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Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen

Energieeffizienz und Bauindustrialisierung eröffnen neue Perspektiven für deutsche Anbieter. Doch die Bevölkerung ist beim Bau nicht sehr innovationsoffen.

Von Gloria Rose | São Paulo

Herkömmlicher Bau orientiert sich stark am Preis

Anders als bei vielen Konsumgütern sind die Brasilianer im Wohnungsbau traditionell sehr konservativ. Beispielhaft ist der kontinuierliche Erfolg der großen Baukonzerne, die seit Jahrzehnten kaum in der Architektur variieren und sehr kostenorientiert bauen. Trends zu neuen Baustoffen oder sogar Bauweisen entwickeln sich nur sehr langsam - selbst wenn sie Kostenvorteile eröffnen. Dies erklärt mitunter die sehr langsame Marktdurchdringung von Kunststoffrahmen bei Fenstern, die deutsche Fabrikanten seit Jahren nach und nach vorantreiben.

Energieeffizienz spielt bislang keine große Rolle

Globale Trends zu energieeffizienten Gebäuden und umweltbewusstem Bauen schlagen sich somit weniger intensiv in der Marktnachfrage nieder. Auch die Zertifizierungen über das Programa Brasileiro de Etiquetagem em Eficiência Energética (PBE Edifica) und LEED des U.S. Green Building Council setzen nur sehr limitierte Anreize. Energieeffizienz gewinnt jedoch durch die stark gestiegenen Stromtarife an Stellenwert und stimuliert den Absatz moderner Klimaanlagen sowie das Aufkommen von Automatisierungstechnik. 

Mit Unterstützung der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entstand die Plattform SIDAC, über die der CO₂-Fußabdruck von Bauprojekten berechnet werden kann. Das Informationssystem steckt noch in den Kinderschuhen und wird von Brasiliens Energieministerium koordiniert.

Förderkredite für Energieeffizienz gehen zurück

Spezialisierte Dienstleistungsunternehmen für Energieeinsparungen bieten Energy Performance Contracting (EPC) an. Diese sogenannten Empresas de Serviços de Conservação de Energia (ESCO) stellen interessante Vertriebskanäle für deutsche Technologien und Baulösungen dar. Der Branchenverband Abesco zählt etwa 25 Dienstleister. Gefördert werden Energieeffizienzprojekte über besondere Kreditlinien zur zinsgünstigen Finanzierung. Über das Programa de Eficiência Energética (PEE) der Stromregulierungsbehörde ANEEL steht ab Ende 2022 jedoch nur noch ein Drittel der bisherigen Mittel zur Verfügung. Abesco erwartet, dass der Markt für Energieeffizienzdienstleister dementsprechend stark schrumpfen wird.

Trend zu Industrialisierung und Holzbauweisen

In Bezug auf qualitativ hochwertige Baustoffe und -techniken weist Brasilien einen großen Nachholbedarf auf, insbesondere bei der Mechanisierung und Automatisierung der Bauausführung. Sowohl Architekten und Ingenieure als auch die Behörden halten bislang an sehr arbeitsintensiven Verfahren fest. Immerhin registrieren der Verband für industrielles Bauen mit Betonfertigteilen, Abcic, sowie Hersteller im Stahlskelettbau einen zunehmenden Wachstumstrend. Laut Abcic macht das industrielle Bauen maximal 10 Prozent des brasilianischen Marktes aus. Immer mehr Unternehmen leisten Überzeugungsarbeit, darunter einige ConstruTechs.

Gebäudedatenmodellierung kommt langsam auf

Erhebungen lassen darauf schließen, dass bislang nur ein Viertel der Unternehmen digitale Technologien nutzt. Brasiliens Regierung stimuliert die Digitalisierung des Sektors seit 2018 über die Strategie BIM BR, die Ziele und Fristen zur Gebäudedatenmodellierung festlegt. Demnach sollen ab 2024 alle Bauprojekte BIM (Building Information Modeling) einsetzen und ab 2028 alle Bauleistungen über BIM abgebildet werden. Zurzeit nutzen jedoch nur 9 Prozent der Bauunternehmen BIM routinemäßig, schätzt der Verband für Industrieentwicklung ABDI.

Neuer Rechtsrahmen stimuliert den Holzrahmenbau

Trotz der hochproduktiven Forstwirtschaft findet Holz nur wenig Beachtung in der Bauwirtschaft Brasiliens. Das Aufkommen der Baulösung "WoodFrame" lässt die Nachfrage aber allmählich steigen. Für eine Marktdurchdringung dieser Baumethode fehlte lange ein staatlich anerkannter Standard. Nach einer fünfjährigen Ausarbeitungsphase veröffentlichte Brasiliens Normierungsbehörde im Mai 2021 die Norm für den Holzrahmenbau: ABNT NBR 16.936. Eine weitere Hürde stellt jedoch die Besteuerung dar, die den Fertigbau verteuert.

Der Bauträger Construtora Tenda setzt mit seinem Start-up Alea auf den Holzrahmenbau. Im Jahr 2022 baute Alea 400 Wohneinheiten. Ab 2026 will das Unternehmen 10.000 Einheiten pro Jahr errichten. Dabei ermöglicht die Produktionsanlage in Jaguariúna (São Paulo) den Bau von Häusern in einem Umkreis von bis zu 1.000 Kilometern. Wachsenden Erfolg mit modularen Holzbausystemen verzeichnet auch Tecverde. Das brasilianische Jungunternehmen nutzt deutsche Maschinentechnologie und will in den kommenden vier Jahren zwei neue Fabriken errichten. 

Der Baukonzern HTB (bis 2016 noch Hochtief do Brasil) der deutschen Zech-Gruppe entwickelte unter dem Namen "HTB eWOOD" ein modulares System für den Holz-Hybrid-Bau. Dabei wird pro Kubikmeter Holz 1 Tonne CO₂ gebunden. Das Start-up Urbem nahm im 2. Halbjahr 2022 seine eigene Fabrik in Almirante Tamandaré (Paraná) in Betrieb. Das Holz stammt aus aufgeforsteten Kiefernwäldern. Mit dem System von Urbem errichtet Noah Tech in der Wirtschaftsmetropole São Paulo bis Ende 2023 ein elfstöckiges Holz-Hybrid-Hochhaus.

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