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Wirtschaftsausblick | Vereinigtes Königreich

Mit Steuersenkungen in den Vorwahlkampf

Angesichts der schwachen Konjunktur und der bevorstehenden Unterhauswahlen 2024 sendet Finanzminister Jeremy Hunt positive Signale an Unternehmen und Verbraucher.

Von Marc Lehnfeld | London

Top-Thema: Finanzminister eröffnet Vorwahlkampf

Die Industrie zeigt sich zufrieden, Haushaltsexperten äußern sich kritisch. In seinem mit Spannung erwarteten Autumn Statement verkündete der britische Finanzminister Jeremy Hunt am 22. November 2023 steuersenkende Maßnahmen für Unternehmen und Haushalte. Im Zentrum der Ankündigungen stand die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge um zwei Prozentpunkte auf 10 Prozent sowie die Verstetigung des "Full Expensing". Diese ursprünglich bis März 2026 befristete Regelung ermöglicht es Unternehmen, qualifizierte Investitionen in IT-, Fabrik- und Maschinenausrüstungen schon im ersten Jahr voll abzuschreiben. Die seit April 2023 von 19 auf 25 Prozent erhöhte Körperschaftsteuer auf Gewinne von mehr als umgerechnet rund 289.000 Euro bleibt unverändert.

Paul Johnson, Director des Institute for Fiscal Studies (IFS), glaubt, dass der Finanzminister seine Maßnahmen auf der Grundlage hoher Steuereinnahmen, die durch die Inflation getrieben werden, und erheblicher Haushaltskürzungen im öffentlichen Sektor trifft. Johnson zeigt sich besorgt, dass ein schnellerer Rückgang der Inflation die Ankündigungen auf tönerne Füße stellen könnte. Ohnehin sieht er für die nächsten Jahre keinen signifikanten Rückgang der Staatsschuldenquote.

Das Haushaltsstatement des Finanzministers läutet damit den Wahlkampf ein, in dem die konservative Regierungspartei der Tories den Vorsprung der Labour-Partei in öffentlichen Umfragen aufholen will. Im monatlichen YouGov-Tracker erwarten im November 2023 nur 10 Prozent der Befragten eine Regierungsmehrheit der Konservativen. 

Bei Wirtschaftsverbänden erntete Finanzminister Jeremy Hunt große Zustimmung für die Entfristung des "Full Expensing“, die unter anderem der Industrieverband Make UK und die Confederation of British Industry (CBI) sowie die British Chamber of Commerce (BCC) gefordert hatten. 

Wirtschaftsentwicklung: Schwaches Wachstum für 2024 erwartet

Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds prognostizieren für das Vereinigte Königreich für dieses Jahr mit einem Plus von 0,5 Prozent das zweitschwächste Wachstum der G7-Staaten nach Deutschland (minus 0,5 Prozent) und sehen die britische Insel für 2024 mit 0,6 Prozent als Schlusslicht. Für 2023 läuft die Prognose entlang der aktuellen Wirtschaftsentwicklung, die bis September 2023 einen Realanstieg von 0,6 Prozent verzeichnete.

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Wachstumsbremse bleibt 2023 die Inflation und die damit verbundenen Leitzinsanhebungen der Bank of England auf mittlerweile 5,25 Prozent. Laut Office for Budget Responsibility (OBR) fällt die Dynamik der Verbraucherpreise von einem durchschnittlichen Wachstum um 7,5 Prozent im Jahr 2023 auf 3,6 Prozent in Jahr 2024 ab. Die Analysten von Oxford Economics erwarten bereits zwei mögliche Leitzinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte im 2. Halbjahr 2024.

Die schwierigste wirtschaftspolitische Aufgabe im Wahljahr 2024 liegt darin, den erlahmten Privatkonsum wiederzubeleben, der durch die Reallohnverluste im 3. Quartal 2023 noch immer 1,5 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau liegt. Britische Haushalte leiden vor allem unter deutlich gestiegenen Wohnkosten und schätzen ihre persönliche finanzielle Situation 2024 laut GfK Konsumklimaindex schlechter ein als noch im Sommer 2023.

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Bisher stabilisieren vor allem die Investitionen der gewerblichen Wirtschaft das britische Wirtschaftswachstum. Sie liegen bereits rund 4 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau und sind in den ersten drei Quartalen 2023 um 6,3 Prozent deutlich gestiegen. Für 2024 erwartet das OBR hingegen einen Rückgang um 5,6 Prozent. Gerade weil das "Full Expensing“ nun entfristet wurde, fallen die Vorzieheffekte aus. Dafür trägt die Erneuerung der Produktionsanlagen mittelfristig positiv zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei.

Deutsche Unternehmen: Eigenes Geschäft besser als britische Konjunktur

Die deutsch-britischen Handelsbeziehungen entwickeln sich in eine deutlich positivere Richtung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das britische Department for Energy Security and Net Zero haben sich in zwei Absichtserklärungen für eine engere Kooperation im Bereich Klima und Energie, und auch ganz spezifisch im Bereich Wasserstoff, ausgesprochen. Der bilaterale Handel stabilisiert sich. Das Vereinigte Königreich festigt seine Rolle als elftgrößter Außenhandelspartner der Bundesrepublik. 

Aus britischer Sicht könnte Deutschland 2023 seine Rolle als wichtigstes Importland zurückerlangen, nachdem die Erstplatzierung im Jahr 2022 nach statistischen Revisionen an China abgegeben wurde. Die britischen Warenimporte aus Deutschland sind zwischen Januar und September 2023 um 10,1 Prozent deutlich gestiegen, während die Gesamteinfuhren um 9,7 Prozent rückläufig waren.

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Deutsche Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten auf der Insel zeigen sich resilienter als die britische Wirtschaft selbst. Laut dem aktuellen German-British Business Outlook der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer sieht nur ein Viertel der Befragten positive Zukunftsaussichten für die britische Wirtschaft. Für das eigene Unternehmen rechnen dagegen knapp 40 Prozent mit einem Wachstum und planen Investitionen und Neueinstellungen.

Dazu passt auch die Entscheidung der BMW Group, ihre britischen Standorte in Oxford und Swindon mit rund 700 Millionen Euro für die Produktion der Elektro-Minis zu stärken. Sowohl die europäische als auch die britische Automobilindustrie hoffen noch auf eine Einigung zwischen der EU-Kommission und der britischen Regierung, um steigende Ursprungsregeln für Elektroautos ab 2024 zu verhindern. Das würde auch den deutsch-britischen Handel betreffen, der im laufenden Jahr 2023 bisher 15,2 Prozent aus Autos, Motoren und Autoteilen besteht.

Weitere Informationen zum Vereinigten Königreich erhalten Sie auf der GTAI-Länderseite.

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