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Markttrends
Inflation und Währungsschwäche belasten aktuell die Nachfrage. Langfristig verspricht der große, junge Markt mit wachsendem Konsumbedarf jedoch großes Potenzial.
09.07.2025
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Der türkische Lebensmittelmarkt wächst stetig, wenn auch moderat. Impulse kommen vor allem von der steigenden Nachfrage nach Fertig- und Convenience-Produkten, einem wachsenden Gesundheitsbewusstsein und der großen Agrarproduktion. Auch der Onlinehandel gewinnt an Dynamik.
Gleichzeitig steht der Markt unter Druck: Anhaltend hohe Inflation, Währungsschwankungen und wirtschaftliche Unsicherheiten schmälern die reale Kaufkraft und dämpfen die Nachfrage. Importierte Produkte verteuern sich zusätzlich durch die Abwertung der Türkischen Lira, was ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.
Menschen leben in der Türkei, darunter viele junge, konsumfreudige Verbraucher.
Konsumwandel und Marktreaktionen in der Lebensmittelbranche
Das Konsumverhalten hat sich spürbar verändert. Viele Haushalte essen seltener außer Haus und kochen häufiger selbst – das stärkt die Nachfrage nach Kochzutaten, Grundnahrungsmitteln und Fertiggerichten. Statt Marken greifen viele zu günstigeren Alternativen. Beliebt sind vor allem Discounter wie BIM, A101 oder Şok sowie Wochenmärkte, die bei Obst und Gemüse als besonders preiswert gelten. Die Branche reagiert flexibel: Einige Hersteller setzen auf kleinere Packungsgrößen bei gleichem oder steigendem Preis. Andere bieten günstigere Produktlinien für den Inlandsmarkt und exportieren margenstärkere Premiumprodukte.
Trotz der angespannten Lage bleiben die mittelfristigen Perspektiven vielversprechend – auch für ausländische Anbieter. Die wachsende Mittelschicht, insbesondere in westlichen Metropolregionen, sowie die Offenheit der jungen Generation gegenüber internationalen Marken fördern die Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln. Der Tourismus dürfte zur Sommersaison 2025 die Nachfrage weiter beleben.
Welche Segmente im türkischen Lebensmittelmarkt wachsen
Der Umsatz im Lebensmittelmarkt beträgt im Jahr 2025 voraussichtlich 161 Milliarden US-Dollar (US$). Mittelfristig, von 2025 bis 2030, rechnet das Marktforschungsinstitut Statista mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 11,3 Prozent. Der Pro-Kopf-Umsatz liegt dann voraussichtlich bei 1.830 US$. Besonders dynamisch entwickelt sich der Tiefkühlbereich: Laut Kerevitas (Mutterkonzern von SuperFresh) erreichte der Markt im Jahr 2024 ein Volumen von rund 645 Millionen US$ und eine Marktdurchdringung von 85 Prozent – ein Hinweis auf die wachsende Nachfrage nach tiefgekühlten Produkten.
Das größte Marktsegment ist Brot- und Getreideprodukte mit einem prognostizierten Umsatz von 31 Milliarden US$ im Jahr 2025. Der Markt für Milchprodukte und Eier wird im gleichen Jahr etwa 22 Milliarden US$ erreichen. Die hohe Inlandsnachfrage und die Bedeutung als Grundnahrungsmittel macht diese Segmente konjunkturresistent. Die Nachfrage nach Fleisch steigt weiter – allerdings unter erschwerten Bedingungen. Besonders starke Preissteigerungen bei rotem Fleisch belasten den Konsum. Viele Haushalte schränken ihren Fleischverzehr ein und greifen auf günstigeres Geflügel zurück. Dennoch wächst der Markt. Auch das Segment für Süßwaren und Snacks zeigt eine dynamische Entwicklung. Bis zum Jahr 2030 prognostiziert Statista ein durchschnittliches jährliches Wachstum von rund 10 Prozent. Innerhalb der „Sweet Snacks“ dürfte Schokolade den größten Marktanteil behalten, die Nachfrage nach Premium- und Artisan-Produkten steigt.
Die türkische Getränkeindustrie dürfte 2025 einen Umsatz von rund 18 Milliarden US$ erzielen. Flaschenwasser ist das meistgefragte Segment unter den nicht alkoholischen Getränken, gefolgt von Softdrinks. Trinkfertige Kaffee- und Teezubereitungen gewinnen an Beliebtheit: Bis 2030 soll ihr Umsatz auf rund 129 Millionen US$ steigen.
Der Markt für Tierfutter wächst rasant – angetrieben von einer wachsenden Mittelschicht, zunehmender Haustierhaltung und der Fütterung von Straßentieren durch Kommunen und Ehrenamtliche. Laut dem türkischen Veterinärverband (TVHB) leben rund 4,5 Millionen Hunde und 1,5 Millionen Katzen in Haushalten – hinzu kommt ein Vielfaches an Straßentieren. Während viele Tiere weiterhin mit Tischabfällen gefüttert werden, steigt die Nachfrage nach kommerziellem Futter spürbar. Statista erwartet für 2025 einen Umsatz von 6 Milliarden US$, bis 2030 könnten es 9 Milliarden sein. Etwa zwei Drittel des Futters stammen aus lokaler Produktion, der Rest wird importiert. Lieferchancen bestehen auch bei Zutaten für die lokale Herstellung.
Neue Konsumtrends rund um Bio, Gesundheit und E-Commerce gewinnen an Bedeutung
Auch funktionelle und gesundheitsbezogene Lebensmittel werden zunehmend wichtiger. Bisher sind für Diabetiker geeignete, glutenfreie oder kalorienreduzierte Produkte nur eingeschränkt verfügbar – doch das wachsende Gesundheitsbewusstsein dürfte die Nachfrage in den kommenden Jahren deutlich ankurbeln. Gesunde Ernährung entwickelt sich zunehmend zum Lifestyle-Thema. Auf die konventionelle Landwirtschaft wird kritischer geblickt – insbesondere auf den Einsatz von Pestiziden und Zusatzstoffen. Bio-Produkte finden bislang vor allem bei Milch, Babynahrung und Snacks Absatz. Auch vegetarische und vegane Ernährung gewinnt an Popularität. Besonders angereicherte Produkte, etwa mit Vitaminen oder Mineralstoffen, bieten zusätzliches Potenzial – vor allem im Bereich der Säuglings- und Kleinkindernährung.
In der Türkei erlebt die Lebensmittelbranche einen starken Zuwachs bei Online-Lieferdiensten. Vor allem junge, technikaffine Verbraucher kaufen Lebensmittel zunehmend auch online. Selbst Discounter wie A101 oder Şok bieten Lieferdienste an. Im Jahr 2025 sollen etwa 1,5 Prozent des Gesamtumsatzes mit Lebensmitteln online erzielt werden. Die zunehmende Digitalisierung eröffnet besonders kleinen und mittleren Unternehmen neue Chancen, ihre Reichweite zu steigern. Gleichzeitig bestehen Lücken in der Kühlkettenlogistik – ein Bereich mit Potenzial für spezialisierte Anbieter.
Unternehmen | Investitionssumme | Anmerkungen |
---|---|---|
Doruk Un | 50 | Geplante Kapazitätserhöhung für Mehlproduktionslinie |
Kandira g2m | 42 | Geplante Fabrik für Soßenproduktion |
Kervan Gıda | 20 | Geplante Kapazitätserhöhung für Süßwaren |
Torku | 20 | Geplante Kapazitätserhöhung für Schokoladenwaren |
Dardanel | 11 | Geplante Kapazitätserhöhung für Sushi Produktion |
Etiler Gıda | 1,8 | Geplante Kapazitätserhöhung für Trockenfrüchte |