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Textilmaschinenbauer hoffen auf bessere Zeiten

Bei Textilien drücken Inflation und volle Kleiderschränke die Stimmung. Nach guten Jahren merkt das auch der Maschinenbau. Die Messe ITMA in Mailand machte aber auch Hoffnung.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Verhaltene Stimmung herrscht gleich am Anfang der textilen Wertschöpfungskette: Die Division Polymer Processing Solutions des Schweizer Unternehmens Oerlikon, Hersteller von Maschinen für die Produktion von Chemiefasern, will 800 Arbeitsplätze abbauen, die meisten davon bei der Tochter Barmag in Remscheid. Pandemie, Ukrainekrieg und Inflation bremsen seit zwei bis drei Jahren den Verkauf von Bekleidung, sagte Pressesprecher André Wissenberg bei der Branchenleitmesse ITMA im Juni 2023 in Mailand. Auf dem Rückzug sei wegen der schmaler gewordenen Geldbeutel auch Fast Fashion, das zur Mehrproduktion von Bekleidung und entsprechendem Maschinenbedarf geführt habe.

Volle Kleiderschränke drücken Bedarf an Maschinen

Die Kaufzurückhaltung bei Bekleidung drückt den Bedarf an Spinnanlagen für Filamentgarne sowie Texturieranlagen, die solche Filamente weiterverarbeiten. Bei den Filamentanlagen bildet Oerlikon zusammen mit dem japanischen Anbieter TMT (Muratec) faktisch ein Duopol. Rund die Hälfte der weltweit eingesetzten Anlagen stammt nach Firmenangaben aus Remscheid.

Dabei hat der Textilmaschinenbau in dem zyklischen Geschäft einige sehr gute Jahre erlebt. Die globalen Exporte von Textil- und Bekleidungsmaschinen sind nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenanbau (VDMA) seit 2020 deutlich gestiegen.

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Seit etwa Mitte 2022 allerdings weisen, mit Blick auf die gesamte Branche, die Kennzahlen der International Textile Manufacturers Federation überwiegend nach unten. Die ITMF befragt periodisch Textilmaschinenbauer sowie Unternehmen aus der gesamten textilen Wertschöpfungskette, von den Faserherstellern und Spinnereien bis hin zu den Produzenten von Heimtextilien und Bekleidung. In der Erhebung vom Mai 2023 berichten die Firmen von gesunkenen Werten bei Kapazitätsauslastung und Auftragsbestand. Sie schätzen ihre aktuelle Lage und Erwartungen überwiegend deutlich negativer als vor Jahresfrist ein. Die Erwartungen immerhin haben sich seit Ende des letzten Jahres wieder positiver entwickelt.

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Kunden in China sind durch Umweltschutzgesetzgebung verunsichert

Bei Oerlikon macht sich die Nachfrageschwäche beim Branchenschwergewicht China bemerkbar. Dort tätigt das Unternehmen nach eigenen Angaben üblicherweise um die 60 Prozent seiner Umsätze mit Textilmaschinen. Zusätzlich zur Absatzschwäche im Bekleidungsmarkt bremst die Unsicherheit über die Entwicklung der Gesetzgebung zum Umweltschutz chinesische Kunden in ihren Investitionen. Schon für 2026 wagt niemand eine Prognose, und dies bei einer Laufzeit von Spinnanlagen von üblicherweise knapp 20 Jahren.

Nach Branchendaten der ITMF verzeichnete immerhin der Auftragseingang in den drei wichtigsten Textilregionen Ost-, Südost- und Südasien zuletzt eine leichte Erholung. Afrika schneidet bei der Geschäftslage und auch beim Auftragseingang in der Befragung relativ gut ab. Der Kontinent spielt in der globalen Textilindustrie aber nur eine marginale Rolle.

Textile Fasern und Textilmaschinen

Bei der Herstellung von textilen Fasern spielen natürliche Ausgangsstoffe inzwischen nur noch eine Nebenrolle, Tendenz weiter sinkend. Die globale Erzeugung von Baumwolle als wichtigster Naturfaser stagniert seit 20 Jahren mehr oder weniger, sagt Andreas Engelhardt. Der Gründer des Branchendienstes The Fiber Year kann sich auch keine nennenswerte Steigerung der Produktion von Baumwolle vorstellen. Ihr Anbau benötigt viel Wasser und Land und wird durch den Klimawandel erschwert. Zugleich kauft eine wachsende und insgesamt wohlhabendere Weltbevölkerung immer mehr Bekleidung. Der Zuwachs bei der Produktion basiert auf Synthetikgarnen und chemisch hergestellten Fasern wie Viskose.


51 Prozent aller im Jahr 2021 produzierten Fasern bestanden laut Fiber Year aus künstlichen Filamenten. Die restlichen 49 Prozent sind Stapelfasern, die damit erstmals den kleineren Anteil bilden. Stapelfasern können aus Baumwolle und anderen Naturfasern bestehen oder ebenfalls aus Kunstfasern. Der Herstellprozess dabei ist anders als bei den Filamenten.


Filamente entstehen als lange Fäden aus einer zähflüssigen Ölschmelze. Knapp die Hälfte davon, die vorverstreckten Filamente (POY), werden anschließend auf Texturiermaschinen gekräuselt und anderweitig umgeformt. Die anderen, teilverstreckten Filamente benötigen diesen Arbeitsschritt nicht und gehen direkt in die textile Weiterverarbeitung.


Ungefähr aus 70 Prozent aller Textilfasern entsteht Bekleidung, der Rest wird für technische Textilien sowie Teppichgarne und Vliesstoffe verwendet. Umgekehrt besteht die heute produzierte Bekleidung Schätzungen zufolge – genaue Zahlen liegen nicht vor – zu 40 bis 45 Prozent aus Naturfasern, zu 10 Prozent aus chemisch aufbereiteter Zellulose und zu knapp 50 Prozent aus Synthetik. Unter den Naturfasern wiederum entfallen etwa 35 Prozentpunkte auf Baumwolle, knapp 10 Prozentpunkte auf Fasern wie Hanf und nur der kleine Rest auf Wolle und andere tierische Produkte.

Den negativen Trend bestätigt ein führender deutscher Zulieferer, dessen Teile in Web-, Strick- und Wirkmaschinen sowie vielen anderen Anlagen der textilen Wertschöpfungskette arbeiten. Nach einem "sehr guten Jahr 2022" laufe das Neuausrüster-Geschäft mit Maschinenbauern deutlich schlechter. Auch die Textilhersteller als Endkunden hätten weniger Bedarf.

Messe dürfte Geschäft anschieben

Von einem schwachen Geschäft mit Spinnmaschinen spricht auch der Schweizer Hersteller Saurer. Der niedrige Auftragseingang seit August 2022 liege allerdings auch an den hohen Verkäufen im Vorjahr, als Kunden mit Auslaufen der Pandemie verstärkt investiert hätten. Nun sei der Bedarf vorerst gesättigt. Saurer-Marketingleiterin Pia Terasa verweist außerdem auf die typische Zurückhaltung der Kunden vor einer großen Branchenmesse. Bei der ITMA selbst registrierte Terasa ein überaus reges Interesse.

Auch bei Textilmaschinen haben sich Lieferkettenprobleme zwischenzeitlich entspannt. Bei Saurer müssen Kunden laut Marketingleiterin Terasa nun deutlich weniger lang auf eine bestellte Anlage warten.

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