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Kirgisistan fährt Produktion von Lebensmitteln hoch
Die Nahrungsmittelindustrie in Kirgisistan hinkt ihrem Potenzial hinterher. Steuerliche Anreize und die Erschließung neuer Exportmärkte sollen der Branche auf die Sprünge helfen.
08.12.2025
Von Viktor Ebel | Bischkek
Nach der Metallurgie ist die Nahrungsmittelindustrie die zweitwichtigste Sparte des verarbeitenden Gewerbes in der kleinen Hochgebirgsrepublik Kirgisistan. Unzureichende Lager- und Transportmöglichkeiten, fehlende Zertifizierungen und veraltete Verarbeitungs- und Verpackungsmethoden hinderten die Branche lange Zeit daran, ihr Potenzial voll zu entfalten. Besserung ist aber in Sicht.
betrug der Anteil der Nahrungsmittelindustrie am verarbeitenden Gewerbe 2024 in Kirgisistan.
Während neue Infrastrukturprojekte und Lagerhäuser Kirgisistan zunehmend mit ausländischen Märkten verbinden, setzt die Regierung Anreize für die Produktion von Lebensmitteln. In den nächsten Jahren rechnet sie mit der Eröffnung zahlreicher neuer Betriebe. Bei der Verarbeitung und Verpackung von Fleisch, Milchprodukten sowie Erzeugnissen aus Obst und Gemüse sind Technologie und Know-how aus Europa gefragt.
Kirgisistan ist auf neue Produktionsstätten in vielerlei Hinsicht angewiesen. Zum einen muss die Regierung auskömmliche Arbeitsplätze für die weiterhin wachsende Bevölkerung schaffen. Zum anderen braucht die Wirtschaft neue Wachstumstreiber, wenn Sondereffekte im Zuge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, wie beispielsweise Reexporte nach Russland, auslaufen. Internationale Beobachter wie die Weltbank und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) sehen in der Nahrungsmittelbranche eine Möglichkeit für Kirgisistan, seine bisher schwach ausgeprägte Industrie breiter aufzustellen.
Eröffnung von 385 Betrieben bis 2030 vorgesehen
Laut dem Ministerium für Wasserressourcen, Landwirtschaft und die verarbeitende Industrie, sollen bis 2030 insgesamt 385 Unternehmen mit Bezug zur Nahrungsmittelindustrie entstehen – davon 45 große Verarbeitungsbetriebe, 300 kleine und mittlere Unternehmen sowie 40 Handels- und Logistikzentren. Damit soll sich der Anteil der Lebensmittelproduktion am verarbeitenden Gewerbe bis Ende des Jahrzehnts auf 25 Prozent erhöhen. Der Trend der letzten Jahre legt das nahe: Zwischen 2020 und 2024 stieg der entsprechende Beitrag laut des kirgisischen Statistikkomitees bereits von 13 auf 19 Prozent.
Branche profitiert von Fördermitteln und Anreizen
Einen Impuls dafür dürfte eine Regierungsbeschluss vom 9. Oktober 2025 geben, der die Mehrwertsteuer für eine Reihe von inländischen Agrarerzeugnissen um 80 Prozent senkt. Die Regelung soll zunächst befristet bis zum 1. Januar 2030 greifen und betrifft unter anderem Fleisch, Geflügel, Fisch, Pflanzenöl, Gemüse, Früchte, Reis und Honig. Für Verarbeiter sinke dadurch die Steuerlast, während die Wettbewerbsfähigkeit im In- und Ausland steige, kommentiert der Verband der Agrarindustrie Kirgisistans die Resolution.
| Projektbezeichnung (Ort) | Investition | Projektstand | Anmerkungen |
| Werk zur Verarbeitung von Beeren und Gemüse (Bezirk Sokuluk) | 23
| Umsetzung | Sun Planet International |
| Werk zur Verarbeitung, Sortierung und Verpackung von Bohnen (Region Talas) | 11,8 | Planung |
Staatshaushalt |
| Betrieb zur Fischverarbeitung (Region Dschalal‑Abad) | 11.8 | Umsetzung | Salih & Co |
| Anlage zur Obst- und Beerenverarbeitung (Region Issyk-Kul) | 4,1 | Umsetzung | Sarzhan Agro |
| Integrierter Ararindustriekomplex (Stadt Toktogul) | k.A. | Vorbereitung | RosAgro |
| Betrieb zur Geflügelzucht (Region Tschui) | k.A. | Umsetzung | Russisch-Kirgisischer Entwicklungsfonds und die Bezirksregierung Issyk-Ata |
| Modernisierung des Maisverarbeitungswerks (Belowodskoje) | k.A.
| Planung | Unterstützung durch China |
Unterstützung kommt auch aus dem Ausland: Die Weltbank greift kirgisischen Landwirten und Lebensmittelverarbeitern mit insgesamt 35 Millionen US-Dollar (US$) unter die Arme, um effiziente, klimaresiliente Agrarcluster zu etablieren. Zu den größeren international ausgeschriebenen Anschaffungen zählen Saatgutmaschinen, Ausrüstungen für ein Milchcluster sowie verschiedene Beratungsdienstleistungen. Neben der Ausweitung der Produktion liegt ein Fokus auch auf der Erschließung neuer Märkte.
ISO 22000-Zertifizierung ebnet Weg für Export
Die nationale Standardisierungsbehörde Kyrgyzstandard ist seit 2025 akkreditiert, um Managementsysteme zur Lebensmittelsicherheit gemäß der internationalen Norm ISO 22000 zu zertifizieren. Dies stellt eine Voraussetzung für den Einstieg in viele ausländische Märkte dar. Die Zertifizierung im Inland würde die Geschäftskosten senken und den Absatz einheimischer Produkte auf ausländischen Märkte beschleunigen, so der Direktor von Kyrgyzstandard gegenüber UNDP, dessen Berater die kirgisische Seite bei der Akkreditierung unterstützt haben.
Ein kirgisisches Unternehmen, dass bereits gemäß den Anforderungen der ISO 22000 produziert, ist der Milchverarbeiter Elite Mozzarella, der Mozzarella, Hüttenkäse und Butter herstellt. Die Firma, die nach eigenen Angaben auf europäische Ausrüstung setzt, exportiert bereits in die Nachbarländer Kasachstan und Usbekistan. Für Lebensmittelproduzenten, die diesem Beispiel folgen wollen, hat das Industrieministerium 2025 ein Exportförderzentrum ins Leben gerufen.
Halal-Zertifizierung gewinnt an Bedeutung
Das Zentrum analysiert Exportmärkte, unterstützt bei Logistikfragen und informiert auch zu Zertifizierungen. Eine zunehmende Rolle spielt dabei die islam-konforme Halal-Zertifizierung. Neben den mehrheitlichen muslimischen Verbrauchern in Zentralasien könnten kirgisische Produzenten perspektivisch auch Wachstumsmärkte in Südostasien und im Mittleren Osten beliefern.
Die Marktforscher von DinarStandard schätzen, dass das weltweite Marktvolumen für Halal-Lebensmittel zwischen 2023 und 2028 von 1,43 Billionen US$ auf 1,94 Billionen US$ steigen wird. Bei der Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems sowie dem Ausbau der Halal-Industrie beraten Kirgisistan unter anderem Partner aus der Türkei, Malaysia und Indonesien.
Europäische Länder an Zusammenarbeit interessiert
Als Sourcing-Markt für Lebensmittel dürften europäische Firmen Kirgisistan aufgrund der Entfernung und anderer Essgewohnheiten eher nicht im Sinn haben; wohl aber als Abnehmer von Ausrüstungen. So fanden 2025 Medienberichten zufolge bilaterale Treffen mit italienischen und ungarischen Vertretern statt , die eine Zusammenarbeit bei Verarbeitung, Verpackung und Qualitätskontrolle von Lebensmitteln sondierten.
Auch das Interesse an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Kirgisistan und Deutschland wurde dieses Jahr mehrfach unterstrichen, zuletzt beim Tag der kirgisischen Wirtschaft am 28. November 2025 in Berlin. Veranstaltungen wie diese sind für deutsche Unternehmen eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen. Vor Ort sind Messen, Verbände sowie die AHK Zentralasien wichtige Anlaufstellen, um den Markteinstieg vorzubereiten.
| Name | Anmerkungen |
|---|---|
| Ministerium für Wasserressourcen, Landwirtschaft und verarbeitende Industrie | Ansprechpartner für Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie |
| Verband der Agrarindustrie Kirgisistans | 150 Mitgliedsunternehmen |
| AHK Zentralasien | Ansprechpartner und Servicestelle für deutsche Unternehmen in Zentralasien; Standort: Almaty, Kasachstan |
| Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft | Veranstaltet regelmäßig hochrangige Veranstaltungen mit Bezug zu Zentralasien und Kirgisistan |
| Servicestelle Exportförderung | Angesiedelt beim Ministerium Wasserressourcen, Landwirtschaft und verarbeitende Industrie |
| Kyrgyz Invest | Investitionsagentur; Pool an Investitionsprojekten |
| Zentrum für Entwicklung der Halal-Industrie | Angesiedelt beim Ministerium für Wirtschaft und Handel |
| Central Asian International Food Industry Exhibition | Größte Lebensmittelmesse in Zentralasien; Standort: Almaty, Kasachstan; nächster Termin: 11. bis 13. November 2026 |
| Resilient Agri-food Clusters Development Project | Weltbank-Projekt; Aufbau von Agrarclustern |