Rechtsbericht | Steuerrecht | Welt
Wann entsteht eine Betriebsstätte - was Unternehmen wissen müssen
Viele Unternehmen begründen im Ausland ungewollt eine steuerliche Betriebsstätte. Ein klarer Blick auf die Voraussetzungen hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
05.12.2025
Von Jan Sebisch | Bonn
Grundlagen: Ungewollte Betriebsstätten im Ausland
Unternehmen, die geschäftliche Tätigkeiten im Ausland aufnehmen, sehen sich häufig mit komplexen steuerlichen Fragestellungen konfrontiert. Ein zentrales Risiko besteht darin, dass Unternehmen unwissentlich oder unbeabsichtigt eine steuerliche Betriebsstätte im Ausland begründen. Schon scheinbar harmlose Tätigkeiten - wie zum Beispiel die Entsendung eines Mitarbeiters zu einem Projektpartner - können zur Begründung einer Betriebstätte führen. Um solche Risiken zu vermeiden, ist ein präzises Verständnis der Betriebstätten-Definition essenziell.
Was ist eine Betriebstätte?
Grundsätzlich handelt es sich bei einer Betriebstätte um eine rechtlich nicht selbständige, vom Hauptunternehmen räumlich getrennte, abhängige Niederlassung. Eine Definition der Betriebsstätte findet sich jeweils im nationalen Recht und im internationalen Recht (zum Beispiel im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen).
Die grundlegende nationale Definition findet sich in Deutschland in § 12 Abgabenordnung (AO). Danach ist eine Betriebstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Typische Beispiele sind: Geschäftsstellen, Büros und Werkstätten.
Während § 12 AO für das deutsche Steuerrecht maßgeblich ist, richtet sich die Beurteilung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten vor allem nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen, das Deutschland mit dem betreffenden Staat abgeschlossen hat. Die meisten Abkommen orientieren sich am OECD-Musterabkommen (OECD-MA). Artikel 5 OECD-MA definiert eine Betriebsstätte als feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
Damit ähnelt die internationale Definition der nationalen, ist aber oft detaillierter und wird für die Zuordnung des Besteuerungsrecht zwischen Staaten maßgeblich. Insbesondere der Umfang der Tätigkeit, Art der Verfügungsmacht sowie die Dauer spielen eine entscheidende Rolle.
Wann liegt in der Regel eine Betriebstätte vor?
Eine Betriebstätte gilt in der Regel als begründet, wenn ein Unternehmen eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nutzt und dort die Unternehmenstätigkeit ausübt. Wesentlich ist zudem, dass dem Unternehmen ein rechtsvertraglicher Anspruch an der Nutzung der festen Geschäftseinrichtung zusteht. Wichtig ist stets zu berücksichtigen, dass eine Betriebstätte auch ohne Wissen der verantwortlichen Entscheidungsträger oder der Mitarbeiter bestehen kann. Eine Betriebstätte entsteht kraft Gesetzes und der tatsächlichen Verhältnisse.
Besondere Arten von Betriebstätten
Ständiger Vertreter
Auch ohne feste Geschäftseinrichtung kann sich eine Betriebstätte ergeben: durch einen ständigen Vertreter. Im Rahmen der OECD-Vorgaben, die viele Länder auch als Auslegungsgrundlage für die eigene Rechtsauslegung berücksichtigen, wird eine Vertreterbetriebsstätte begründet, wenn eine Tätigkeit des Vertretungsberechtigten von mehr als sechs Monaten vorliegt. Zusätzlich müssen unter anderem die folgenden Voraussetzungen gegeben sein:
- Eine natürliche Person ist für ein Unternehmen in einem anderen Staat als dem Sitzstaat tätig.
- Der Person wurde eine Vollmacht erteilt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen.
- Bei der Tätigkeit der Person handelt es sich nicht um bloße Hilfstätigkeiten.
Typische Fälle sind Vertriebsmitarbeiter, die im Ausland regelmäßig Verträge vermitteln oder abschließen. Auch wenn der Vertreter formal kein Arbeitnehmer ist, kann er unter Umständen dennoch eine Betriebstätte begründen, wenn er wirtschaftlich im Auftrag des Unternehmens handelt.
Bauausführungen/Montagen
Eine Betriebsstätte kann auch durch die Errichtung von Bauwerken und Anlagen sowie Montagen entstehen. Der für die Begründung einer Betriebstätte maßgeblich Zeitraum (sechs, neun oder zwölf Monate) ergibt sich aus dem im konkreten Einzelfall zu berücksichtigenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Land.
Unter einer Bauausführung ist die vollständige oder teilweise Errichtung eines Bauwerks oder einer Anlage zu verstehen. Die Montage umfasst hingegen das endgültige Zusammenfügen sowie den Um- oder Einbau vorgefertigter Teile zu einem Gesamtwerk. Reparatur- und Instandhaltungarbeiten zählen dagegen nicht zu den maßgeblichen Tätigkeiten.
Geschäftsleitungsbetriebsstätte
Weiterhin kann eine Betriebstätte entstehen, wenn ein Mitglied der Geschäftsleitung einen erheblichen Teil seiner Tätigkeit in dem jeweiligen Ausland ausübt. Verrichtet zum Beispiel der Geschäftsführer einer deutschen GmbH seine Tätigkeit regelmäßig in Frankreich und hat er dort möglicherweise sogar seinen Wohnsitz, besteht die Möglichkeit, dass durch die geschäftsleitende Tätigkeit im Ausland eine Geschäftsleitungsbetriebstätte in Frankreich entsteht.
Folgen der Begründung einer Betriebsstätte im Ausland
Grundsätzlich müssen international tätige Unternehmen ihre Gewinne in dem Staat versteuern, in dem sich der Sitz des Unternehmens befindet. Wird jedoch im Ausland eine Betriebsstätte begründet, weist das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, das Besteuerungsrecht für die ihr zurechenbaren Gewinne zu. Damit bestimmt das Vorliegen einer Betriebsstätte maßgeblich, wie die Unternehmensgewinne zwischen den Staaten aufgeteilt werden – mit entsprechend spürbaren Auswirkungen auf die steuerliche Belastung des Unternehmens.
Zum Thema:
GTAI-Rechtsbericht Umsatzsteuerbefreiungen bei Auslandsgeschäften