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In Chiles Lithiumabbau kommt endlich wieder Bewegung

Chile hat wichtige Entscheidungen zur Zukunft des Lithiumabbaus getroffen. Ab 15. April haben Firmen 60 Tage Zeit, um ihr Interesse an 26 Salaren zu bekunden. Viele Fragen bleiben.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Es hat lange gedauert. Doch im März 2024, ein Jahr nach Veröffentlichung der Nationalen Lithiumstrategie, gab Chile endlich entscheidende Regelungen zum Fortgang des Lithiumabbaus bekannt. Von 15. April an können Unternehmen 60 Tage lang ihr Interesse an 26 Salaren bekunden (Request for Information, RFI). Detaillierte Informationen hierzu bietet die Internetseite Chile Avanza con Litio.

Nach Einschätzung der Wirtschaftsförderagentur Corfo ist nach Beendigung des RFI-Prozesses mit vier Jahren zu rechnen, ehe die ersten Projekte starten könnten. Im Vorfeld hatten laut Bergbauministerium 97 Unternehmen aus zwölf Ländern Interesse am Lithiumabbau gezeigt.

Dies ist ein positives Signal für die Unternehmen, die seit Amtsantritt des damals neuen Präsidenten Gabriel Boric im März 2022 auf eine Entscheidung gewartet hatten, wie es mit dem "weißen Gold" weitergeht. Doch uneingeschränkt glücklich sind sie nicht. Tatsächlich hatte sich manche Firma bereits in andere Länder umorientiert.

"Die Konkretisierungen vom März 2024 haben eine Reihe Unklarheiten beseitigt, die 2023 bei der Bekanntgabe der Nationalen Lithiumstrategie aufgekommen sind, etwa welche Salare als strategisch eingestuft sind oder welche geschützt werden sollen. Andererseits haben sie aber auch einige prägnante neue Fragen aufgeworfen."

Marcelo Awad Executive Director für Chile des kanadischen Rohstoffkonzerns Wealth Minerals

Klarheit besteht jetzt immerhin über die Klassifizierung der Salare. Denn die Nationale Lithiumstrategie hatte zunächst offengelassen, in welchen Salaren künftig Lithiumabbau möglich ist.

Charakteristika der vier neuen "Salar-Kategorien" in Chile *)
Salar-KategorieDetailsWas bedeutet das für die Unternehmen?
Projekte mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung (50 Prozent plus eine Aktie)Diese Kategorie betrifft die beiden aufgrund ihrer hohen Lithiumkonzentration als strategisch eingestuften Salzseen Salar des Atacama und Salar de Maricunga. Projekte an diesen Salaren müssen mit Mehrheitsbeteiligung des staatlichen Kupferkonzerns Corporación Nacional del Cobre de Chile (Codelco) erfolgen.Schon im Vorfeld liefen daher heiße Verhandlungen zwischen der chilenischen SQM und Codelco. Grund: SQMs bisherige Abbaulizenz im Salar de Atacama ist nur noch bis 2030 gültig. Mittlerweile wurde sie bis 2060 verlängert, im Gegenzug muss SQM ab 2025 jedoch eine Beteiligung von Codelco akzeptieren, ab 2031 übernimmt Codelco die Mehrheit. Die Lizenz beim zweiten aktiven Bergbaukonzern Albemarle läuft noch bis 31. Dezember 2043; hier ist noch unklar, wie es danach weitergeht.
Projekte mit staatlicher BeteiligungAm Salar de Pedernales ist eine Beteiligung von Codelco verpflichtend; im Salarsystem Altoandinos (Salar Grande, Los Infieles, La Isla und Aguilar) müssen Firmen eine Beteiligung mit der Empresa Nacional de Minería (Enami) eingehen.

Coldelco und Enami werden jeweils getrennt öffentliche Ausschreibungen zur Partnersuche starten; wie die Beteiligungsverhältnisse letztlich aussehen werden, ist Verhandlungssache.

 

Enami hat angekündigt, ab 20. April 2024 mit der Ausschreibung zu starten. Gesucht werden Firmen mit Erfahrung in der Lithium-Direktgewinnung. Außerdem will das Staatsunternehmen 10 Millionen US$ in die Exploration von drei seiner Salare stecken (Aguilar, La Isla und Salar Grande).

 

Bislang haben Firmenangaben zufolge 24 Unternehmen aus zwölf Ländern Interesse geäußert; mit 18 habe Enami bereits eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnet, so der Vizepräsident Iván Mlynarz gegenüber der Wirtschaftszeitung Díario Financiero. Unter den Firmen, die eine Kooperation mit Enami anstreben, befindet sich auch die französische Firma Eramet.

Projekte in- und ausländischer UnternehmenOhne staatliche Beteiligung, aber im Einklang mit der Nationalen Lithiumstrategie

Diese Kategorie betrifft die 26 Salare, für die das Bergbauministerium am 15. April 2024 auf der Plattform "Chile Avanza con Litio" einen "Request for Information" (RFI) mit einer Frist von 60 Tagen gestartet hat.

 

In- und ausländische Unternehmen sind aufgerufen, ihr Interesse an der Entwicklung, Erkundung oder Ausbeutung an einem oder mehreren der Projekte zu bekunden. Diese 26 Salare umfassen eine Fläche von 18 Prozent aller chilenischen Salzseen, wobei weniger die Fläche als vielmehr der Lithiumgehalt entscheidend ist.

Geschützte SalareDie Politik will ein Netzwerk geschützter Salzseen schaffen, diese sollen 33 Prozent der landesweiten Salarflächen ausmachen.Bislang sind 7,7 Prozent aller Salare in Chile geschützt. Die Zahl der geschützten Salare soll von 10 auf 28 steigen. Eine entsprechende Liste wird gerade von verschiedenen Behörden, darunter dem Umweltministerium, erstellt. Der Lithiumabbau wird dort verboten sein.
* Eine genaue Beschreibung der Salare findet sich auf der Regierungsseite "Chile Avanza con Litio" (www.gob.cl/chileavanzaconlitio) in der Rubrik "Clasificación Sistemas Salinos".Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Mehr Staatseinfluss

Darüber hinaus hatte die Regierung Boric von Anfang an klar gemacht, dass der Staat mehr Einfluss nehmen wolle, als dies bisher bei den beiden einzigen aktiven Lithium-Abbauprojekten des Landes der Fall war:

  • dem Vorhaben des chilenischen Bergbaukonzerns SQM (mit einer 24-prozentigen Beteiligung der chinesischen Tianqi) und
  • Albemarle aus den USA im Salar de Atacama

Dabei war der Staat mit der bisherigen Praxis nicht schlecht gefahren. SQM und Albemarle führten 2023 insgesamt fast 2,8 Milliarden US-Dollar (US$) an die staatliche Wirtschaftsförderagentur Corfo ab (2022 sogar 3,8 Milliarden US$). Nicht enthalten sind darin die zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen für die lokalen Gemeinden.

Herzstück der neuen Strategie solle die öffentlich-private Zusammenarbeit bilden, hieß es von Seiten der Regierung. Zur Debatte stand insbesondere die Gründung einer staatlichen Lithium-Gesellschaft. Von dieser redet heute niemand mehr. Stattdessen ist den staatlichen Bergbaukonzernen Codelco, dem größten Kupferproduzenten der Welt, und Enami eine führende Rolle zugedacht.

"Die Herausforderung ist zumindest für deutsche Unternehmen die wirtschaftliche Attraktivitát einer Kooperation mit Codelco und Enami darzustellen. Beide Unternehmen räumen ein, keine technischen oder betrieblichen Erfahrungen mitzubringen, und die Struktur der finanziellen Beteiligung ist nicht geklärt."

Iris Wunderlich Leiterin des Kompetenzzentrums Bergbau an der AHK Chile

In der Tat: Wunschpartner sehen anders aus. Beide Konzerne arbeiten wenig effizient, sind bürokratisch und hochverschuldet. Codelco allein hat Presseberichten zufolge mehr als 20 Milliarden US$ Schulden angehäuft, und Enami hat mit Ausnahme 2021, seit 2013 jährlich Verluste eingefahren, bislang etwa 700 Millionen US$.

Die Frage ist, ob sie überhaupt Geld haben für neue Projekte – oder was sie stattdessen in eine Kooperation einbringen könnten. Denn Erfahrung im Lithiumabbau haben sie nicht. Sollte die nötige Investitionssumme beim privaten Partner "hängen bleiben", dann stellt sich die Frage nach Machbarkeit und Rentabilität. Wobei, so ein Branchenvertreter, sich das Problem für mögliche chinesische Interessenten in kleinerem Umfang stelle, denn die Volksrepublik habe andere Prioritäten; Geld spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Zuschlagskriterien unklar

Offen ist bislang außerdem, nach welchen Kriterien der Zuschlag erteilt werden soll. Entscheidend dürfte sein, wer die höchsten Lizenzgebühren zahle. Dies sagte José Miguel Benavente, Vizepräsident der an den Ergänzungen an der Lithiumstrategie beteiligten staatlichen Wirtschaftsförderagentur Corfo gegenüber der Zeitung Mercurio.

Auch dem Wissenstransfer werde Bedeutung eingeräumt, genauso wie der Anwendung umweltfreundlicher Technologien (zum Beispiel wassersparende Direktextraktion von Lithium). Auch das Versprechen einer Weiterverarbeitung vor Ort, woran der chilenische Staat größtes Interesse hat, spielt eine Rolle. Gleichzeitig hätten inländische oder internationale, private oder öffentliche Firmen die gleichen Chancen, so Benavente.

Lokale Kommunen haben auch noch ein Wörtchen mitzureden

Ein großes Fragezeichen bleibt auch mit Blick auf die vorgeschriebenen Befragungsprozesse der betroffenen lokalen Bevölkerung. Diese stehen nicht nur für Maricunga oder Altoandinos noch aus. Insbesondere fehlen sie auch für die 26 Salare des RFI-Verfahrens. Dies bedeutet, selbst Unternehmen, die im RFI-Verfahren den Zuschlag gewinnen, könnten am Erhalt der "Social Licence to Operate" scheitern.

Denn der Aufbau von Vertrauen braucht Jahre, und wird nicht selten auch dadurch erschwert, dass die betroffenen Gemeinden untereinander verschiedener Ansicht sind. Umso wichtiger ist es, immer im Gespräch zu bleiben und herauszufinden, was der Bevölkerung wichtig ist – und sei es die Finanzierung eines Lehrers für Quechua an der lokalen Schule.

Interessenskollision zwischen alten Besitzrechten und neuen Lithium-Playern

Große Sorgen, welche die Firmen derzeit umtreiben, sind:

  • Was wird mit den Unternehmen passieren, die allgemeine Bergbaurechte (ohne Lithium) an Salaren besitzen, die nun zum Lithiumabbau ausgeschrieben werden und für die womöglich ein Dritter den Zuschlag erhält?
  • Oder was passiert in Fällen, in denen Firmen lithiumreiche Salare erworben haben – und dort nicht den Eigentümern, sondern einer anderen Firma das Recht zum Lithiumabbau zugesprochen wird?
  • Auch im Gebiet Salares Altoandinos gibt es Konzessionen im Privatbesitz. Was passiert mit den bestehenden Konzessionen, wenn Enami mit einem Dritten vereinbart, den dortigen Lithiumabbau zu entwickeln? Wird vorher eine Einigung mit den Eigentümern angestrebt?

Ein praktisches Beispiel

Wealth Minerals aus Kanada verfolgt zwei Projekte in Chile, eines am Salar de Atacama, von dem jetzt feststeht, dass es nur in Kooperation mit Codelco entwickelt werden kann, und eines am Salar de Ollagüe, welcher als einer der 26 freien Salare klassifiziert wurde. An beiden könnten die Kanadier insgesamt mehr als 200.000 Tonnen Lithiumcarbonat-Äquivalent abbauen.

Die Behörden haben Parteien mit Besitzrechten vor Ort zwar eine gewisse Vorzugsbehandlung ("derecho preferente") zugesichert – aber was dies in der Praxis heißt, wenn eine konkurrierende Unternehmung ein deutlich höheres Gebot abgibt, weiß niemand zu sagen. Auch nicht, was letztlich passieren würde, wenn diese den Zuschlag erhält.

Denn Tatsache ist, dass sich der Salar im Besitz von Wealth Minerals befindet und der Konzern somit das Recht hat, die dort befindlichen Bodenschätze wie Potasche oder Magnesiumsalz auszubeuten – mit Ausnahme des Lithiums. Müsste verkauft werden? Wäre ein Joint-Venture zu bilden? Oder bleibt das Lithium einfach im Boden? Vielleicht bliebe letztlich auch nur der Gang vors Gericht. "Es kann Jahre dauern, bis es hier zu einer Einigung kommt", meint Marcelo Awad, Executive Director von Wealth Minerals Chile. 

Grundsätzlich will Wealth Minerals bis 2032 in beide Projekte 5 Milliarden US$ investieren. Dabei könnte künftig der deutsche Chemiekonzern BASF mit im Boot sein. Verhandlungen über ein Memorandum of Understanding (MoU) laufen. BASF wäre dann die erste deutsche Firma mit einem Fuß in der Tür im chilenischen Lithiumgeschäft. 

Die Zukunft des chilenischen Lithiumabbaus

Chiles Bergbauministerin Aurora Williams erwartet bis 2030 eine Steigerung der Lithiumproduktion von derzeit 220.000 Tonnen Lithiumäquivalent auf etwa 350.000 Tonnen, vor allem dank der Ausweitung bestehender Projekte. Mit der geplanten Produktion von Wealth Minerals könnte der landesweite Output ab 2032 auf insgesamt 700.000 Tonnen steigen. Weitere 80.000 Tonnen pro Jahr sollen 2034 mit der Produktion in Maricunga und Altoandinas hinzukommen.

Hervorragende natürliche Voraussetzungen für die Zukunft der Lithiumgewinnung

Chile besitzt mit rund 36 Prozent die weltgrößten Lithiumreserven. Sie befinden sich in 45 Salaren (Salzseen) und 18 Salzlagunen auf 610.000 Hektar. Davon entfallen allein 39 Prozent auf den Salar de Atacama. Wissenschaftlichen Studien zufolge ist der ökologische Fußabdruck, den der Abbau von Lithiumsole aus Salaren hinterlässt, deutlich geringer als derjenige von Lithium, das aus Erzen gewonnen wird (wie beispielsweise in Australien, der Nummer 2 in der Welt).

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