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Branche kompakt | Indien | Chemische Industrie

Markttrends

Die aktuelle Marktlage ist gemischt. Dennoch wächst die Branche und neue Lieferbeziehungen entstehen. Deutsche Lieferungen haben Marktanteile eingebüßt. 

Von Florian Wenke | Mumbai

Indiens aktuelle Wirtschaftslage zeigt sich trotz der weltweiten konjunkturellen Eintrübung robust und das Land bleibt weiterhin auf dem Wachstumspfad. Derzeit gehen die meisten Volkswirte von einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes zwischen 6 Prozent und 7 Prozent im Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) aus. Analysten der Ratingagentur S&P Global prognostizieren, dass die chemische Industrie des Landes ähnlich stark wie die Wirtschaft wachsen wird. Für 2023 sagen sie ein Marktwachstum von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr voraus und 2024 soll dieser Wert sogar auf 8 Prozent steigen. 

Marktgröße von 300 Milliarden US-Dollar in Reichweite

Die aktuelle Marktgröße beträgt zwischen 200 Milliarden und 220 Milliarden US-Dollar (US$). Bis 2025 soll die Nachfrage nach Chemikalien um jährlich 9 Prozent wachsen, so die Indian Brand Equity Foundation. Die Marktgröße soll bis dahin auf 300 Milliarden US$ steigen. Bis 2040 erwarten Experten sogar eine Marktgröße von 1 Billion US$. 

Während der langfristige Wachstumstrend intakt bleibt, sorgt die maue Weltkonjunktur derzeit für gemischte Stimmung in der Chemiebranche. Der Konjunkturindikator Index of Industrial Production (IIP) für Oktober 2023 zeigt, dass die Produktion von chemischen Erzeugnissen um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen ist. Für das laufende Finanzjahr wird bisher ein Rückgang von 1,4 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode gemeldet. Für pharmazeutische Chemikalien werden die Werte extra ausgewiesen. Hier wird ein Wachstum von 11,2 Prozent sowie 12,5 Prozent angegeben, was auch an einer niedrigeren Vorjahresbasis liegt. 

Der Industrieverband FICCI meldete im November 2023 eine durchschnittliche Kapazitätsauslastung der Branche von 68 Prozent und gibt die Wachstumsaussichten für das verbleibende Finanzjahr als moderat an.

Branchenkenner berichten von einem zweigeteilten Bild. Derzeit leiden insbesondere exportorientierte Chemieunternehmen, weil ihnen die Nachfrage aus dem Ausland fehlt. Die Nachfrage aus dem Inland ist jedoch stabil. Die Regierung hält an ihren Investitionen in die Infrastruktur fest. Diese befeuern die Nachfrage nach Materialien wie beispielsweise Stahl und Zement und damit indirekt auch die Nachfrage nach (Basis-)Chemikalien, die zur Produktion dieser Materialien benötigt werden. Gleichzeitig sorgt die gute Wirtschaftslage im Land dafür, dass auch andere wichtige Abnehmerbranchen wie beispielsweise die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern wieder mehr produziert. 

Indien ist weiter auf Importe angewiesen

Indien importiert einen Großteil der verwendeten chemischen und petrochemischen Erzeugnisse. Dabei möchte die Regierung in New Delhi das Handelsbilanzdefizit im Bereich der Chemikalien (SITC-Kategorie 5) verringern und nach Möglichkeit in einen Überschuss umwandeln. Diesem Ziel scheint sie aber in den vergangenen Jahren nicht näher gekommen zu sein. Im Jahr 2022 führte Indien chemische Erzeugnisse im Umfang von 96,6 Milliarden US$ ein. Das war ein Plus von rund 61 Prozent gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019. Die Exporte stiegen im gleichen Zeitraum lediglich um circa 23 Prozent und erreichten 65,7 Milliarden US$ für 2022. 

Ausgewählte Importdaten der chemischen Industrie in Indien 2020 (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent) *)
Warenkategorie nach SITC

Importe gesamt

Veränderung 2022/2021

davon aus Deutschland

Veränderung 2022/2021

Gesamte SITC-Kategorie 596.623,222,22.090,5-9,3
  Organische Chemikalien (51)29.026,410,1355,4-23,6
  Anorganische Chemikalien (52)11.540,134,1146,2-47,6
  Farben, Tönungen und Lacke (53)2.643,64,1140,5-1,1
  Arzneimittel (54)5.038,7-10,4234,3-20,9
  Zubereitete Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmittel (ausgenommen Seifen) (553)792,675,430,25,6
  Seifen, Waschmittel und Polituren (554)689,63,336,6-8,2
  Düngemittel (56)17.208,989,722,7-7,2
  Kunststoffe in Primärform (57)17.444,119,8386,413,3
  Pestizide (591)1.794,3-3,282,9-16,9
* Waren der SITC-Kategorie 5 und Unterkategorien.Quelle: UN Comtrade 2023

Die Importe von Chemikalien aus Deutschland stiegen zwischen 2019 und 2022 weniger stark als die Gesamtimporte unter SITC-5. Sie kletterten um rund 10 Prozent und erreichten 2022 circa 2,1 Milliarden. Damit stand Deutschland für knapp über 2 Prozent der indischen Chemieimporte. Insgesamt haben deutsche Importe chemischer Produkte in Indien Marktanteile eingebüßt. Weiterhin dominiert China als Zulieferer in diesem Bereich (Lieferanteil 2022: 26 Prozent), obwohl die Regierung diese Abhängigkeit gern verringern möchte. Umgekehrt war die Bundesrepublik 2022 der achtwichtigste Absatzmarkt für indische Chemikalien und stand 2022 für circa 3 Prozent der indischen Chemieexporte. Für die Handelsbeziehungen beider Länder spielen Chemikalien seit Jahren eine wichtige Rolle. Im Zuge der Diversifizierung von Lieferketten kann sich der vermehrte Blick nach Indien von Einkäufern aus der Branche lohnen.

Ausgewählte Exportdaten der chemischen Industrie in Indien 2022 (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent) *)
Warenkategorie nach SITC

Exporte gesamt

Veränderung 2022/2021

davon nach Deutschland

Veränderung 2022/2021

Gesamte SITC-Kategorie 565.725,25,011.817,31,2
  Organische Chemikalien (51)20.756,43,8831,42,6
  Anorganische Chemikalien (52)2.440,732,763,655,9
  Farben, Tönungen und Lacke (53)3.608,6-6,02147,7-14,2
  Arzneimittel (54)21.589,042,4335,41-7,3
  Ätherische Öle und Riechmittel (551)1.372,12,244,42,9
  Zubereitete Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmittel (ausgenommen Seifen) (553)983,620,67,1-36,2
  Seifen, Waschmittel und Polituren (554)721,511,94,2-40,3
  Kunststoffe in Primärform (57)3.625,6-9,4128,922,8
  Pestizide (591)5.549,623,380,623,3
* Waren der SITC-Kategorie 5 und Unterkategorien.Quelle: UN Comtrade 2023

Neue Lieferketten entstehen

Vertreter von Branchenunternehmen gaben im Gespräch an, dass Anzeichen von Lieferkettenverlagerungen sichtbar sind. Sie schilderten, dass besonders große und global agierende Unternehmen (Multinational Corporations, MNCs) zunehmend ein Auge auf Indien als Beschaffungsmarkt geworfen haben. Dabei geht es ihnen weniger um die Schaffung eigener Standorte und Investitionen vor Ort, sondern darum, neue Zulieferer im Kreis der bereits vorhanden indischen Chemieproduzenten zu finden. Bisweilen unterstützen MNCs diese lokalen Firmen mit geringen Summen bei ihren Neuinvestitionen. Anschließend seien die MNCs aber bereit, mehrjährige Lieferbeziehungen einzugehen und den indischen Firmen damit Planungssicherheit zu geben. 

Subventionen werden weiter diskutiert, investiert wird aber auch ohne

Um das Ziel eines wirtschaftlich unabhängigen Indiens zu erreichen, unterstützt die Regierung Investitionen durch zeitlich befristete Produktionsanreize, sogenannte Production Linked Incentives (PLI). Immer wieder tauchen Meldungen auf, dass auch die Chemiebranchen in den Genuss der Förderung kommen soll. Zuletzt wurde in indischen Medien über PLI für die Chemieproduktion, jedoch ohne den Bereich Petrochemie, spekuliert. Insbesondere die Herstellung von Grundchemikalien scheint derzeit im Mittelpunkt von Überlegungen rund um neue PLI zu stehen. 

Es wird jedoch auch ohne die Subventionen investiert, besonders im Bereich der Petrochemie. Branchenvertreter geben zu Protokoll, dass Indien alleine in den kommenden 10 Jahren Bedarf an einem Cracker jährlich hat. Ein Teil der investierten Mittel stammt aus dem Ausland. Indischen Quellen zufolge flossen 2022/2023 ausländischen Direktinvestitionen im Umfang von 1,9 Milliarden US$ in die Chemiebranche (ausgenommen Düngemittel). Von April 2023 bis September 2023 kamen bereits weitere 411 Millionen US$ hinzu.

Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Indien (Investitionssumme in Milliarden US-Dollar)
Projekt

Investitionssumme *)

ProjektstandAnmerkungen
Kapazitätserweiterungen und Asbau des Standortes Bina17,9PlanungsphaseDas Projekt wird von der staatseigenen Bharat Petroleum Corporation Limited (BPCL) durgeführt und umfasst die Erhöhung der Produktionskapazitäten in diversen Bereichen. Die Investitionssumme ist für die kommenden fünf Jahre angedacht. Es soll beispielsweise eine neuer Ethylen-Cracker am Standort Bina gebaut werden. Außerdem soll die Kapazität der dortigen Raffinerie von derzeit 7,8 Millionen Tonnen pro Jahr auf 11 Millionen Tonnen pro Jahr erweitert werden. 
Bau zweier Petrochemiewerke12,0PlanungsphaseDas Projekt wird von der staatseigenen Oil and Natural Gas Corporation Limited (ONGC) durchgeführt, die damit ihre Produktionskapazitäten ausbauen will.
Paradip Petrochemical Complex7,3Genehmigt und in Ausbauphase 1Bau eines Chemieparks in Paradip durch das Staatsunternehmen IndianOil. Neben einem Cracker sind Downstream-Produktionsanlagen zur Herstellung von beispielsweise Polypropylenen (PP), Hart-Polyethylen (HDPE), Linearen Polyethylen niederer Dichte (LLDPE) und Polyvinylchlorid (PVC) geplant. Darüber hinaus sind Herstellungskapazitäten für Phenol 
Isopropylalkohol angedacht.
Tata Chemicals

1,0

AngekündigtGeplante Investitionen von Tata Chemicals in den kommenden drei Jahren. Angedacht ist eine Kapazitätserweiterung für Natriumcarbonat am Standort Mithapur. Zudem soll die Kieselsäureproduktion ausgeweitet werden. 
Bau von Düngerfabriken0,1GenehmigtBau von drei Düngerfabriken in Gorakhpur, Sindri und Barauni durch Investitionen von IndianQil in das Joint Venture mit Hindustan Urvarak and Rasayan Ltd. (HURL). 
Setting up the first on-purpose Propylene plant

k.A.

AngekündigtBau einer Produktionsanlage für Propylen sowie für Phenol in Haldia.
Projekte der öffentlichen Hand werden auf der zentralen Ausschreibungsplattform der indischen Regierung veröffentlicht. Außerdem stellt die indische Regierung eine Projektdatenbank zur Verfügung. GTAI stellt ebenfalls aktuelle Informationen zu Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten bereit.
* Wechselkurs vom 27.11.2023 laut Reserve Bank of India: 1 US-Dollar = 83,367 indische Rupien.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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