen wie seit Jahren nicht mehr. Auch der Wert ausländischen Direktinvestitionskapitals entwickelt sich positiv. Zwischen 2016 und 2020 ist er auf Pfund-Basis um durchschnittlich knapp 13 Prozent pro Jahr gewachsen. 

Also kein Brexit-Effekt bei den Investitionen? Die mittelfristigen Folgen des britischen EU-Ausstiegs lassen sich schlichtweg noch nicht feststellen. Investitionsbestände und die Anzahl angekündigter Arbeitsplätze sind keine zuverlässigen Indikatoren, um ein umfangreiches Urteil zu fällen. 

Der Blick auf das allgemeine Investitionsverhalten der britischen Wirtschaft bietet hingegen Anlass zur Sorge. Im dritten Quartal 2022 lagen die Investitionen der gewerblichen Wirtschaft noch 8,1 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau des vierten Quartals 2019 und auch nur leicht über dem Niveau von 2015. Britische Unternehmen bleiben nach dem Brexit und der Coronakrise zögerlich, obwohl die Regierung mit staatlichen Maßnahmen wie der großzügigen Sonderabschreibungsmöglichkeit (Super Deduction) versucht, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Nun verschlechtern die hohe Inflation, die Energiepreise und das gestiegene Zinsumfeld das Geschäftsklima.

Zukunft der britischen Rolle in internationalen Wertschöpfungsketten noch offen

Trotz der obengenannten Erweiterungsinvestitionen von deutscher Seite fehlen vor allem bei britischen Produktionsstätten in internationalen Wertschöpfungsketten klare Bekenntnisse zum Wirtschaftsstandort der Insel.

Dabei lassen vor allem zwei Entscheidungen aufhorchen. Bei der Standortsuche von Intel schied das Königreich vorzeitig aus, weil der Chip-Riese auf einen Standort in der EU und entsprechende Förderungen setzte. Auf deutscher Seite scheint vor allem BMW das Vereinigte Königreich anders zu bewerten. So konzentriert sich der Motorenbau in Hams Hall nur noch auf das vermutlich auslaufende Geschäft mit Verbrennungsmotoren. Auch die Produktion des Elektro-Mini hat der Autobauer zum Jahreswechsel nach China verlegt. Damit konzentriert sich der Standort Oxford komplett auf die Produktion der Verbrenner-Modelle und konnte dank des Gewinns der Cabrio-Produktion aus den Niederlanden einen Arbeitsplatzverlust abwenden. Sowohl im Motoren- als auch im Fahrzeugbau ist das Zukunftsgeschäft mit der Elektromobilität ins Ausland gewandert.

Fünf Fakten zum Investitionsstandort Vereinigtes Königreich
  1. Das Vereinigte Königreich ist mit einem ausländischen Direktinvestitionsbestand von 2,6 Billionen US-Dollar der zweitgrößte Investitionsstandort der Welt nach den USA.
  2. Die USA sind größter Investor auf der britischen Insel mit 379 Projekten im Jahr 2021*, gefolgt von Indien (107) und Deutschland (100).
  3. Deutschland belegt mit knapp 120 Milliarden Euro (2020) den fünften Platz beim Bestandswert ausländischer Direktinvestitionen im Vereinigten Königreich. Bezieht sich das Herkunftsland nicht auf den mittelbaren Ursprung, sondern den Ort der Konzernmutter, hält Deutschland den achtgrößten Investitionsbestand.
  4. Für den sechstgrößten Wirtschaftsstandort der Welt sprechen die Marktgröße, die geringe Regulierung und die starke Forschung.
  5. Nach dem Brexit versucht die Regierung Wettbewerbsvorteile vor allem aus regulatorischen Abweichungen zu erzeugen, die aber noch nicht sichtbar sind.

Anmerkungen: *) Angaben für das Geschäftsjahr 2021/2022

Quellen: UNCTAD 2022; Department for International Trade (DIT) 2022; Office for National Statistics 2022; IWF 2022

Weitere Informationen zu wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Vereinigten Königreich fasst die SWOT-Analyse von Germany Trade & Invest zusammen.

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