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Wirtschaftsausblick | Kroatien

Kroatiens Wirtschaftswachstum über EU-Durchschnitt

Bauinvestitionen und der Tourismus sorgen für wirtschaftliche Dynamik. Mangelnde Arbeitskräfte und offene Reformprojekte bergen Risiken.

Von Kirsten Grieß | Zagreb

Top-Thema: EU-Gelder als Wachstumsmotor

Kroatien erhält zwischen 2021 und 2027 knapp 26 Milliarden Euro von der EU. Vergleichsweise hoch sind die Zuwendungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds mit 10 Milliarden Euro. Das Geld soll vorrangig in öffentliche Bauvorhaben, den Ausbau erneuerbarer Energien und in neue Digitalisierungsprojekte fließen. Sämtliche Maßnahmen müssen bis Ende 2026 abgeschlossen sein.

Die Umsetzung geht Kroatien zügig an. Genauso wie die Beseitigung von Erdbebenschäden an öffentlichen Gebäuden und der Infrastruktur, für die Mittel aus dem EU-Solidaritätsfonds zur Verfügung stehen. Kehrseite des Geldsegens ist, dass der Arbeitsmarkt und die staatlichen Ausschreibungsstellen bereits jetzt an ihre Grenzen geraten. Zudem könnten auf längere Sicht nicht genügend Auftragnehmer und Materialien verfügbar sein. Damit besteht das Risiko, dass letztlich nicht alle Mittel eingesetzt werden.

Wirtschaftsentwicklung: Positive Aussichten über 2023 hinaus

Das kroatische Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im 3. Quartal real um 2,8 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal zu. Damit liegt Kroatien an der Spitze der EU-Länder, die aktuell überwiegend keine oder negative Wachstumszahlen vermelden. In ihrer Herbstprognose geht die EU-Kommission davon aus, dass die kroatische Wirtschaft für das Gesamtjahr 2023 real um 2,6 Prozent und 2024 um 2,5 Prozent wachsen wird.

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Euro-Einführung zieht mehr Touristen an

Die wirtschaftliche Dynamik wird vorrangig vom Bausektor und vom Tourismus getragen. Bis Ende September stieg die Bauleistung gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 3,7 Prozent, im Gebäudesektor sogar um 7,1 Prozent. Finanziert werden viele Bauprojekte aus EU-Mitteln. Der gesamtwirtschaftliche Effekt des Tourismus ist in Kroatien mit rund 12 Prozent des BIP vergleichsweise hoch. Seit der Einführung des Euro ist das Land für Besucher aus dem Euroraum noch attraktiver geworden. Bereits in den ersten neun Monaten 2023 lag die Gesamtzahl der gemeldeten Touristen um 9,1 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums.

Lohnsteigerungen stützen privaten Konsum

Weniger robust zeigte sich die Industrieproduktion, sie ging bis September im Jahresverlauf um 0,7 Prozent zurück. Zwei große Sektoren verzeichneten ein deutliches Minus: Die Lebensmittelproduktion schrumpfte um 4,5 Prozent, die Produktionsleistung der Holzverarbeitung sank um knapp 17 Prozent. 

Der private Konsum ist stark, was auch an den Zuflüssen aus dem Tourismus und dem robusten Arbeitsmarkt liegt. In den ersten neun Monaten 2023 stiegen die durchschnittlichen realen Bruttolöhne um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weitere Impulse für die Kaufkraft sind für 2024 zu erwarten. Zum Jahresbeginn steigt der Mindestlohn um 20 Prozent.

Kroatien kämpft allerdings mit einer hohen Inflation. Im Oktober 2023 lag sie auf Jahresbasis bei 9,6 Prozent. Laut Nationalbank soll sich der Inflationsdruck zum Jahresende und im kommenden Jahr deutlich abschwächen. Für den Tourismussektor wäre das eine gute Nachricht, da die hohen Preise potenzielle Besucher abschrecken. Die angespannte Lage auf dem kroatischen Arbeitsmarkt könnte die Lohnentwicklung und damit die Inflation weiter antreiben.

Reformen werden verschleppt

Arbeitskräfte fehlen in Kroatien in beinah allen Wirtschaftsbereichen. Die Regierung will deswegen ausländische Arbeiter anwerben, ein tragfähiges Konzept liegt dafür aber noch nicht vor. Sehr schwer tut sich Zagreb auch mit dringend notwendigen Reformen des Rechtssystems, der öffentlichen Verwaltung und bei der Korruptionsbekämpfung. Unternehmen sehen sich mit vielen bürokratischen Hürden konfrontiert, was Investitionsprojekte stark verzögert und die Kosten erhöht. Die weitere Verschlechterung der Wirtschaftslage wichtiger Außenwirtschaftspartner ist ein zusätzliches Konjunkturrisiko.

Kroatien wird als Investitionsstandort attraktiver

Der Gesamtbestand ausländischer Direktinvestitionen erreichte 2022 rund 38 Milliarden US-Dollar. Nach den Coronajahren dürften die Investitionen 2023 wieder stärker zulegen. Dafür spricht die Einführung des Euro und der Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum. Hinzu kommen das positive wirtschaftliche Klima und die Zahlungen aus Brüssel. Tourismus, Energie und die Landwirtschaft sind für ausländische Investoren aktuell besonders attraktiv. In jüngster Zeit gibt es auch mehr Projekte im Logistikbereich.

Deutsche Perspektive: Der Euro bringt Vorteile

In der jährlichen Konjunkturumfrage der Deutsch-Kroatischen Auslandshandelskammer (AHK) gaben 81 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie erneut in Kroatien investieren würden. In den vergangenen drei Jahren hat sich diese Einschätzung kaum verändert, was angesichts der aktuellen geopolitischen Lage für den Standort spricht. Als größtes Wachstumsrisiko wurde der Fachkräftemangel genannt.

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Im Verlauf der ersten acht Monate 2023 legten die Importe aus Deutschland um 10,5 Prozent zu. Überdurchschnittlich wuchsen die Einfuhren von Transportmaschinen, elektrischen Geräten und Geräten zur Stromerzeugung, Reiseaccessoires und Schuhwerk. Ein Treiber des wertmäßigen Wachstums ist die starke Inflation. Umgekehrt stiegen die kroatischen Exporte nach Deutschland um 2 Prozent. Neben Italien ist Deutschland wichtigster Handelspartner Kroatiens.

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Im Ranking der ausländischen Direktinvestitionen lag Deutschland zur Mitte 2023 mit einem Investitionsvolumen von 4,7 Milliarden Euro auf Platz 3. Unter den aktuellen Vorhaben ist ein komplexes Fotovoltaikprojekt des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE Freiburg. Die Dämmstoffsparte der Knauf Gruppe will weitere 120 Millionen Euro am kroatischen Standort investieren. Im Gespräch ist auch eine neue Elektrofahrradfabrik des Automobilherstellers Porsche. Auch für deutsche Investoren stehen die EU-Fonds und staatliche Subventionen bereit.

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