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Branchen | Chile | Solarenergie

Marktchancen

Langfristig braucht Chile viele weitere Solaranlagen. Speicher gewinnen massiv an Gewicht. Zukunft haben ESCo-Projekte. Projektentwickler und Servicedienstleister sind gefragt.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

"Chile ist Schauplatz einer Revolution", sagt Daniel Rosende Völker, geschäftsführender Direktor für Lateinamerika des deutschen Wechselrichterherstellers SMA, zum Umbruch in der chilenischen Stromwirtschaft. An vorderster Front agieren die Betreiber von Fotovoltaikanlagen: Sie hatten entscheidend Anteil daran, dass in Chile 2022 erstmals mehr Strom aus erneuerbaren als aus fossilen Energieträgern stammte.

Satte 41,6 Prozent mehr Sonnenstrom wurde 2022 in Chile erzeugt als im Vorjahr (zum Vergleich Wind: 26,7 Prozent; Gesamtanstieg der Stromerzeugung lediglich 3,7 Prozent).  Mit knapp 14.500 Gigawattstunden (GWh) trug Solarstrom rund 17,4 Prozent zur Gesamtstromerzeugung des Landes bei, so der chilenische Verband der Stromerzeuger Generadoras de Chile.

Und der Ausbau geht - wenn auch abgeschwächt - weiter. Laut ACERA, dem Verband der unabhängigen Stromerzeuger aus erneuerbaren Energieträgern, befanden sich im April 2023 installierte Kapazitäten von

  • 1.332 Megawatt (MW) im Probebetrieb,

  • 4.407 Megawatt (MW) in Bau,

  • 19.898 Megawatt (MW) im Genehmigungsprozess sowie

  • 4.332 Megawatt (MW) in der Begutachtung.

Diesen Daten stehen installierte Kapazitäten von 7.267 Megawatt (MW) gegenüber.

Ausgewählte Solarprojekte in der Umweltprüfung in Chile

Projektbezeichnung, Standort

Installierte Kapazität (MW)

Unternehmen

Status

Planta Fotovoltaica Gran Teno, De Maule

240,5

GR Algarrobo SpA

in Bau

Parque Fotovoltaico Aurora Solar, Tarapacá

220

Tamaugal Solar SpA

in Bau

Parque Fotovoltaíco Llanos de Marañón, Atacama

458

Parque Solar Llanos de Marañón SpA

Begutachtungsphase

Parque Fotovoltaico Celda Solar

369,2

Colbún S.A.

Begutachtungsphase

Parque Solar Fotovoltaico Tirana Oeste

336

FRV Services Chile SpA

Begutachtungsphase

Parque Fotovoltaico Alfa Solar

854*

Pleiades S.A

Genehmigungsprozess

Planta Fotovoltaica Inti Pacha

719*

Colbún S.A.

Genehmigungsprozess

Parque Fotovoltaico Pauna Solar

671*

Pauna Solar SpA

Genehmigungsprozess

*) Nettopotenzial (in Megawatt)Quelle: ACERA 2023

Sonneneinstrahlung so intensiv wie fast nirgendwo

Chile bietet landesweit hervorragende Voraussetzungen für die Erzeugung von Solarstrom, zeigt der Global Solar Atlas.

Am stärksten ist die Sonneneinstrahlung in der Atacamawüste im Norden. Dort beträgt die direkte Sonneneinstrahlung teilweise weit über 3.000 Kilowatt pro Stunde und Quadratmeter (kWh/m²). Im Raum Santiago ist die Sonneneinstrahlung mit der in Südspanien vergleichbar und selbst in einigen Ortschaften in Patagonien ist das Fotovoltaik-Potenzial besser als etwa in Freiburg im Breisgau, einem der sonnigsten Orte Deutschlands. In der Folge können Solarmodule in Chile an geeigneten Standorten an 37 Prozent der Stunden pro Jahr Strom liefern (zum Vergleich: Spanien 25 Prozent).

Unternehmen erzeugen Strom auf dem Firmengelände

Mit 6.023 Fotovoltaikanlagen zum Eigenverbrauch wurden 2022 rund doppelt so viele in Chile installiert wie im Vorjahr, so der Solarenergieverband Acesol. Landesweit soll es derzeit mehr als 16.000 geben. Unterstützt werden einige der Projekte durch Kofinanzierungsprogramme des Energieministeriums.

Nachfragetreiber sind vor allem "nicht-regulierte" Unternehmen. Viele Stromlieferverträge laufen in den nächsten Jahren aus; Neuverträge werden durch die gestiegenen Energiepreise erheblich teurer sein. Hinzu kommt der Wunsch nach einem "grünerem Auftritt" gegenüber Kunden und Anteilseignern.

ESCo-Anlagen als Modell der Zukunft

Frank Dinter, Geschäftsführer von Fraunhofer Chile, sieht in ESCo ("Energy Service Company") ein wichtiges Vehikel zur Förderung der Solarenergie: "Die Industriefirmen wollen nicht in Energiebereitstellung investieren, sondern Strom und auch Wärme geliefert bekommen." 

Mit ESCo finanziert ein Dritter die Anlage, die auf dem firmeneigenen Grundstück errichtet wird. Zwischen Erzeuger und Abnehmer wird ein Power Purchase Agreement (PPA) geschlossen, wobei der Produzent dem abnehmenden Unternehmen den Strom zu einem niedrigeren Satz abgibt als den Preis, den er im Netz bezahlen müsste. Diese Nische bedient etwa der deutsche Energy-as-a-Service Anbieter ecoligo. Er sammelt im Internet über Crowd-Investing Geld, um unter anderem Solarprojekte in Chile zu finanzieren.

Laut Stefan Fritz, Country Manager von Anumar Chile, ist speziell der Bereich PMGD (Pequeños Medios de Generación Distribuida) für den deutschen Mittelstand interessant. Anumar gründete 2015 eine Niederlassung in Chile zum Bau eines Solarparks und ging 2022 mit einer eigenen Anlage in Villa Alemana ans Netz.

Im Gegensatz zum derzeit im Umbruch befindlichen Segment der großen Solarstromparks ist das dezentrale PMGD-Segment planbar, da die Produzenten mengenunabhängig zu tageszeitlich festgelegten Preisen ins lokale Verteilernetz einspeisen. Dass die Erzeuger mittags keine so hohen Raten mehr erzielen, soll sie dazu motivieren, in Speichertechnologien zu investieren. Generell punktet Chile mit seinen stabilen Investitionsbedingungen.

Großanlagen über 9 Megawatt vorerst nur noch für Direktvertrieb

Angesichts der Engpässe bei den Hochspannungsleitungen sieht GIZ-Energieexperte Michael Schmidt Wachstumschancen im Utility-Bereich vorerst nur noch dort, wo das Überlandleitungsnetz umgangen werden kann – etwa durch die direkte Versorgung von Großkunden: "Gegenwärtig sieht es so aus, als würden die Wasserstoffprojekte früher neue Nachfrage vor Ort generieren, als der Bau neuer Überlandleitungen Entlastung schaffen kann."

Tatsächlich will Chile mittels Wasserstoff nicht nur die eigene Energiewende schaffen, sondern außerdem Exportweltmeister für grünen Wasserstoff werden.

Generell gilt der Bergbau als großer Nachfrager für Strom aus erneuerbaren Energieträgern.

Speichertechnologien sind dringend erforderlich

Ob kleine, mittelgroße oder Großprojekte – für alle liegt die Zukunft in der Installation geeigneter Speichertechnologien:

  • zum Ausgleich von Stromnachfrage- und -angebotsschwankungen

  • und damit die Solaranlagen rentabler werden, weil die installierte Leistung besser ausgenutzt werden kann.

Sofern es nur darum geht, die Einspeisung um wenige Stunden zu verschieben, gelten Lithiumbatterien als Speichermedium der Wahl. Zumal diese – nicht zuletzt gepuscht durch den Trend zur Elektromobilität – immer schneller und preisgünstiger zu haben sein werden. Nach Daina Neddemeyer, GIZ-Projektleiterin und verantwortlich für die Deutsch-Chilenische Energiepartnerschaft in Santiago, sollten Firmen beim Thema Speichern jedoch auch andere Möglichkeiten wie Carnot-Batterien in Kraftwerksgröße betrachten. Auch die Erzeugung von Wasserstoff vor Ort kann eine Option sein.

Gemäß Annika Schüttler, Projektleiterin für Energie & Nachhaltigkeit bei der AHK Chile, werden in Chile dringend Systeme gebraucht, um die bestehenden Netzengpässe zu erweitern. In diesem Sinne organisierte die AHK Chile, zuständig für die Ausführung der Wirtschaftskomponente der Energiepartnerschaft, im Juni 2023 eine Study Tour für acht Vertreter aus Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor aus Chile und Argentinien nach Deutschland. Die Gruppe informierte sich unter anderem beim Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW über das Grid-Booster-Projekt, welches TransnetBW mit Fluence Energy in Baden-Württemberg umsetzt. Der 250-Megawatt-Grid-Booster beinhaltet Energiespeicher und Engpassmanagement, um das Übertragungsnetz zu unterstützen einschließlich Diensten zu Themen synthetischer Trägheit, dynamischer Spannungsregelung und Hilfe bei Notfällen.

Chancen werden deshalb auch für teurere CSP-Anlagen (Concentrated Solar Power) wie den Cerro Dominador gesehen. Fraunhofer Chile propagiert dezentrale CSP-Anlagen für die Solarstromproduktion rund um die Uhr für den Norden Chiles.

Was ist der Cerro Dominador?

Der 250 Meter hohe Turm in der Atacama-Wüste ging 2021 ans Netz. Vom Boden aus reflektieren 10.600 jeweils 140 Quadratmeter große Heliostaten die Sonnenstrahlen gebündelt auf den Receiver an der Spitze des Turms und erhitzen dort ein Gemisch aus Natrium- und Kaliumnitrat-Salzen auf 565 Grad Celsius. Die Sonnenenergie wird thermisch in großen Tanks zwischengelagert und über Wärmetauscher zur Wasserdampfproduktion verwendet. Der Dampf treibt eine 110-Megawatt-Turbine an. Diese erzeugt 24/7 Strom.

Servicedienste gefragt

Abgesehen vom "puren" Anlagenbau sehen Fachleute wie David Rau von Flux Solar einen großen Bedarf an Service-Firmen angefangen bei der Installation über die Wartung bis hin zur Projektbewachung oder Hilfe beim günstigsten Einspeisezeitpunkt.

In diese Lücke stößt zum Beispiel auch EnorChile. Die chilenische Firma überwacht vor allem Anlagen von PMGD-Firmen, aber auch solche aus dem Utility-Bereich mit eigener Software und mit Hilfe künstlicher Intelligenz von Santiago aus. Das heißt, sie kontrolliert sie, kennt alle Einspeise- und Entnahmedaten und prognostiziert den Strombedarf des nächsten Tages nach Tageszeiten, sodass die Kunden den Strom zum höchstmöglichen Preis verkaufen können.

 

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