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Branchen | Vereinigtes Königreich | Chemische Industrie
Die britische Chemieindustrie verfügt besonders im Norden des Königreichs über große Chemieparks. Nicht in allen Segmenten ist die Branche exportorientiert.
02.11.2020
Von Marc Lehnfeld | London
Die Chemiewirtschaft im Vereinigten Königreich zählt 2018 laut den aktuellsten Daten des britischen Statistikamts knapp 3.000 Unternehmen mit etwa 110.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von umgerechnet rund 39,7 Milliarden Euro. Die Daten schließen nicht nur die Pharma- und Kunststoffindustrie aus, sondern auch die Petrochemie, die wegen der erdölreichen Nordsee aber eine große Rolle für die britische Chemieindustrie spielt.
Den größten Anteil am Branchenumsatz machen Hersteller von Basischemikalien, wie zum Beispiel Industriegase, Dünger oder Pigmente, mit 48,7 Prozent aus. Basischemikalienhersteller beschäftigten außerdem rund 37.000 Beschäftigte der Branche. Zweitgrößtes Branchensegment ist die Herstellung von Seifen und Reinigungsmitteln sowohl in Bezug auf den Umsatz (Anteil: 19,9 Prozent) als auch auf die Mitarbeiter (Anteil: 26,4 Prozent).
Sparte | 20191) | Veränderung 2018/20192) | Marktanteil3) |
---|---|---|---|
Herstellung von Industriegasen | 1.196 | 6,1 | 4,3 |
Herstellung von Farbstoffen und Pigmenten | 1.548 | -2,2 | 5,5 |
Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien | 2.633 | 0,0 | 9,4 |
Herstellung von sonstigen organischen Grundstoffen und Chemikalien | 4.150 | -28,1 | 14,8 |
Herstellung von Düngemitteln und Stickstoffverbindungen | 1.928 | 6,9 | 6,9 |
Herstellung von Kunststoffen in Primärform | 5.886 | -15,3 | 21,0 |
Herstellung von Schädlingsbekämpfung- und Pflanzenschutzmitteln | 1.117 | 7,4 | 4,0 |
Herstellung von Anstrichmitteln und Druckfarben | 4.471 | 10,9 | 16,0 |
Insgesamt | 27.985 | -1,6 | 100,0 |
Für die strategische Weiterentwicklung des Chemiesektors beraten sich Regierung und Industrievertreter im gemeinsamen Chemistry Council, das in seinem im Oktober 2019 veröffentlichten Chemistry Council Sector Deal ein Investitionspaket von 1 Milliarde britischen Pfund Sterling (umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro) beschlossen hat.
Zu den bedeutendsten britischen Chemiekonzernen gehören zum einen der weltweit größte Katalysatorhersteller und Spezialchemieproduzent Johnson Matthey sowie das Petrochemieunternehmen Ineos. Ende Juni 2020 gab das Unternehmen bekannt, die petrochemische Sparte von BP für rund 4,2 Milliarden Euro zu übernehmen. Im Joint Venture Petroineos betreibt der Konzern gemeinsam mit PetroChina im schottischen Grangemouth eine bedeutende Erdölraffinerie, die damit auch Ausgangspunkt eines der größten britischen Chemiestandorte ist. Über eine Ethylen-Pipeline ist das Cluster außerdem mit den Chemieclustern Chemicals Northwest in Nordwestengland und dem North East of England Process Industry Cluster (einschließlich des Chemieparks Wilton International) in Teesside verbunden. Ein weiteres nennenswertes Cluster ist die Region Humber mit der Initiative Catch und dem Saltend Chemical Park.
Unternehmen | Umsatz 20191,2) | Veränderung in Prozent3) | Sparte |
---|---|---|---|
16.607 | 35,7 | Spezialchemie | |
13.705 | -14,8 | Petrochemie, Spezialchemie, Ölprodukte | |
9.276 | 0,2 | Farben, Spezialchemie | |
1.662 | -9,9 | Spezialchemie | |
Croda International Plc | 1.569 | -0,7 | Spezialchemie |
Boc Ltd (Tochterunternehmen von Linde Plc)4) | 871 | 3,8 | Industriegase |
781 | 6,3 | Spezialchemie | |
BASF Plc4) | 780 | 1,8 | Chemikalien, Kunststoffe |
Zu den großen ausländischen Chemieunternehmen im Vereinigten Königreich zählen auch deutsche Firmen, wie zum Beispiel BASF, Beiersdorf, Bayer CropScience, Evonik, Henkel oder die Niederlassungen des Lanxess-Konzerns. Anfang September gab das Unternehmen 2M Group die Übernahme der britischen Evonik-Tochtergesellschaft Evonik Goldschmidt UK bekannt. Der globale Industriegasmarktführer Linde plc mit Sitz in Irland ist über seine Tochtergesellschaft BOC im Königreich tätig.
Das Vereinigte Königreich gehört im europäischen Maßstab nicht zu den größten Im- und Exporteuren chemischer Erzeugnisse. Das britische Handelsvolumen mit chemischen Erzeugnissen erreichte 2019 rund 127,9 Milliarden Euro. Nicht in allen Branchensegmenten ist das Vereinigte Königreich exportorientiert. Während die Petrochemie- und Agrochemiehersteller rund 65 Prozent beziehungsweise 63 Prozent ihrer Produktionsvolumen ins Ausland exportieren, bedienen lokale Reinigungsmittel-, Farben- und Lackhersteller sowie Industriegasproduzenten mit dem überwiegenden Teil ihrer Produktion den britischen Markt.
Produktkategorie | Importvolumen gesamt (in Mio. Euro) | Veränderung 2019/2018 | Anteil Deutschlands | Veränderung der deutschen Importe 2019/2018 |
---|---|---|---|---|
Chemische Erzeugnisse1) | 66.098,9 | 0,3 | 15,8 | -5,4 |
Agrarchemie2) | 1.805,0 | 5,7 | 12,6 | -14,0 |
Farben und Lacke3) | 1.838,7 | 0,7 | 29,1 | -3,0 |
Industriechemikalien4) | 8.175,1 | -6,1 | 19,4 | -9,6 |
Petrochemie5) | 25.797,2 | -17,9 | 1,5 | 8,6 |
Der Importüberschuss des Königreichs betrug 2019 rund 4,3 Milliarden Euro. Nettoimporteur ist die Insel bei Agrochemie, Industriechemikalien und in der Petrochemie, hingegen Nettoexporteur bei Farben und Lacken. Deutschland ist der zweitwichtigste Partner bei den britischen Einfuhren nach den Niederlanden und bei den Ausfuhren nach den USA. Besonders eng sind die Handelsverflechtungen der britischen Chemieindustrie mit der Europäischen Union. Im Import stammen 76 Prozent aus der Union, während ihr Exportanteil rund 51 Prozent ausmacht.
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