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Rahmenbedingungen
Die strenge Preisregulierung, hohe Steuern und lange Bearbeitungszeiten gehören zu den Hauptkritikpunkten der Pharmaindustrie in Brasilien.
10.07.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Der Arzneimittelmarkt in Brasilien ist streng reguliert. Die Regulierungsbehörde des Pharmamarktes "Câmara de Regulação do Mercado de Medicamentos" (CMED) setzt für rund 5.500 regulierte Arzneimittel Preisobergrenzen für den Groß- und Einzelhandel fest. Einmal im Jahr, jeweils Anfang April, passt CMED diese Obergrenzen an. Die Höhe der Anpassung orientiert sich in der Regel an dem Verbraucherpreisindex IPCA.
Für 2025 hat CMED eine maximale Preisanpassung für regulierte Arzneimittel exakt in Höhe der Inflationsrate von 5,06 Prozent beschlossen. Dies ist jedoch nicht jedes Jahr der Fall. Beispielsweise gestand CMED dem Sektor 2024 nur relativ niedrige Preiserhöhungen zu. Die strenge Preisregulierung kann zum Problem werden, wenn die Produktionskosten deutlich schneller steigen als das Preisniveau insgesamt.
Um Herstellern mehr Planungssicherheit zu geben, diskutiert die Regierung eine Beschleunigung der Einfuhr medizinischer und pharmazeutischer Rohstoffe.
Auswirkungen der anstehenden Steuerreform
Im Jahr 2024 trieben höhere Umsatzsteuersätze in 15 Bundesstaaten die Arzneimittelpreise in die Höhe. Die Steuerreform, die Brasilien zwischen 2026 und 2033 etappenweise durchführt, wird die Steuerbelastung auf Arzneimittel deutlich reduzieren: 383 Medikamente werden von jeglicher Steuer befreit. Auf alle anderen Arzneimittel wird ein um 60 Prozent ermäßigter Umsatzsteuersatz erhoben. Das besagt das Gesetz 214/2025, das Präsident Lula da Silva im Januar 2025 verabschiedete.
Allerdings steht nicht fest, dass die Industrie die Begünstigungen in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben wird. Schließlich entfallen durch die Reform auch Steuervorteile, die der Sektor bislang in Anspruch nimmt. Doch die Unternehmen sparen auch dadurch Kosten, dass das neue System wesentlich einfacher und weniger arbeitsintensiv sein wird.
Vertrieb an das staatliche und private Gesundheitswesen
Brasiliens Pharmaindustrie erzielt rund drei Viertel des Umsatzes über Apotheken, Drogerien und den wachsenden Onlinehandel. Hier handelt die Pharmaindustrie mit den einzelnen Vertriebspartnern Preise aus. Ein Viertel der Verkäufe erfolgt direkt an das öffentliche Gesundheitswesen "Sistéma Único de Saúde" (SUS) sowie an private und gemeinnützige Gesundheitseinrichtungen.
SUS spielt eine große Rolle in Brasilien. Das Land mit seinen kontinentalen Ausmaßen ist der weltweit einzige Staat mit über 100 Millionen Einwohnern, der allen Bürgern eine kostenfreie Gesundheitsversorgung bietet. Die Lebensbedingungen in den 5.570 Städten und Gemeinden und auch die Erkrankungen variieren stark. Entsprechend groß ist die Herausforderung, eine gleichwertige Versorgung zu bieten.
Beschaffungen für das SUS verhandelt der Staat entweder direkt mit den Pharmaherstellern, beispielsweise im Rahmen der erwähnten öffentlich-privaten Produktionspartnerschaften ("Parcerias para o Desenvolvimento Produtivo" – PDP), oder er erwirbt Arzneimittel über öffentliche Ausschreibungen. Beim zentralisierten Medikamenteneinkauf kann das Gesundheitsministerium die höchsten Preisabschläge verhandeln. Doch nicht in jedem Falle ist die zentralisierte Beschaffung praktikabel. Vielfach schreiben auch die Bundesstaaten oder die Gemeinden ihren Medikamentenbedarf aus.
Im Gegensatz zum Staat kann das parallel existierende private Krankenversicherungssystem keine Verhandlungsmacht beim Arzneimittelkauf geltend machen, da die Versicherer selbst keine Medikamente beschaffen dürfen. Derzeit sind 52,2 Millionen Brasilianer bei einer der rund 700 Gesellschaften versichert. Direkt bezahlt werden Medikamente nur im Falle einer stationären Behandlung. Bestimmte Apothekenketten gewähren den privat Versicherten Ermäßigungen, die sie mit den Versicherern und der Industrie aushandeln. Dadurch unterscheiden sich die Preise für den Endverbraucher oft immens.
Behörden beschleunigen Verfahren
Bürokratische Engpässe verlangsamen die Anmeldung von Patenten in Brasilien. Bis zum Abschluss des Verfahrens braucht das Institut zum Schutz des gewerblichen Eigentums INPI im Durchschnitt 3,8 Jahre. Im Jahr 2024 warteten zeitgleich etwa 4.000 Pharmaprodukte auf ein anerkanntes Patent. Brasiliens Regierung sicherte im März 2025 Investitionen zu, um moderne IT-Systeme einzurichten und den Prozess der Patentanmeldung und -prüfung künftig in deutlich kürzerer Zeit abzuwickeln.
Brasiliens Gesundheitsaufsichtsbehörde Anvisa konnte die Wartezeiten bei der Marktzulassung von Medikamenten bereits zurückfahren und lange Warteschlangen reduzieren. Über die Verordnung RDC Nr. 954/2024 vom 20. Dezember 2024 baut Anvisa bürokratische Hürden ab, beschleunigt Genehmigungsprozesse und senkt dadurch die Kosten für neue Arzneimittelzulassungen.
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Rückverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit bei Medikamenten
Seit April 2022 müssen alle Arzneimittel serialisiert und über ein Track-and-Trace-System entlang der gesamten Lieferkette rückverfolgbar sein. Die Einführung des Überwachungssystems "Sistema Nacional de Controle de Medicamentos" (SNCM) per QR-Code ist jedoch immer noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Rückverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit bei Medikamenten liegt in der Verantwortung von Anvisa sowie aller Akteure vom Hersteller bis zu den Groß- und Einzelhändlern.
Die wichtigsten neuen Regelungen zum Arzneimittelmarkt in Brasilien bietet das Pharma Update Brasilien, der kostenlose Newsletterservice der Exportinitiative Gesundheitswirtschaft. Informationen zur Regulierung bietet auch die Reihe "So geht's... in Brasilien" der Auslandshandelskammer (AHK) São Paulo.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
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