Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Polen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Der Kampf um die besten Arbeitskräfte hat wegen der Konjunkturflaute im Frühjahr 2023 etwas an Schärfe verloren. In den meisten Branchen herrscht aber weiterhin Fachkräftemangel.

Von Christopher Fuß | Warschau

Unternehmen in Polen haben weniger Bedarf an Arbeitskräften. Ende des 1. Quartals 2023 erfasste die Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) knapp 115.000 offene Stellen. Der Wert liegt um rund ein Viertel unter den Zahlen des Vorjahresquartals. Besonders deutlich ist die Entwicklung bei Softwareherstellern. Die IT-Unternehmen meldeten im Frühjahr 2023 rund 50 Prozent weniger offene Stellen als noch 2022.

Ohne Personal kein Wachstum

Trotz dieser Entspannungssignale bleibt die Situation in den meisten Branchen schwierig. Laut Untersuchungen der Arbeitsämter gibt es in 27 Berufszweigen Probleme, die offenen Stellen zu besetzen. Dem amtlichen Barometer (Barometr Zawodów) zufolge fehlen Kraftfahrer, Schweißer, Elektriker und Baugeräteführer. Die Jobzentren bescheinigen einigen Fachrichtungen einen chronischen Mangel. Das bedeutet, dass die Zahl der Stellenangebote seit 2016 deutlich über dem Angebot an Arbeitskräften liegt.

GUS befragt Unternehmen regelmäßig nach Entwicklungsbarrieren. Der Maschinenbau und die Metallverarbeitung verweisen hier auf den Fachkräftemangel. Auch Unternehmen aus der Automobilindustrie haben Schwierigkeiten, Personal zu finden. Das ist für die Fahrzeugbranche ungünstig, denn die Zahl der Bestellungen steigt. Anders stellt sich die Situation im Baugewerbe dar: Weil der Wohnungsbau stockt, werden die Rufe nach Arbeitskräften leiser. Der Einzelhandel wiederum setzt auf Selbstbedienungskassen, um Personal zu sparen.

Wenn es zu Entlassungen kommt, betrifft das vor allem Zeitarbeiter und Hilfskräfte, berichtet die Branchenorganisation PFHR (Polskie Forum HR). Industrieübergreifend bauen die Unternehmen eher neue Stellen auf. Zwischen Januar und April 2023 stieg die Zahl der Beschäftigten in der Privatwirtschaft um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wie die Personalagentur Manpower Group im Juni 2023 berichtet, planen die meisten Branchen, neue Stellen zu schaffen.

In Ostpolen ist der Arbeitsmarkt entspannter

Stellen zu besetzen, könnte in einigen Regionen schwierig werden. Unternehmen in den west- und südpolnischen Woiwodschaften Lubuskie, Dolnośląskie und Sląskie klagen schon heute über fehlende Arbeitskräfte. Die Arbeitslosigkeit liegt hier unter dem Landesdurchschnitt. Auch Zachodnio-Pomorskie im Nordwesten hat eine hohe Leerstandsquote - gemeint ist das Verhältnis von offenen zu besetzten Stellen.

Weniger Probleme bei der Personalsuche melden Unternehmen in den ostpolnischen Regionen Warmińsko-Mazurskie, Lubelskie und Podkarpackie. Es gibt Ausnahmen. In Olsztyn im Nordosten herrscht nahezu Vollbeschäftigung, während die Arbeitslosigkeit im Landkreis Górowski in Dolnośląskie dreimal so hoch ist wie der Landesdurchschnitt.

Internationale Dienstleistungsunternehmen, beispielsweise aus dem IT-Sektor, haben sich in Großstädten niedergelassen, darunter Warschau, Krakau, Poznań, Wrocław oder Gdańsk. Der Arbeitsmarkt ist dort nahezu leergefegt. Regionale Zentren, die sich lange unter dem Radar bewegten, gewinnen an Bedeutung. Hierzu gehören Lublin, Łódź und Szczecin. Mittelfristig rücken auch Städte wie Radom, Kielce und Białystok in den Fokus. Hier ist der Arbeitsmarkt entspannter.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten 1)

Bevölkerung (in Mio.)

37,7

Erwerbspersonen (Bevölkerung mindestens 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.)

24,6

Erwerbstätige (in Mio.)

16,3

Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition)

2,9

Analphabetenquote (in %)

k.A.

Universitätsabschluss (in %)²

29,6

1 Angaben für 2022; 2 Anteil an der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren mit tertiärem BildungsabschlussQuelle: Eurostat 2023

Migration hilft dem Arbeitsmarkt

Seit Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine sind zwischen 1,2 Millionen und 1,5 Millionen Geflüchtete dauerhaft nach Polen gekommen. Bei den meisten handelt es sich um Frauen und Kinder. Laut Angaben des polnischen Familienministeriums haben fast 900.000 Geflüchtete eine Arbeit gefunden, zum Beispiel im Dienstleistungssektor. Die Arbeitsagentur EWL Group erläutert, vereinfachte Verfahren hätten die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtert.

An anderer Stelle verschärft der Krieg den Fachkräftemangel. Laut Branchenverbänden sind ukrainisch-stämmige Lkw-Fahrer von polnischen Speditionen zurück in die Ukraine gegangen, um bei der Verteidigung des Landes zu helfen. Wie die Personalagentur Personnel Service mitteilt, zieht es ukrainische Beschäftigte in Polen auch zunehmend nach Westeuropa.

Dass sich die Lage am IT-Markt etwas entspannt hat, mag auch mit Anwerbeinitiativen der staatlichen Investitionsagentur PAIH (Polska Agencja Inwestycji i Handlu) zusammenhängen. Das Programm Poland Business Harbour konnte zwischen 2020 und 2023 fast 75.000 Fachleute nach Polen locken, vornehmlich aus Belarus, Russland und aus der Ukraine.

Auch die privaten Arbeitsagenturen blicken ins Ausland. Personaldienstleister werben Saisonkräfte in Georgien, Indien, den Philippinen oder in Kolumbien an. Firmen wie Otto Work Force oder Gremi Personal berichten aber von langwierigen Visa-Verfahren. Ungeachtet solcher Schwierigkeiten heuert der staatliche Mineralölkonzern PKN Orlen rund 6.000 ausländische Arbeitskräfte für den Bau eines Chemiekomplexes an.

Der demografische Wandel bleibt eine Herausforderung. Laut der Sozialversicherungsanstalt wird die Zahl der Menschen im Erwerbsalter bis 2027 um 3,1 Prozent sinken. Eigentlich hatte sich Polen verpflichtet, ältere Menschen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Angesichts der Parlamentswahl im Herbst 2023 schlagen die Regierungsparteien nun aber eine neue Frührente vor.

Firmen setzen auf Personaldienstleister

Unternehmen in Polen nutzen bei der Suche nach Fachkräften die Unterstützung von Personaldienstleistern. Eine beliebte Adresse ist die Deutsch-Polnische Auslandshandelskammer (AHK Polen). Die Rekrutierung nimmt in der Regel mindestens zwei bis drei Monate in Anspruch.

Stellenausschreibungen werden auf Internetportalen veröffentlicht. Die Wahl des Seitenbetreibers hängt von der Stelle ab. Bürojobs finden sich auf der Seite pracuj.pl. Über die Plattform pracazarogiem.pl suchen Firmen nach Industriearbeitern und Handwerkern. Anzeigen auf sozialen Netzwerken gehören ebenfalls zum Standard.

Eine Besonderheit Polens ist der hohe Anteil von Freiberuflern. Sie arbeiten in vielen Unternehmen auf Leitungspositionen. Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es in Polen dreimal so viele Selbstständige wie in Deutschland.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.