Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsausblick | Ägypten

Inflation und Dollarkrise hemmen Wirtschaftswachstum in Ägypten

Ägypten kann angesichts des Gaza-Krieges auf internationale Unterstützung zählen. Die Hilfen werden aber nur das Schlimmste abwenden.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Top-Thema: Gaza-Krieg und Freigabe des ägyptischen Pfundes hängen zusammen

Gibt die Zentralbank den Wechselkurs des ägyptischen Pfunds (EGP) frei? Diese Frage wird in den kommenden Monaten die wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens maßgeblich bestimmen. Die Regierung steht vor schwierigen Abwägungen. Gibt sie die Währung frei, wird sie damit den nächsten Inflationsschub auslösen. Schiebt sie die Kursfreigabe auf, bleiben Devisen im Schwarzmarkt und im Ausland. Die ägyptische Wirtschaft leidet zunehmend an einem Liquiditätsmangel. 

Seit 2022 herrscht in Ägypten eine akute Devisenknappheit. Diese stört bis heute den Außenhandel, da Importe mangels US-Dollar (US$) nicht bezahlt werden können. Betrieben fehlen Rohmaterialien und Vorprodukte aus dem Ausland. Unternehmen können schwerer planen und müssen hohe Kursschwankungen einkalkulieren. 

Dennoch wird die ägyptische Regierung von einer Kursfreigabe Anfang 2024 absehen. Eine zeitnahe Freigabe würde bedeuten, dass für 1 US-Dollar nicht mehr der aktuelle Preis von 31 EGP, sondern 46 EGP bezahlt werden müssten. Das entspräche dem aktuellen Schwarzmarktkurs, den Experten als realistisch einstufen. Die Freigabe würde einen Inflationsschub mit schweren sozialen Verwerfungen auslösen. Bereits ohne die Freigabe des Wechselkurses beträgt die Teuerungsrate 35 Prozent. Eine massive Verschärfung wäre die Folge.

Damit rechnet auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Angesichts der Kriege in Gaza und Sudan kommt Ägypten eine zentrale Rolle als Stabilitätsanker in der Region zu. Folglich wird der Fonds die Kursfreigabe als Bedingung zur Auszahlung der zweiten Tranche eines Kredits in Höhe von 3 Milliarden US$ vorerst wohl nicht einfordern. Dies deuten Aussagen der geschäftsführenden Direktorin Kristalina Georgiewa im Dezember 2023 an. Nicht nur scheint der IWF die Zügel zu lockern, das Institut will darüber hinaus auch die Kreditsumme auf 6 Milliarden US$ aufstocken.

Zusätzliche Zahlungen der Golfpartner und Einnahmen aus dem Verkauf ägyptischer Staatsunternehmen stärkten das Pfund. Seit dem Ausbruch des Gaza-Krieges legte es auf dem Schwarzmarkt gegenüber dem US-Dollar um 10 Prozent zu. Die ägyptische Regierung hofft auf eine Fortsetzung der Pfund-Rallye. Ein geringerer Abstand zwischen offiziellem und Schwarzmarktkurs würde die ökonomischen Konsequenzen einer Kursfreigabe abmildern. Dieses Kalkül setzt jedoch voraus, dass der Konflikt in Gaza an der Grenze des Küstenstreifens stoppt. Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer, die auf dem Weg zwischen Europa und Asien den Sueskanal passieren, zeigen jedoch, wie fragil die Lage ist.

Wirtschaftsentwicklung: Inflation bleibt auch 2024 Wachstumsbremse

Die Analysten von Economist Intelligence Unit prognostizieren, dass sich das Wachstum des ägyptischen Bruttoinlandsprodukts von geschätzt 3,8 Prozent im laufenden Jahr auf 2,5 Prozent im Jahr 2024 abschwächt. Die Gründe dafür sind die hohen Erzeuger- und Verbraucherpreise. Beides dämpft die Nachfrage von Unternehmen und Hauhalten. Insbesondere der Privatverbrauch wirkt sich stark auf die ägyptische Gesamtwirtschaft aus. 

Schuldendienst und hohe Zinsen binden das Gros des Staatshaushalts. Folglich bleiben der Regierung kaum Mittel, um wie in der Vergangenheit etwa in die Infrastruktur zu investieren. Trotz der Schuldenlast gilt eine ägyptische Staatspleite mittlerweile als weniger wahrscheinlich. Seit Ausbruch des Kriegs in Gaza sichern die Golfstaaten und der IWF dem bevölkerungsreichsten arabischen Land Unterstützung zu. Der Zugang zu westlichen Finanzmärkten wird dem Land am Nil dennoch vorerst verschlossen bleiben. Größere private Investitionen stehen nächstes Jahr im Öl- und Gassektor sowie im Bergbau an. 

Bild vergrößern

Rabatte für Unterkünfte und Flüge verdeutlichen, dass der Krieg in Gaza auch den Tourismus in Ägypten beeinträchtigt. Im Jahr 2024 dürfte vor allem der Massentourismus am Roten Meer rückläufig sein. Bis auf die niedrigen Preise hat Ägypten beim Strandtourismus kein Alleinstellungsmerkmal. Ausländische Besucher werden daher auf Nummer sicher gehen und andere Destinationen aufsuchen.

Huthi-Angriffe stören Schifffahrt im Sueskanal und Welthandel 

Seit dem 7. Oktober 2023 haben jemenitische Huthi-Rebellen 15 Frachtschiffe im Roten Meer angegriffen. Reedereien wie Maersk und Hapag Loyd machen nun einen Bogen um den Sueskanal. Der Umweg über Südafrika dauert bis zu zehn Tage länger und verursacht Mehrkosten von rund 1 Million US$. Wählen Schiffe dennoch die Route über den Sueskanal, zahlen sie hohe Versicherungsprämien. Im vergangenen Fiskaljahr erzielte Ägypten durch den Sueskanal Einnahmen von 8 Milliarden US$. Sie entsprechen rund 10 Prozent der ägyptischen Einnahmen aus Waren- und Dienstleistungsexporten und sind nun gefährdet.

Täglich passieren 12 Prozent des Welthandels den Sueskanal. Folglich führt ein Ausfall der Wasserstraße zu zunehmender Knappheit und steigenden Preisen auf den Zielmärkten vor allem in Europa und Asien. Seit Europa kein Pipelinegas aus Russland bezieht, ist die Bedeutung des Sueskanals für den Transport des Kraftstoffs nach Europa gewachsen. Als der Ölkonzern BP am 18. Dezember 2023 bekanntgab, den Sueskanal vorerst zu meiden, stieg der Erdgaspreis in Europa um 13 Prozent. Als Folge westlicher Sanktionen gegen Russland hat der Sueskanal auch für den Öltransport zusätzliche Bedeutung gewonnen.

Außenhandel Ägyptens (in Milliarden US$; Veränderung in Prozent)
 

2021

2022

Veränderung 2022/21

Importe

81,0

82,0

1,2

Exporte

36,4

44,7

23,0

Quelle: EIU 2023

Deutsche Perspektive: Sueskanal-Engpass trifft deutsch-asiatischen Handel

Die deutschen Exporte nach Ägypten sind 2022 infolge der Devisenkrise um 10,5 Prozent zurückgegangen. Vor dem 2. Halbjahr 2024 ist mit einer spürbaren Verbesserung des Devisenangebots in Ägypten nicht zu rechnen. Dies wird auch den deutsch-ägyptischen Handel beeinträchtigen. 

Aus deutscher Sicht entscheidender ist jedoch der deutsch-asiatische Handel, der infolge des Konflikts im Roten Meer betroffen ist. Experten gehen davon aus, dass die Störung länger dauern wird als die Blockade des Sueskanals im Jahr 2021 durch die Evergiven. 

Bild vergrößern

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.