Branchen | Brasilien | Pharma, Biotechnologie
Marktentwicklungen und -trends
Der Einzelhandel verzeichnet zweistellige Umsatzsteigerungen. Unter der Regierung Lula dürften auch die öffentlichen Ausgaben wieder zulegen.
03.03.2023
Von Gloria Rose | São Paulo
Hervorragende Aussichten
Das Marktforschungsinstitut IQVIA hat in einer weltweiten Studie festgestellt, dass Lateinamerika zu den Regionen gehört, die in den kommenden fünf Jahren das stärkste Marktwachstum aufweisen werden. Brasilien ist aufgrund seiner schnell alternden Bevölkerung und der Marktgröße einer der bedeutendsten Wachstumstreiber. Durch den globalen Trend zur Diversifizierung von Lieferketten eröffnen sich neue Chancen für deutsche Unternehmen. Schließlich importiert die lokale Pharmaindustrie etwa 95 Prozent der Wirkstoffe, hauptsächlich aus China und Indien.
Zweistellige Umsatzsteigerung ist die Regel
Nach einem Einbruch in der Coronakrise erholte sich der Verkauf im Jahr 2021 und steigt seitdem wieder an. IQVIA berechnete im Auftrag des brasilianischen Branchenverbands Sindusfarma für das Jahr 2022 einen Einzelhandelsumsatz von 33,1 Milliarden US-Dollar (US$) - 23 Prozent mehr als im Vorjahr. In der Landeswährung Real (R$) entspricht dies einem Wachstum von etwa 18 Prozent. Das Marktforschungsinstitut erwartet für die kommenden fünf Jahre Umsatzsteigerungen in Höhe von 9 bis 12 Prozent. Die intensivsten Wachstumsimpulse prognostiziert IQVIA für den Einzelhandel.
Laut IQVIA ist Brasilien der achtgrößte Markt weltweit, hinter den USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Italien. Die wachsende und rasch alternde Bevölkerung und die Zunahme chronischer Krankheiten führen zu einem weiterhin stark steigenden Medikamentenbedarf. Demnach dürfte das Land innerhalb der kommenden fünf Jahre auf den sechsten Rang aufsteigen.
Staatliche Nachfrage nimmt wieder deutlich zu
Seit dem Jahr 2018 stiegen die staatlichen Ausgaben für Medikamente kräftig an. Ohne eine Berücksichtigung der Impfstoffe lässt sich jedoch ein leichter Rückgang feststellen. Im vergangenen Jahr kürzte die Regierung das Budget für den kostenfreien oder vergünstigten Vertrieb von Arzneimitteln drastisch. Unter Präsident Lula soll dem Programm Farmácia Popular für 2023 jedoch nun ein Rekordwert von nahezu 600 Millionen US$ zur Verfügung stehen.
Generikatrend setzt sich fort
Eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2021 verkürzte die Patentfrist und stimuliert das Angebot. Aufgrund der geringeren Kaufkraft und der steigenden Medikamentenpreise werden Generika immer häufiger bevorzugt. Dadurch sieht sich der Branchenverband PróGenéricos darin bestätigt, dass sich der Siegeszug der Nachahmerpräparate fortsetzen wird. Mengenmäßig machen Generika bislang nur 36 Prozent des Medikamentenverkaufs aus. In ausgereiften Märkten wie den USA und Deutschland sind es etwa 60 Prozent.
Die Nachfrage nach rezeptfreien Medikamenten (Over-the-Counter; OTC) wächst deutlich stärker als der Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten (Rx), deren Verpackungen mit einem roten Streifen beziehungsweise einem schwarzen Streifen für kontrollierte Substanzen gekennzeichnet sind. Je nach Bedarf aktualisiert die brasilianische Gesundheitsaufsicht Anvisa die Liste der rezeptfreien Arzneimittel.
Laut der Marktstudie Outlook 2022 des Marktforschungsinstituts Close-Up wuchs das OTC-Segment im Jahr 2022 um 30 Prozent. Überraschenderweise legte der Einzelhandelsumsatz mit Originalpräparaten doppelt so stark zu wie verschreibungspflichtige Biosimilars und Generika, die jeweils 8 Prozent mehr erwirtschafteten als im Vorjahr. Die Zahl der Verkäufe von Nicht-Medikamenten wie Kosmetika oder Vitaminen stieg um 7 Prozent.
Biopharmazeutika starten durch
Der hohe Bedarf an Impfstoff in der Coronakrise führte zu mehr Investitionen. Sowohl das Institut Bio-Manguinhos der Stiftung Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) im Bundesstaat Rio de Janeiro als auch das Institut Butantan der gleichnamigen Stiftung in São Paulo erweitern ihre Struktur. Bio-Manguinhos investiert über 600 Millionen US$ in den größten Biotechnologie-Komplex Lateinamerikas, Complexo Industrial de Biotecnologia em Saúde (CIBS). Butantan erhielt Ende 2022 die Finanzierungszusage der Interamerikanischen Entwicklungsbank IDB. Innerhalb der kommenden fünf Jahre entstehen zwei neue Fabriken, die die Produktionskapazität von Butantan verdreifachen. Das Projekt soll die Versorgung der lateinamerikanischen Nachbarn, aber auch afrikanischer Staaten sichern.
Noch in den Kinderschuhen wächst der Markt für Biopharmazeutika überdurchschnittlich stark. Seit der Markteinführung des allerersten Medikaments im Jahr 2016, ließ Anvisa bisher 37 Biosimilars in 11 verschiedenen Wirkstoffgruppen zu. Über Produktionspartnerschaften übernehmen Bio-Manguinhos und auch das Institut Butantan die Produktion von Biosimilars für die öffentliche Gesundheitsversorgung. Dabei dient das Programm Parcerias para o Desenvolvimento Produtivo (PDP) als wesentliches Förderinstrument für den Technologietransfer und den Aufbau der nationalen Biotechnologieproduktion. Im vergangenen Jahr schlossen die deutschen Hersteller Boehringer Ingelheim und Fresenius Kabi neue Verträge mit Bio-Manguinhos ab.
Akteur/Projekt | Investitionssumme 1) | Projektstand |
969 | Ankündigung im August 2021 | |
349 | Inbetriebnahme für 2024 geplant (1 Phase) | |
194 | Inbetriebnahme für 2027 geplant | |
194 | Inbetriebnahme für 3. Quartal 2023 geplant | |
Neue Arzneimittelfabrik in Montes Claros (Minas Gerais)/Laboratório Cristália | 58 | Inbetriebnahme für 2023 geplant |
Modernisierung des Werks in Aguaí (São Paulo), Erweiterung der Struktur der Einheit in Valinhos (São Paulo) und Bau eines neuen Distributionszentrums in Poços de Caldas (Minas Gerais)/Myralis | 17 | Ankündigung im August 2022 |
Neue Arzneimittelfabrik in Arapongas (Paraná)/Onofre | 15 | Inbetriebnahme für 2025 geplant |