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Tiefbau: Marktlage und -entwicklung

Brasiliens Infrastrukturausbau erfolgt hauptsächlich über private Investoren. Unter Lula steigen die staatlichen Infrastrukturausgaben wieder an.

Von Gloria Rose | São Paulo

Private Investitionen in den Infrastrukturausbau

Wie seine Vorgänger Michel Temer und Jair Bolsonaro setzt auch Präsident Lula da Silva auf das Programm privater Investitionspartnerschaften. Allerdings nahm die neue Regierung Abstand von weiteren Privatisierungen staatlicher Unternehmen. Über das Programa de Parceira de Investimentos (PPI) strukturiert die Regierung Projekte für den Infrastrukturausbau und versteigert diese an große Betreibergesellschaften und Konsortien. Im Jahr 2022 wurden 48 Projekte vergeben, die Investitionen im Umfang von mehr als 18 Milliarden US-Dollar (US$) anstoßen. Zu den bedeutendsten zählen die Privatisierung von Eletrobras, dem größten Stromkonzern Lateinamerikas, und die Konzessionierung von 22 Flughäfen. Für das Jahr 2023 befinden sich 141 Projekte mit einem Investitionsvolumen von etwa 45 Milliarden US$ in der Pipeline. Neben der Bundesregierung gehen auch die Bundesstaaten und Städte immer mehr Partnerschaften mit privaten Infrastrukturbetreibern ein.

Neue Regierung verdreifacht die staatlichen Ausgaben

Im Jahr 2022 tätigten private Unternehmen mehr als 80 Prozent der Infrastrukturinvestitionen des Landes. Zukünftig soll dem Staat wieder eine größere Bedeutung zukommen. Somit erhöhte die neue Regierung die staatlichen Infrastrukturausgaben. Das Budget wurde in den vergangenen Jahren ausgehöhlt und erreichte 2022 den tiefsten Stand seit 17 Jahren. Der Nachholbedarf ist entsprechend groß. Allein im Jahr 2023 plant die neue Regierung mit knapp 4,5 Milliarden US$ mehr Mittel bereitzustellen, als die Vorgängerregierung im Laufe ihrer vierjährigen Amtszeit.

São Paulo erwartet starken Infrastrukturausbau

Die Wahl von Tarcísio de Freitas zum neuen Gouverneur São Paulos begünstigt private Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundesstaats. Der ehemalige Infrastrukturminister brachte nicht nur eigenes Know-how, sondern auch die technischen Fachkräfte aus der Regierung unter Präsident Bolsonaro mit. In den ersten 100 Tagen kündigte der Gouverneur 15 Projekte mit einem Investitionsumfang von knapp 35 Milliarden US$ an, die an private Investoren vergeben werden sollen. Anfang 2024 oder im Jahr 2025 will die bundesstaatliche Regierung die Privatisierung des größten Versorgerkonzerns Lateinamerikas Sabesp durchsetzen. 

Entwicklungsbank soll wieder mehr Gewicht erhalten

Infolge der anhaltend hohen Zinsen sollen die Bruttoanlageinvestitionen in diesem Jahr stagnieren. Das erwartete die brasilianische Zentralbank Ende März 2023. Dennoch bestehen gute Aussichten für PPI-Projekte. Seit der Einführung des Programms im Jahr 2016 gewannen die Infrastrukturkonzessionen zunehmend an Attraktivität. Neue Richtlinien lassen Schiedsverfahren für alle Segmente der Transportinfrastruktur sowie die freiwillige Rückgabe und Neuvergabe von Konzessionen zu. Im Kongress werden weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen debattiert.

Für die Erweiterung des Portfolios mit attraktiven Projekten setzt die Regierung auf die brasilianische Entwicklungsbank BNDES (Banco Nacional de Desenvolvimento Econômico e Social), die als eine Art "Projektfabrik" fungiert. In drei Abteilungen arbeiten über 200 technische Fachkräfte strukturierte Projekte aus. Über ein Onlineportal können sich potenzielle Investoren direkt über die Projektausarbeitung informieren und Partner für Konsortien finden.

Unter Präsident Bolsonaro zog sich BNDES als Kapitalgeber zurück und finanziert heute nur noch Projekte, die keine Finanzierung über den Kapitalmarkt erhalten. Die brasilianische Entwicklungsbank ergänzt somit nur noch das private Kapitalangebot. Zur Finanzierung von Großprojekten sollen hauptsächlich Infrastrukturanleihen dienen, die steuerlich begünstigt werden. Die Regierung beschleunigte das Genehmigungsverfahren und hoffte durch den Gesetzesvorschlag PL 2.646/2020 Investmentfonds und ausländische Anleger zu mobilisieren. Große Erwartungen liegen auch auf der Strukturierung von Projekten, die ESG-Kriterien erfüllen und somit nachhaltige Finanzierung in Anspruch nehmen können. Unter der neuen Regierung Lula kann sich der Trend umkehren. Aloizio Mercadante, der neue Präsident von BNDES, kündigte an, die Kreditvergabe der Entwicklungsbank bis 2026 zu verdoppeln, um eine Industrialisierung des Landes zu finanzieren, die auf erneuerbaren Energien und Nachhaltigkeit basiert.

Hoher Rückstand der Wasserwirtschaft und Transportinfrastruktur

Brasiliens Telekommunikationssektor ist vollständig in privater Hand und weist somit kein Investitionsdefizit aufgrund zu niedriger Staatsausgaben auf. Auch im Stromsektor ist die Privatisierung in allen drei Teilbereichen Erzeugung, Übertragung und Verteilung weit fortgeschritten. In beiden Infrastrukturbereichen führen private Investoren umfangreiche Investitionen durch. Mit der anstehenden Privatisierung dürfte der Großkonzern Eletrobras seine Investitionen bis 2035 verdoppeln. Durch den Regierungswechsel erwartet Brasiliens Infrastrukturverband ABDIB wenig Änderung und sieht in seiner Investitionsprognose von 2023 bis 2027 weiterhin Engpässe. Die größten Investitionslücken beobachtet ABDIB im Transportsektor und in der Abfall- und Wasserwirtschaft. Nach einem schwierigen Jahr 2023 sollen die Investitionen ab 2024 anziehen.

Besonders groß ist der Rückstand im Bereich Wasser/Abwasser/Abfall. Hier versorgt die öffentliche Hand 94 Prozent der Städte und Gemeinden, tätigt jedoch aufgrund der leeren Kassen nur 80 Prozent der Investitionen. Ein neuer Rechtsrahmen setzt Fristen, um den großen Rückstand aufzuholen, und ermöglicht die Vergabe von Anlagen an private Betreiber. Mit der zunehmenden Privatisierung sollen die Investitionen ansteigen.

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