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Wirtschaftsumfeld | Westbalkan | Beitritt zur EU

EU stellt Wachstumsplan für Westbalkan in Aussicht

Die EU stellt den Westbalkanländern weitere 6 Milliarden Euro in Aussicht. Damit sollen Reformen umgesetzt und die Wirtschaft angekurbelt werden.

Von Martin Gaber | Belgrad

6 Mrd. Euro

umfasst der neue Wachstumsplan der EU für den Westbalkan.

Ein neuer Wachstumsplan soll den Westbalkan fit für den Beitritt zur Europäischen Union machen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte auf dem Westbalkangipfel im Oktober 2023 in Tirana weitere 6 Milliarden Euro in Aussicht. Davon sind rund 2 Milliarden Euro als Zuschüsse und 4 Milliarden Euro als Kredite eingeplant. Wie genau der Wachstumsplan greifen soll, ist noch offen.

Die EU will die Länder noch vor einem politischen Beitritt wirtschaftlich in den Binnenmarkt integrieren. Mit dem Wachstumsplan soll sich dieser für die sechs Länder öffnen, zum Beispiel beim freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, bei Verkehrs- und Energienetzen oder im digitalen Bereich. 

"Eines der Hauptthemen wird die Wirtschaft der westlichen Balkanländer sein, deshalb habe ich den Wachstumsplan vorgelegt. Wir wollen ihnen den Zugang zum gemeinsamen europäischen Markt ermöglichen", sagte Ursula von der Leyen. 

Die Mittel sollen allerdings an Reformen geknüpft werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass gleiche Regeln und Standards für alle im Binnenmarkt gelten. Das hätte auch für die Region den Reiz, dass die einzelnen Länder für Investoren attraktiver werden.

Bruttoinlandsprodukt soll sich verdoppeln

Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte in ihrer Rede an, dass sich mit den zusätzlichen Milliarden aus Brüssel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der sechs Länder noch in diesem Jahrzehnt verdoppeln könnte. Die Lücke zu den EU-Mitgliedsstaaten ist groß. Derzeit kommen die Westbalkanländer insgesamt auf rund 18 Millionen Einwohner und ein BIP von rund 130 Milliarden Euro im Jahr 2022. Das entspricht kaum der halben Wirtschaftsleistung Rumäniens, das eine ähnliche Einwohnerzahl aufweist. Wirtschaftlicher Motor in der Region ist derzeit Serbien. Das größte Land mit knapp 7 Millionen Einwohnern kommt auf ein BIP von etwas mehr als 60 Milliarden Euro. In diesem Jahr dürfte die gesamte Region laut Herbstprognose 2023 des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) um rund 2 Prozent zulegen.

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Der Wachstumsplan aus Brüssel ist als zusätzliche Unterstützung gedacht und kommt zu dem bisherigen Wirtschafts- und Investitionsplan hinzu. Der im Jahr 2020 vorgestellte Plan hatte rund 30 Milliarden Euro für die Region vorgesehen. Bislang wurden davon rund 16 Milliarden Euro verwendet. Die EU scheint im Angesicht globaler Krisen gewillt, die Integration zu beschleunigen. Zuletzt stellte Ratspräsident Charles Michel in den Raum, dass die EU-Erweiterung bis 2030 abgeschlossen sein soll. Experten halten diesen Zeitraum angesichts stockender Reformen in den einzelnen Ländern für zu ambitioniert. 

Bereits beim Gipfel 2003 im griechischen Thessaloniki hatte die EU die Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt. Seitdem gibt es ein Auf und Ab in der EU-Annäherung der Länder. Zudem sind nicht alle gleich weit in ihren Fortschritten. Am weitesten fortgeschritten sind die Verhandlungen mit Montenegro. Der Berlin Prozess, den die Bundesregierung im Jahr 2014 ins Leben gerufen hatte, sollte Reformen vorantreiben und neue Impulse setzen. 

Berlin Prozess
Der Berlin Prozess wurde im Jahr 2014 federführend von der damaligen Bundesregierung ins Leben gerufen. Er dient als Plattform für Regierungsvertreter aus der Region und der EU sowie für Institutionen und Organisationen um die Zusammenarbeit zu stärken und Reformen anzustoßen. Damit soll die regionale Kooperation gestärkt und die EU-Annäherung vorangetrieben werden.

Deutschland wichtiger bilateraler Geber

Beim Gipfel im Oktober 2023 in Tirana hat Bundeskanzler Olaf Scholz weitere finanzielle Hilfen zugesagt. Die Bundesrepublik unterstützt die Energiewende in der Region mit zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro. Außerdem gehen 73 Millionen Euro für Klimaprojekte nach Albanien. 

Die Bundesrepublik gehört schon heute zu den wichtigsten bilateralen Gebern in der Region. So hat Deutschland beispielsweise in Serbien seit dem Jahr 2000 in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit über 2,3 Milliarden Euro investiert. Seit 2021 steht vor allem die Grüne Agenda und damit der Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeffizienzmaßnahmen sowie die Transformation der Wirtschaft im Fokus. Die Bundesrepublik hat dazu auch Klimapartnerschaften ins Leben gerufen.

Regionale Konflikte verhindern gemeinsamen Markt

Als wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur EU-Integration steht regionale Kooperation. Der Berlin Prozess sieht einen gemeinsamen Markt, den Common Regional Market (CRM) für die sechs Länder vor. Darin enthalten sind freier Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Diese sind analog zu den Freiheiten im EU-Binnenmarkt. Die Umsetzung des gemeinsam Marktes könnte die Wirtschaftsleistung der Region laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um rund 10 Prozent heben.

Das gestaltet sich in der Region allerdings schwierig. Vor allem zwei Hauptkonflikte stehen im Fokus: Zwischen Serbien und Kosovo schwelt ein Dauerkonflikt. Kosovo hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Belgrad erkennt diese nicht an. Bosnien und Herzegowina wiederum ringt mit innenpolitischen Problemen. Die Republika Srpska, eine der beiden Entitäten, droht immer wieder sich vom Gesamtstaat abzuspalten. 

China, Russland und EU ringen um Einfluss

Zudem ist die Region geopolitisch umkämpft: China, Russland und die EU versuchen ihren Einfluss auf dem Westbalkan geltend zu machen. Erst im Oktober 2023 hat Serbien ein Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet und damit ein Zeichen gesetzt. Die EU versucht die Region wiederum über den Integrationsprozess an sich zu binden. Wirtschaftlich ist der Westbalkan eng mit der EU verflochten, vor allem mit der Bundesrepublik. Deutsche Unternehmen haben bislang rund 120.000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen, über 3,5 Milliarden Euro investiert und haben die Region in ihre Lieferketten integriert. Der Westbalkan wickelt rund 14 Prozent seines Außenhandels mit Deutschland ab.

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