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Markttrends
Kenia muss dringend in die Erzeugung und Übertragung von Strom investieren. Private Modelle rücken in den Fokus.
13.05.2025
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Die Stromnachfrage in Kenia wird nach Einschätzung der International Energy Association (IEA) in den Jahren 2025 bis 2027 um jährlich 6,5 Prozent zunehmen. Das ist eine doppelt so hohe Zunahme wie in den Jahren 2018 bis 2024. Motoren für den steigenden Energiebedarf sind das hohe Bevölkerungswachstum Kenias von jährlich rund 1,2 Millionen Menschen aber auch der zunehmende Bedarf seitens Industrie und Gewerbe. Hinzu kommt die Elektrifizierung, die aktuell bei etwa 75 Prozent liegt, und weiter vorangetrieben wird.
des verbrauchten Netzstroms in Kenia ist grün.
Im Februar 2025 erreichte die Spitzennachfrage einen Rekordwert von 2.316 Megawatt. Zwar liegt die installierte, mit dem Netz verbundene Kapazität Kenias bei über 3.300 Megawatt (2024), aber tatsächlich verfügbar ist deutlich weniger. Das liegt auch an den Produktionsschwankungen von Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken.
Aktuell geplante Kraftwerksprojekte reichen nicht aus
Beobachter schätzen, dass die gegenwärtig geplanten Kraftwerksprojekte bei Weitem nicht ausreichen, um einen jährlichen notwendigen Zubau von etwa 120 bis 150 Megawatt zu erreichen und befürchten eine Verschärfung der Energieknappheit. Gefragt ist aktuell vor allem Grundlast.
Die als Notreserve vorgesehenen privat betriebenen thermischen Kraftwerke des Landes dürften zunehmend gefragt sein. Auch sondieren aktuell Anbieter von vorübergehenden Notlösungen wie Carpowership (Türkei) und Aggreko (Niederlande) den Markt, falls zusätzliche Diesel- oder Schwerölkapazitäten kurzfristig bereitgestellt werden müssen.
Kenia benötigt private Investoren
Der klamme Staat muss bei der Planung neuer Erzeugungskapazitäten auch offen für private Investoren sein, sogenannte Independent Power Producer (IPP). Jüngste Erfahrungen waren für beide Seiten indes ernüchternd und endeten 2021 in einem Moratorium für die Vergabe neuer Lizenzen an IPPs. Dieser Stopp soll in Kürze aufgehoben werden aber es ist mit einer deutlichen Verschlechterung der Konditionen für die IPPs zu rechnen.
Potenzial besteht für Kraftwerke bei den meisten Energieträgern. Dringend benötigte Grundlast kann Geothermie liefern, weshalb Experten an weitere Geothermie-Kraftwerke glauben. Das Potenzial im kenianischen Rift-Valley wird auf etwa 10.000 Megawatt geschätzt. Größter Player ist die mehrheitlich staatliche Kenya Electricity Generating Company (KenGen), die gerade mit finanzieller Hilfe der deutschen Entwicklungsbank (KfW) ihr Geothermiekraftwerk Olkaria modernisiert und ausbaut. Das Olkaria-Projekt gehört zu den von der EU besonders hervorgehobenen Global Gateway-Projekten.
Wasserkraft wieder mehr gefragt
Auch Wasserkraft wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Hier schätzt die Regierung das Potenzial auf etwa 6.000 Megawatt. Dürren in den letzten Jahren führten dazu, dass Wasserkraft an Priorität verlor. Das hat sich inzwischen aber wieder geändert, auch weil sogenannte Multi-Purpose-Dämme zur landwirtschaftlichen Bewässerung genutzt werden können.
Solar- und Windparks, bei denen IPP eine dominierende Rolle spielen, stehen aufgrund des Moratoriums und der hohen Netzschwankungen aktuell nicht ganz so weit oben auf der Prioritätenliste. Insbesondere Solarparks sollen auf Wunsch der Regierung nur noch gebaut werden, wenn sie gleichzeitig mit einer gewissen Speicherkapazität ausgestattet werden.
Deutsche Beteiligung in Kenias Energiesektor
Die deutsche Bundesregierung ist eine der aktivsten Förderer der Produktion von grünem Wasserstoff in Kenia. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und das Auswärtige Amt engagieren sich bei der Schaffung von Grundlagen für eine grüne Wasserstoffwirtschaft in Kenia. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) beteiligt über das PEP-Programm deutsche Unternehmen an grünen Wasserstoffprojekten. Im Mai 2024 wurde das H2-Diplo Büro der GIZ eröffnet. Dies soll als zentrale Anlaufstelle für die Aktivitäten bei grünem Wasserstoff dienen, auch für Unternehmen.
Private Betreiber von Übertragungsleitungen im Gespräch
Im Übertragungsbereich sind Investitionen sehr dringend. Dem Netz von aktuell fast 9.500 Kilometern sollen bis 2027 weitere rund 2.500 Kilometer hinzugefügt werden und bis 2041 gar 9.000 Kilometer. Weil der bisherige staatliche Monopolist Kenya Electricity Transmissions Corporation (KETRACO) die Investitionen auch mit Geberfinanzierung nicht allein stemmen kann, werden öffentlich-private Partnerschaften als sogenannte Independent Power Transmission (IPT) immer konkreter.
Eine Rolle dabei soll die öffentliche Finanzierungsplattform Africa 50 spielen, an der die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) beteiligt ist. Africa 50 beschreibt sich als Unternehmen, dass öffentlich-private Partnerschaften in Afrika voranbringt und sich um die Finanzierung sowie die technische Beratung kümmert. Wie kritisch die kenianische Bevölkerung IPTs sieht, wurde Ende 2024 deutlich, als Präsident Ruto Vereinbarungen mit der indischen Adani-Gruppe auf Eis legen musste.
Investiert wird auch in grenzüberschreitende Leitungen. Kenias Stromimporte haben sich im vergangenen Jahr fast verdreifacht, vor allem durch die seit dem Jahr 2023 fertige Hochspannungsleitung aus Äthiopien. Eine weitere Leitung nach Tansania wurde Ende 2024 eingeweiht.
Marode Verteilnetze brauchen wieder Gebergeld
Wenn der einzige Stromverteiler Kenya Power & Lightning Corporation (genannt: Kenya Power oder KPLC) nicht so marode wäre, würden vermutlich auch deutlich mehr Gelder in den Ausbau des Verteilernetzes fließen. Mit Geberhilfe soll unter anderem das Management von KPLC verbessert werden. Die Weltbank stellt eine leistungsbasierte Unterstützung von bis zu 300 Millionen US-Dollar (US$) bereit und von der AfDB erwartet Kenia weitere 150 Millionen US$ im Rahmen des "Last Mile Connectivity"-Projekts, das seit 2015 durchgeführt wird.
Off-Grid Lösungen bleiben attraktiv
Je unzuverlässiger und teurer das Netz, desto besser die Rahmenbedingungen für netzungebundene Lösungen vor allem mit Solartechnik, die in den letzten etwa zehn Jahren einen Aufschwung erlebt haben. "Captive Power" hat in Kenia inzwischen eine Kapazität von etwa 530 Megawatt erreicht – Tendenz weiter steigend.
Die Zeiten hoher Margen sind indes vorbei, da es reichlich Konkurrenz mit immer besseren Lösungen gibt. Kunden erwarten eher Gesamtlösungen inklusive Installation, Finanzierung und Betrieb. Vor allem Einkaufszentren, größere Wohnanlagen, Blumenfarmen, Lodges und die Industrie investieren in eigene Anlagen. Großverbraucher wie die Hersteller von Zement oder Stahl verfügen gar über eigene kleinere Kraftwerke. Sie haben auch ein Interesse daran, überschüssigen Strom zu verkaufen. Die Netzeinspeisung funktioniert jedoch bislang nicht.
Chancen für deutsche Unternehmen:
Komponenten: Schaltanlagen, Netzausstattung, Turbinen. Chancen für Lieferanten aber Konkurrenz aus China und Osteuropa.
Werk- und Verbundstoffe: Öle, Chemikalien, Farben, Gummi, Schmierstoffe
Ingenieurconsulting: Beratung bei staatlichen und privaten Projekten.
Betrieb: Neue Lizenzen für IPPs dürften bald wieder vergeben werden.
Projektbezeichnung (Standort) | Leistung | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen |
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High Grand Falls Multipurpose Reservoir (Wasserkraftwerk) | 500 | GBM Engineering (privates Konsortium aus UK) für BOT | Seit 2009 geplant. | 2500 |
KenGen Windpark (1000 MW) in Marsabit (Phase I: 200 Megawatt) | 200 | KenGen | Baubeginn für 2026 geplant. Finanzierung möglicherweise durch AFD. | k.A. |
Olkaria II (Extension) | 100 | KenGen | Technisches Angebot des OEM Toshiba liegt vor. | 45 |
Gogo Hydro, 8,6 Megawatt (Miguri County) | 8,6 | KenGen | Baubeginn 2025. Finanziert von der KfW | 35,6 |