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Tiefbau: Marktlage und -entwicklung
Die Infrastrukturinvestitionen wachsen zweistellig. Private Betreiberfirmen sind die wichtigsten Investoren. Im Jahr 2025 will die Regierung mehr als 110 Konzessionen vergeben.
27.05.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Der Ausbau der Infrastruktur bietet dem Bausektor in Brasilien vielversprechende Aussichten. Der Infrastrukturverband Abdib rechnet für 2025 mit einem Wachstum der Investitionen um 11 Prozent. Damit setzt sich der positive Trend von 2024 fort: Im vergangenen Jahr waren die Infrastrukturinvestitionen um 15 Prozent auf eine neue Rekordsumme von 48,1 Milliarden US-Dollar (US$) gestiegen. Dabei sind die Investitionen des Öl- und Gassektors nicht mit eingerechnet. Mehr als drei Viertel der Gelder stammte aus dem Privatsektor. Doch auch die staatlichen Ausgaben für Infrastruktur legen unter der Regierung von Präsident Lula wieder zu.
Private Investitionen treiben den Infrastrukturausbau voran
Die Stimmung im Tiefbau ist positiv. Mehr als die Hälfte der Branchenvertreter erwartet für das 1. Halbjahr 2025 einen Anstieg der Investitionen. Das geht aus der halbjährlichen Umfrage "Infrastrukturbarometer" der Unternehmensberatung EY hervor. Auch darüber hinaus stehen die Zeichen auf Wachstum. Die Regierung kündigte Anfang 2025 an, im Laufe des Jahres mehr als 110 Projekte an Betreibergesellschaften vergeben zu wollen. Um die Nachfragerisiken für die Konzessionäre besser berücksichtigen zu können, geht der Trend dabei zu kleineren Projekten.
Seit 2016 vergibt Brasilien Projekte im Rahmen des "Programa de Parceira de Investimentos" (PPI) an private Betreiber. Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen kontinuierlich verbessert. Die Rechtssicherheit und die Attraktivität für Investoren ist gestiegen. Neue Richtlinien lassen Schiedsverfahren für alle Segmente der Transportinfrastruktur sowie die freiwillige Rückgabe und Neuvergabe von Konzessionen zu.
Konzessionen und öffentlich-private Projekte (PPP) sind eine wichtige Säule des ehrgeizigen Investitionsprogramms PAC (Programa de Aceleração do Crescimento), das die Regierung Mitte 2023 auflegte. Dazu kommen staatliche Infrastrukturausgaben auf allen föderalen Ebenen sowie die Projekte, die durch staatliche und halbstaatliche Unternehmen durchgeführt und finanziert werden, allen voran durch den Ölkonzern Petrobras. Petrobras hob in seinem Ende 2024 veröffentlichten Entwicklungsplan 2025 bis 2029 die Höhe der geplanten Investitionen um 9 Prozent auf 111 Milliarden US$ an.
Dagegen haben die Erwartungen an das Investitionsprogramm PAC nachgelassen. Die Vergabe von Konzessionen und PPP erfolgt langsamer als angekündigt. Außerdem stockt die Fertigstellung der ruhenden Baustellen, die Lula über das Programm Mãos à Obra ankurbeln will. Die zunehmende Unsicherheit in Bezug auf die Konjunktur und die Staatsfinanzen sowie die steigenden Zinsen stellen den Sektor 2025 vor Herausforderungen. Die Grundstimmung bleibt dennoch überwiegend zuversichtlich.
Finanzierung durch Infrastrukturanleihen und BNDES
Die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte erfolgt in Brasilien größtenteils über steuerbegünstigte Anleihen. Allein 2024 wurden Infrastrukturanleihen im Wert von 24,6 Milliarden US$ ausgegeben, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Unter Lula gewinnt die Entwicklungsbank BNDES wieder an Bedeutung als Kapitalgeber.
BNDES trägt wesentlich zum Infrastrukturausbau bei. Als eine Art Projektfabrik strukturiert die Bank attraktive Projekte für das Portfolio des PPI-Programms. In drei Abteilungen arbeiten mehr als 200 technische Fachkräfte neue Vorhaben aus. Über das Onlineportal ProjectsHub können sich potenzielle Investoren direkt über die Projektausarbeitung informieren und Partner für Konsortien finden.
Auch die Bundesstaaten und Gemeinden gehen immer mehr Partnerschaften mit privaten Betreibern ein und nutzen dafür die BNDES-Plattform. Laut Infrastrukturverband Abdib, der eine eigene Projektplattform anbietet, befanden sich im Januar 2025 nahezu 500 Projekte in der Pipeline: 373 Projekte auf Ebene der Bundesstaaten und Gemeinden sowie 122 Projekte auf Ebene der Zentralregierung. Über diese Vorhaben könnten insgesamt 139 Milliarden US$ an Infrastrukturinvestitionen mobilisiert werden.
São Paulo schreitet mit großen Schritten voran
Die Wahl von Tarcísio de Freitas zum neuen Gouverneur São Paulos begünstigt private Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundesstaates. Der ehemalige Infrastrukturminister brachte bei seinem Amtsantritt 2023 nicht nur eigenes Know-how mit, sondern auch die technischen Fachkräfte aus der Regierung von Ex-Präsident Bolsonaro.
Im Jahr 2024 gelang der Regierung die Vergabe der Intercity-Zugstrecke zwischen Campinas und São Paulo sowie die Privatisierung von Sabesp, dem größten Wasserkonzern Lateinamerikas. Insgesamt neun Projekte vergab der Bundesstaat 2024. Für 2025 ist die Versteigerung von neun weiteren Projekten mit einem Investitionsumfang von 9,3 Milliarden US$ vorgesehen, darunter die Konzession für den Bau eines Unterwassertunnels zwischen Santos und Guarujá sowie mehrere Projekte für den Schienennahverkehr. Dies geht aus dem Programm für Investitionspartnerschaften São Paulos hervor.
Auch andere Bundesstaaten wie Minas Gerais, Paraná, Rio Grande do Sul und Mato Grosso do Sul profilieren sich durch eine transparente Vergabe und gut strukturierte Projekte.
Hoher Nachholbedarf bei der Transportinfrastruktur
Trotz der steigenden Ausgaben bleiben die Infrastrukturinvestitionen in Brasilien hinter dem Bedarf zurück. Laut einer Prognose des Infrastrukturverbands Abdib wird das Land 2025 bis 2029 weniger als halb so viel in die Infrastruktur investieren wie nötig.
Die Wasserwirtschaft sticht positiv hervor. Dank der zunehmenden Privatisierung legen die Investitionen in den Sektor besonders stark zu. Auch die Investitionen in Autobahnen, Häfen und urbane Mobilität steigen kräftig, so die Daten von Abdib.
Brasiliens Telekommunikationssektor ist seit Jahrzehnten fast vollständig in privater Hand. Auch im Stromsektor ist die Privatisierung in allen drei Teilbereichen Erzeugung, Übertragung und Verteilung weit fortgeschritten. In beiden Sektoren führen private Investoren umfangreiche Investitionen durch. Dennoch sieht Abdib im Telekommunikationssektor Defizite.
Sektor | Prognostizierte Investitionen 2024 bis 2028 1) | Prognostizierte Investitionen 2025 bis 2029 2) | Veränderung 3) |
---|---|---|---|
Autobahnen | 14,0 | 21,6 | 66,7 |
Schienen | 9,6 | 8,6 | -2,9 |
Häfen | 3,1 | 4,0 | 36,5 |
Flughäfen | 1,8 | 1,8 | 4,4 |
Urbane Mobilität | 4,0 | 5,0 | 33,8 |
Wasser- und Abfallwirtschaft 4) | 11,6 | 26,6 | 147,8 |
Soziale Infrastruktur (öffentliche Verwaltung, Bildung, Gesundheit etc.) | 1,5 | 1,5 | 12,2 |
Insgesamt | 45,6 | 69,1 | 63,4 |