Wirtschaftsausblick | Vietnam
Vietnams Wirtschaft wächst solide und auf breiter Basis
Die vietnamesische Wirtschaft bleibt 2025 weiterhin stark. Das hohe Wachstumstempo wird das Land auch 2026 beibehalten.
25.11.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Wirtschaftsentwicklung: Starkes Wachstum in Reichweite der Regierungsziele
Die Konjunkturaussichten für Vietnam bleiben positiv: Die Weltbank erwartet für das Gesamtjahr 2025 ein Wachstum von 6,6 Prozent. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump weiteten viele Exporteure ihre Lieferungen in die USA aus, um möglichen Zollerhöhungen zuvorzukommen. Zudem haben neue Elektronikfabriken den Betrieb aufgenommen und stützen die Ausfuhren. Infolgedessen könnte das Wachstum sogar eher 8 Prozent betragen – mehr als die 7,1 Prozent im Vorjahr und nur leicht unter dem Regierungsziel von 8,3 bis 8,5 Prozent. Die Sondereinflüsse auf die Ausfuhren dürften sich 2026 abschwächen.
Für 2026 strebt die Regierung zweistellige Wachstumsraten an, was jedoch ambitioniert erscheint. Insgesamt wird das Wachstum wohl mit erneut 8 Prozent unter dem Regierungsziel von 10 Prozent bleiben.
Konsum und Infrastrukturausbau sind wichtige Treiber
Als wichtigster Wachstumstreiber könnte sich der Privatkonsum erweisen. Haushalte haben ihre in der Covid-Krise aufgebrauchten Ersparnisse wieder so stark aufgebaut, dass sie wieder mehr ausgeben. Um die Kaufkraft zu stützen, hat die Regierung die Mehrwertsteuersenkung von 10 auf 8 Prozent bis Ende 2026 verlängert. Ursprünglich sollte die Maßnahme Mitte 2025 auslaufen. Zudem profitiert der Konsum von einer Belebung des Wohnungsbaus und dem stark wachsenden Tourismus. Für 2025 werden rund 20 Prozent mehr Reisende erwartet als im Vorjahr.
Der Infrastrukturausbau ist ein weiterer Wachstumsmotor. Die Haushaltsmittel für Infrastrukturprojekte wurden 2025 um 30 Prozent erhöht, die hohen Investitionen von 2025 werden sich teilweise aber erst 2026 in der Wirtschaftsleistung niederschlagen. Allerdings verzögert sich die Umsetzung, unter anderem wegen administrativer Reformen und einer Neuordnung der Provinzstrukturen, die Genehmigungsprozesse erschweren. Auch der Nationale Parteikongress Anfang 2026 könnte die Umsetzung neuer Vorhaben verzögern.
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Vietnam ist bisher als Gewinner aus dem Zollkonflikt hervorgegangen
Die wechselhafte Zollpolitik der US-Regierung hat kurzfristige und längerfristige Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung in Vietnam. So gab es einen anhaltend starken Zufluss ausländischer Direktinvestitionen. Elektronikhersteller – darunter Zulieferer für den US-Konzern Apple – setzten die Verlagerung von Produktionskapazitäten aus China nach Vietnam fort.
Die Standortverlagerungen dürften sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Zwar drohte die US-Regierung Vietnam im April 2025 zunächst mit einem besonders hohen reziproken Zusatzzollsatz von 46 Prozent. Im August 2025 wurden die meisten Länder der Region ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) dann doch mit nur 19 Prozent Sonderzoll belegt, Vietnam mit leicht höheren 20 Prozent. Diese Sätze sind seitdem unverändert, während der Zollkonflikt zwischen den USA und China anhält. Das dürfte weitere Unternehmen dazu veranlassen, Produktionskapazitäten nach Vietnam zu verlagern.
Die Herausforderungen für Vietnam sind aber noch nicht vollständig überwunden: Die USA prüfen verstärkt Branchen, in denen sie eine Umgehung chinesischer Strafzölle vermuten. Mitte Oktober 2025 verhängte Washington einen Strafzoll von 25 Prozent auf bestimmte Möbelkategorien, der zum 1. Januar 2026 auf 50 Prozent steigen soll. Das trifft die Wirtschaft hart, denn im Jahr 2024 gingen fast 80 Prozent der vietnamesischen Möbelexporte in die USA. Gleichzeitig könnte die Trump-Regierung Vietnam für einige Produktkategorien einen Null-Prozent-Zollsatz einräumen, um die Inflation in den USA zu dämpfen.
Top-Thema: Neue Investitionswelle bei erneuerbaren Energien rollt an
Der Ausbau erneuerbarer Energien in Vietnam boomte bis vor einigen Jahren. Mit dem Ende eines günstigen Einspeisetarifs im Jahr 2021 sind neue Investitionen aber nahezu ausgeblieben. Jetzt hat die Regierung einen neuen Rechtsrahmen geschaffen, für direkte Abnahmeverträge zwischen Privaterzeugern und -abnehmern und generell für Aufdachanlagen. Zudem hat sie auch neue Ausbaupläne bis 2030 verabschiedet.
Weitere Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, damit Projekte finanzierbar werden. Dann könnte 2026 eine neue Investitionswelle starten. Deutsche Firmen haben bereits Projekte vorbereitet und stehen in den Startlöchern.
Deutsche Perspektive: Vietnam stellt Weichen für Bahninvestitionen
Vietnam plant bis 2030 rund 125 Milliarden US-Dollar an Investitionen in den Ausbau der Bahnnetze, darunter eine Hochgeschwindigkeitszugstrecke von Hanoi nach Ho-Chi-Minh-Stadt. Hier dürfte der Staat 2026 Art und Finanzierung der Umsetzung definieren. Private vietnamesische Konglomerate sollen als Generalunternehmer die Vorhaben anführen.
Vingroup, das größte Unternehmen des Landes, hat eigens die Tochterfirma Vinspeed gegründet, um Bahnprojekte umzusetzen. Vinspeed plant neben der Strecke von Hanoi nach Ho-Chi-Minh-Stadt noch zwei kürzere Hochgeschwindigkeitsstrecken von Hanoi nach Halong und von Ho-Chi-Minh-Stadt an die Küste nach Can Gio. Die Firma hat bereits Kontakt zu deutschen Unternehmen, die zahlreich auf einer ersten Bahnmesse in Hanoi im November 2025 vertreten waren.
Einen Überblick über die Standortbedingungen bietet unser Wirtschaftsstandort. In der GTAI-Reihe Arbeitsmarkt finden Sie alle Informationen zur generellen Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Lohnkosten und Arbeitsrecht. Alle Informationen zu Vietnam finden Sie auf der GTAI-Länderseite.