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Branche kompakt | Argentinien | Ernährungswirtschaft

Markttrends

Die Zeichen stehen auf Marktöffnung, vorsichtiger Produktdifferenzierung und ausgewogenerer Ernährung - immer vorausgesetzt, dass es der Geldbeutel zulässt. Investiert wird wenig.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Entgegen der Politik der Importsubstitution der Vergangenheit hat die aktuelle Regierung begonnen, die Grenzen für importierte Nahrungsmittel zu öffnen. Sie will mit Hilfe günstigerer Einfuhren über mehr Konkurrenz die hohen Preise drücken und die lokale Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen. 

Zwar gibt der Handel die niedrigeren Importpreise bislang nur bedingt an die Endkunden weiter. Doch mittel- bis langfristig werden vor Ort neue heimische Anbieter in den Markt kommen und sich mehr Absatzchancen für Importwaren ergeben.

Milei hat es geschafft, die Stimmung in der Wirtschaft zu drehen. Deshalb ist jetzt der richtige Moment, um sich in Argentinien passende Partner zu suchen und sich in Position zu bringen, um bereit zu sein, wenn es in Argentinien wieder `losgeht´.

Panel-Statement auf der AHK-Veranstaltung "Vision 2025" in Buenos Aires im März 2025

Auch deutsche Nahrungsmittelimporte können profitieren 

Mit Ausnahme vielleicht von Buenos Aires sind Bier, Kekse oder andere Produkte deutscher Provenienz bislang kaum in den argentinischen Supermarktregalen zu finden – und wenn, dann zu prohibitiven Preisen. Dies spiegeln auch die Importzahlen wider. Laut Comtrade importierte Argentinien 2024 aus Deutschland gerade einmal Nahrungsmittel und Getränke für 34 Millionen US-Dollar (US$). Umgekehrt war der Warenstrom etwa zehnmal so groß.  

Generell hatten Branchenerzeugnisse aus dem Ausland angesichts von Finanzknappheit und Importrestriktionen einen schweren Stand: Insgesamt kamen 2024 lediglich Waren im Wert von knapp 2 Milliarden US$ ins Land; die Ausfuhr war etwa 13 Mal so groß. 

Zwar muss sich der Absatzmarkt für deutsche Waren erst entwickeln. Trotzdem haben einige deutsche Lebensmittelkonzerne die Vorgänge in Argentinien bereits aufmerksam im Blick.

9,3 %

soll der Umsatz des argentinischen Lebensmittelmarktes bis 2030 durchschnittlich jährlich wachsen.

Zugleich erhöht sich der Druck, speziell auf kleinere Firmen. Dabei liegen hinter der argentinischen Ernährungswirtschaft bereits schwierige Jahre. Bis zum Amtsantritt Mileis "strangulierten" Preiskontrollen die Margen; sogar von einem "toxischen Geschäftsklima“ spricht beispielsweise Juan Manuel Airoldes, Präsident des argentinischen Nudelverbands (Uifra). Somit war die nach Amtsantritt erfolgte Aufhebung der Preiskontrollen für die Branche eine enorme Erleichterung. 

Hoffnung für Verbraucher

Die letzten beiden Rezessionsjahre hatten dazu geführt, dass viele Menschen den Gürtel buchstäblich enger schnallen mussten. Besonders schmerzte der Verzicht auf das geliebte "Asado“ mit Rindfleisch. Tatsächlich aßen die Argentinier 2024 das erste Mal in der Geschichte mehr preiswertes Hühnchen. Die Nachfrage nach Rindfleisch war auf dem niedrigsten Stand seit 28 Jahren (wobei Argentinien beim Fleischkonsum pro Kopf nach wie vor weltweit auf Rang 2 lag). 

Vor diesem Hintergrund belief sich der Umsatz mit Lebensmitteln auf Einzelhandelsbasis 2024 auf schätzungsweise 58,9 Milliarden US-Dollar (US$), recherchierten Verax Consultores. 

Mit Ende der Rezession wächst auch die inländische Kaufkraft wieder. Laut Statista wird der Umsatz auf dem Lebensmittelmarkt 2025 auf knapp 63 Milliarden US$ zulegen.

Geschätzter Umsatz mit Lebensmittel in Argentinien 2024Preise auf Einzelhandelsbasis in Milliarden US-Dollar; Anteile in Prozent
Kategorie

Wert

Anteil

Frische Lebensmittel

29,0

49,2

Kochzutaten und Fertigmahlzeiten 1)

2,2

3,7

Molkereiprodukte und -alternativen

8,2

13,9

Grundnahrungsmittel ("staple food") 2)

13,7

23,6

Snacks 3)

5,8

9,8

Gesamt

58,9

100 4)

1 Speiseöle, Fertigsoßen/ -dips, Fertiggerichte/-suppen, Gewürze, süße Brotaufstriche; 2 Backwaren, Müsli, weiterverarbeitete Früchte/Gemüse, Fleisch/Fisch weiterverarbeitet, Reis, Nudeln; 3 Süßwaren; herzhafte Snacks; 4 Abweichung durch Rundung.Quelle: Verax Consultores 2025

Es gibt alles - bei geringer Auswahl 

Laut dem nationalen Institut für Statistik und Volkszählung in Argentinien (Instituto Nacional de Estadística y Censos; INDEC) ist im großen Massenmarkt angesichts einer Armutsquote von 38,1 Prozent (2. Halbjahr 2024) und um 18 bis 25 Prozent gesunkenen Haushaltseinkommen im Jahr 2024 vor allem der Preis kaufentscheidend. Selbst Gutverdiener achten inzwischen auf Sonderangebote und kaufen nicht mehr frei nach Gusto.

Die Lebensmittelfirmen tragen dem Rechnung, indem sie Produktlinien in verschiedenen Preiskategorien sowie in kleineren Verpackungsgrößen anbieten. Darüber hinaus haben viele ihr Angebot auf wenige Basisprodukte "eingedampft". Vor den Krisendekaden habe es zum Beispiel noch eine deutlich größere Auswahl von Milch- und Molkereiprodukten gegeben, erinnert sich Kristian Lerche Nielsen von der dänischen Molkerei Arla Foods Ingredients. Denn nicht nur für Käufer ist Argentinien teuer – das Gleiche gilt für die Produzenten angesichts der zahlreichen Ineffizienzen im System wie bürokratische Prozesse, hohe Arbeitskosten und ein inflexibles Arbeitsrecht. 

Das Angebot wird sich auffächern

Mit dem Wirtschaftsaufschwung sollte daher als Nächstes eine Differenzierung der Produktpalette einhergehen. So ist der Verkauf günstiger Nudeln laut Uifra seit der Pandemie ganz erheblich nach oben gegangen. Für die Firmen rechnen sich diese nur über die Masse. Für qualitativ hochwertige Nudeln etwa in besonderen Geschmacksrichtungen, ohne Gluten oder aus Vollkorn ist der Markt noch sehr klein. Abgedeckt werden Spezialitäten in der Regel von Nischenanbietern und nicht von großen, eher unflexiblen Firmen. Doch diese Nischen wachsen. Ähnliche Entwicklungen gibt es in vielen Segmenten des Lebensmittelsektors. 

Generell lasse sich ein Trend zu mehr ausgewogener Ernährung feststellen, speziell unter jüngeren Menschen, meint Daniel Urcia vom Instituto de Promoción de la Carne Vacuna (IPCVA), einer Organisation, die sich der Förderung und Vermarktung von argentinischem Rindfleisch widmet. Dazu trägt auch die seit 2022 bestehende Pflicht bei, Lebensmittelpackungen mit hohem Sodium-, Zucker-, Fett- sowie Kaloriengehalt zu kennzeichnen. Dagegen spielen Themen wie umweltfreundliche Verpackungen, fairer Handel, Tierwohl oder Bio nur eine nachgeordnete Rolle. Nur 5 Prozent bis 6 Prozent der Bevölkerung ernähren sich vegan oder vegetarisch, schätzt Urcia. 

Investitionen müssen noch warten

Große Neuinvestitionen sind vorerst nicht zu erwarten. In vielen Fabriken sind die Maschinen nicht ausgelastet – und nach wie vor ist es für die eher kleinen und mittelgroßen Unternehmen aus dem Lebensmittelsektor schwierig bis unmöglich, zu akzeptablen Zinsen Bankkredite zu erhalten. Hinzu kommt die fehlende Planungssicherheit sowohl im In- als auch im Auslandsgeschäft.

Das heißt aber nicht, dass es keine Ausnahmen gäbe. Beispielsweise werden Branchenangaben zufolge derzeit Brotbacköfen verstärkt nachgefragt. Hintergrund ist der Trend zu glutenfreien Produkten – weshalb immer mehr Firmen eine Zweitlinie brauchen. Besonders Firmen aus dem formellen Sektor klagen über hohe Arbeitskosten und ein inflexibles Arbeitsrecht. Vor diesem Hintergrund ist allgemein mit einem gewissen Mechanisierungs- und Automatisierungsschub zu rechnen. 

Außerdem gäbe es, so ein Branchenvertreter, noch viel Luft nach oben in Richtung nachhaltige Produktion und Minderung des Kohlendioxidausstoßes. Doch ohne Druck von außen dürfte sich daran wenig ändern.

Fallbeispiel Arla Foods Ingredients: Molkereikonzern investiert in Trockenturm 

2024 begann der dänische Molkereikonzern Arla Foods Ingredients in Porteña/Córdoba mit dem Bau eines dritten Trockenturms. Die Erweiterung kostet laut La Nación zwischen 50 Millionen und 60 Millionen US$. Lieferant ist ein Molkereitechnologieanbieter aus den USA. 

Die Anlage zur Herstellung von Molkepermeatpulver, einem Nebenprodukt der Käseherstellung und der Gewinnung von Proteinkonzentraten aus Molke, soll 2026 fertig sein. Ziel ist es, die wachsende Nachfrage nach dieser Zutat in der Lebensmittelindustrie zu bedienen. Arla beliefert nicht nur den argentinischen Markt, sondern exportiert vor allem auch Richtung Brasilien.

 

Traditionell kamen für die argentinische Ernährungswirtschaft aus dem Export immer wieder positive Impulse. Doch angesichts der gegenwärtigen weltpolitischen Achterbahn ist selbst diese Auslandsnachfrage keine sichere Bank mehr. Dies zeigte sich etwa jüngst anhand Chinas vorübergehenden Stopp für Rindfleischimporte unter anderem aus Argentinien. "Und was würde etwa passieren, wenn sich Lula und Milei derart zerstreiten, dass Brasilien seine Tore für argentinische Produkte schließt? "Ausschließen lässt sich doch heutzutage gar nichts mehr", fragt sich ein besorgter Firmenvertreter. 

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