Wirtschaftsausblick I Aserbaidschan
Wirtschaft Aserbaidschans soll 2025 weniger stark wachsen
Die Wirtschaft legt 2025 und 2026 durchschnittlich um gut 3 Prozent zu. Impulse liefern Dienstleistungen sowie Bau- und Agrarsektor. Hausgemachte Probleme verhindern mehr Wachstum.
07.05.2025
Von Uwe Strohbach | Baku
Top-Thema: Aserbaidschan nimmt Kurs auf Ökostrom
Aserbaidschan springt bei der Nutzung erneuerbarer Energien spät auf den Zug auf. Dafür geht es jetzt umso schneller. Im Jahr 2023 ging der erste 230 Megawatt starke Solarpark in Betrieb. Ab 2027 sollen weitere acht Photovoltaik- und Windparks mit einer installierten Leistung von 1,9 Gigawatt ihren Strom ins Netz einspeisen. Die Investitionen betragen 2,8 Milliarden US-Dollar (US$). Internationale Geber unterstützen die Projekte finanziell.
Der Anteil von Wind, Sonne, Wasserkraft & Co. an der Stromerzeugung soll bis 2030 auf 35 Prozent steigen, gegenüber heute 20 Prozent. Dafür will das Land Anlagen für die Erzeugung grünen Stroms mit einer Gesamtleistung von bis zu 10 Gigawatt errichten.
Wirtschaftsentwicklung: Reformdefizite verhindern stärkeres Wachstum
Der Internationale Währungsfonds und Fitch Ratings erwarten für 2025 ein reales Wirtschaftswachstum von 3,0 bis 3,5 Prozent. Ähnlich lauten die Prognosen der Regierung und der Zentralbank, die von einem Plus von 3,3 bis 3,5 Prozent ausgehen. Im Folgejahr dürfte der Anstieg des Bruttoinlandsproduktes kaum die Marke von 2,5 Prozent übertreffen.
Beiträge zum Wachstum liefern ausschließlich Branchen außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft. Hauptmotoren sind die Dienstleistungssektoren IKT, Transport und Handel. Auch die Landwirtschaft und das Baugewerbe stützen die Konjunktur.
Schwieriges Geschäftsumfeld hemmt das Wachstumstempo
Die wirtschaftliche Situation entspricht nicht dem vorhandenen Entwicklungspotenzial des Landes. Schwierige Rahmenbedingungen für private Unternehmen, Staatsdominanz und Monopolstrukturen, eine ausgeprägte Schattenwirtschaft, Defizite im Justizwesen und eine hohe Korruption behindern einen fairen Wettbewerb.
Doch es gibt auch Verbesserungen im unternehmerischen Umfeld. Defiziten in den Bereichen Wettbewerbs- und Eigentumsrecht sowie auf dem Arbeitsmarkt begegnet die Regierung mit gesetzlichen Regelungen, die sich an internationale Standards anlehnen. Privatunternehmen werden stärker als bisher gefördert. Außerdem laufen Vorbereitungen für den Verkauf staatlicher Aktienpakete.
In Aserbaidschan wird zu wenig investiert
Die aktuelle und mittelfristige Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen bleibt hinter den früheren Prognosen der Regierung zurück. Entsprechend dürften sie auch 2025 und 2026 nur unwesentlich über dem für 2024 ausgewiesen Betrag von 12,6 Milliarden US$ liegen.
Die Investitionsquote fällt im internationalen Vergleich sehr niedrig aus. Der markante Einbruch des Investitionsgeschehens im Zeitraum 2016 bis 2021 um durchschnittlich 5 Prozent pro Jahr hallt weiter nach. Der reale Zuwachs, der 2022 und 2023 erzielt wurde, fiel noch zu gering aus, um den Rückgang ausgleichen zu können.
Eine vergleichsweise rege Investitionstätigkeit vermelden die Sektoren Dienstleistungen und Bau. Demgegenüber halten sich die Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und in der Landwirtschaft weiterhin zurück. Mehr als 70 Prozent aller Investitionen fließen 2025 und 2026 in Bau- und Montagearbeiten. Der Rest ist für die Öl- und Gaswirtschaft bestimmt. Der Staat investiert weiterhin hauptsächlich in den Regionen Karabach und Ost-Sangesur in den Wiederaufbau.
Private Verbraucher bleiben zurückhaltend
Der Einzelhandel wird 2025 und 2026 voraussichtlich um jeweils real 3 Prozent zulegen. Die offiziell verkündeten Zahlen berücksichtigen die tatsächliche Inflation aber nur unzureichend. Unabhängigen Ökonomen zufolge liegt die Teuerungsrate vieler Erzeugnisse höher als die amtlich ermittelte. Folglich ergeben sich keine oder kaum reale Zuwächse.
Die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Handel lagen 2024 bei bescheidenen 300 US$. Insbesondere die Aufwendungen für Nahrungsmittel nehmen seit einigen Jahren wieder zu. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben für Konsumzwecke erreichten 2024 hohe 55 Prozent. Textilien, Bekleidung und Schuhe machten knapp ein Drittel der Ausgaben für Non-Food-Güter aus.
Einige Verbraucher können sich im öl- und gasreichen Aserbaidschan, vor allem in der Hauptstadt Baku, weiterhin teure Importprodukte leisten. Das Gros der Bevölkerung muss hingegen mit Einnahmen auskommen, die kaum das seit Anfang Januar 2025 amtlich festgelegte Existenzminimum von 168 US$ erreichen.
Importe stagnieren preisbereinigt
Die Einfuhren Aserbaidschans dürften 2025 voraussichtlich erneut real leicht zulegen. Hauptimportgüter sind Maschinen, mechanische Geräte, Elektromaschinen und elektrotechnische Waren. Es folgen Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör.
Der Export hängt stark von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe ab. Öl, Gas und Ölprodukte machten 2024 hohe 87 Prozent der aserbaidschanischen Ausfuhren aus. Sinkende Preise schmälerten 2023 und 2024 die Erlöse aus dem Öl- und Gasverkauf recht deutlich. Für 2025 werden stagnierende oder leicht steigende Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Energieträger erwartet.
Die übrigen Exporte dürften mit schätzungsweise 3,5 Milliarden US$ auch 2025 recht bescheiden ausfallen. Ins Ausland werden hauptsächlich Agrargüter, Lebensmittel, synthetische Polymere, chemische Erzeugnisse sowie Aluminiumprodukte verkauft.
Deutsche Perspektive: Lieferchancen bleiben überschaubar
Deutschland importiert aus Aserbaidschan fast nur Rohöl, 2023 und 2024 waren es jeweils 1,2 Millionen Tonnen. Unter den übrigen deutschen Importen sind noch größere Mengen Haselnüsse erwähnenswert.
Die deutschen Lieferungen umfassen vorrangig Fahrzeuge, Erzeugnisse des Maschinenbaus, Landtechnik und Elektrotechnik. Hinzu kommen Arzneimittel, chemische Erzeugnisse und Lebensmittel.
Mit zusätzlichen Geschäftschancen winkt vor allem der Energiesektor. Dort zeichnet sich eine stärkere Hinwendung zu erneuerbaren Energien ab. Auch schreitet die Modernisierung der bestehenden Infrastruktur zur Stromerzeugung, -übertragung und -verteilung voran. Außerdem nehmen der Ausbau des Bahnnetzes sowie die Entwicklung neuer Logistikzentren stärker an Fahrt auf.