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Branchen | China | Luftfahrt

China benötigt mehr Flugzeuge - besonders für Luftfracht

Das Land mit dem dynamischsten Wachstumsmarkt in der Luftfahrtindustrie ist noch sehr abhängig von westlichen Zulieferern, insbesondere Airbus und Boeing.

Von Robert Herzner | Hongkong

Das weltweite Passagier- und Frachtaufkommen in der Luftfahrtindustrie steigt. Die wichtigsten Wachstumsregionen in Prognosen bis 2040 sind China und der Mittlere Osten. In diesen Regionen fliegt im Vergleich zu Nordamerika und Europa die Bevölkerung zwar weniger, mit der steigenden Kaufkraft erhöht sich aber der Bedarf und auch die Reiselust. Nach den Lockerungen der Reisebeschränkungen im Dezember 2022 war im Januar bereits eine Zunahme des innerchinesischen Reiseverkehrs zu beobachten.

Wichtiger Parameter für die Beurteilung des Passagieraufkommens ist die Anzahl der Kilometer von zahlenden Passagieren (Passagierkilometer - RPK). Nach Prognosen des Boeing Commercial Market Outlook wird das Passagieraufkommen in China von 2022 bis 2041 jährlich um 4,9 Prozent steigen. Das ist deutlich mehr als das Wachstum von 3,8 Prozent im globalen Durchschnitt. Entsprechend wird der Marktanteil Chinas am Passagierflugmarkt von aktuell 18 Prozent bis 2041 auf 23,3 Prozent steigen. Damit würde China sich vom drittgrößten zum größten Markt entwickeln.

China benötigt circa 400 neue Flugzeuge pro Jahr

Um diesem Bedarf gerecht zu werden, müssen in China mehr Flugzeuge in Betrieb genommen werden. Die beiden Hauptlieferanten sind Airbus und Boeing. Beide Unternehmen erwarten, dass bis 2041 insgesamt nahezu 8.500 neue Flugzeuge nach China ausgeliefert werden müssen. Dies entspricht einem Bedarf von circa 400 Flugzeugen pro Jahr und einem durchschnittlichen Jahreswachstum der Flotte von 4,2 Prozent.

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Mit über zwei Dritteln besteht in China der höchste Bedarf bei Schmalrumpfflugzeugen mit nur einem Kabinengang, sogenannten Single-Aisle-Flugzeugen, wie den Airbus A320- oder Boeing B737-Modellen. 

Chinas Flottenbestand bis 2041 nach Flugzeugtyp (Anzahl Flugzeuge)

2019

2041*

Regionaljet

60

380

Single Aisle

3.050

6.750

Dual Aisle / Widebody

620

1.680

Frachter

200

820

Gesamt

3.930

9.630

Quelle: Boeing CMO 2022-2041

Zehn neue Flughäfen bis 2035 jährlich

Außerdem steigt die Betriebsdauer, die Flotte wird durchschnittlich länger in Betrieb gehalten. Entsprechend einer höheren Anzahl an Flugzeugen und mehr Flugzeugen mit einer längeren Betriebslaufzeit nimmt der Wartungsbedarf zu. Um diesem gerecht zu werden, sind Ausrüstungsgegenstände für Reparaturen sowie speziell ausgebildetes Personal gefragt. Airbus geht von 154.000 benötigten neuen Technikern bis 2041 aus. Dies bietet sowohl Herstellern von Reparaturwerkzeugen als auch Dienstleistern für Berufsbildung weitere Geschäftsmöglichkeiten. 

Um dem steigenden Luftverkehr zu entsprechen, strebt die chinesische Regierung an, bis Ende 2035 über 400 zivile Verkehrsflughäfen in Betrieb zu nehmen. Dies entspricht einem Anstieg von 150 Flughäfen gegenüber den 241 zertifizierten Flughäfen im Jahr 2020 und bedeutet, dass China bis 2035 durchschnittlich etwa zehn neue Flughäfen pro Jahr eröffnen wird.

Nachfrage nach Frachtflugzeugen steigt überdurchschnittlich

Das Wachstum bei Frachtern übertrifft das von Linienflugzeugen deutlich. Das liegt zum einen daran, dass der Welthandel insgesamt sich erhöhen soll - Airbus erwartet eine Verdopplung in den nächsten 20 Jahren. Zum anderen profitiert China von einer Zunahme des innerchinesischen Frachtvolumens. Es soll bis 2027 um jährlich 14,6 Prozent auf 12 Millionen Tonnen zunehmen. Beim chinesischen Frachtverkehr mit anderen Ländern hingegen ist bis 2041 mit jährlichen Wachstumsraten von bis zu 7,3 Prozent zu rechnen.

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Nischen bieten Absatzchancen 

Chinesische Fluglinien fliegen hauptsächlich mit Flugzeugen von Airbus und Boeing, nur China Eastern Airline hat bisher ein Single-Aisle-Flugzeug C919 des Shanghaier Flugzeugherstellers COMAC gekauft. Diese Maschine ist der erste in China entwickelte Mittelstreckenjet und soll im Frühjahr 2023 in Betrieb genommen werden. An der Entwicklung des chinesischen Luftfahrtmarkts können nicht nur Großkonzerne partizipieren. Insbesondere in Nischen bestehen für deutsche Firmen grundsätzlich gute Möglichkeiten, wenngleich es gilt, Risiken zu berücksichtigen

Um dem großen lokalen E-Commerce-Bedarf für zusätzlichen Frachtraum nachzukommen, werden Passagierflugzeuge umgebaut. Im Bereich des Cargo-Retrofitting bieten sich Chancen für deutsche Zulieferer, so der Geschäftsführer des deutschen Handelsunternehmen Melchers in Peking, Mike Hofmann. Er sieht gleichfalls Möglichkeiten bei Spezialprogrammen wie dem ARJ21 von COMAC. Dieses im Vergleich zum C919 kleinere Regionaljet-Modell wird mittlerweile ebenfalls als Frachtflugzeug verwendet. Weitere Verwendungen bestehen als Privatflugzeug von Geschäftsreisenden sowie als Modell für besondere Einsätze. Dies kann Rettungseinsätze und Löschflugzeuge zur Feuerbekämpfung umfassen.

Für chinesische Fluglinien sind internationale Referenzen der Produkte ein wichtiges Kriterium für den Einkauf, sie gelten als risikoavers. Dies kann für etablierte deutsche Zulieferer einen Vorteil darstellen, dagegen für Start-ups die Kaufanbahnung erschweren. 

Ein von Staatsunternehmen dominierter Markt - worauf ist zu achten? 

Kleinere Unternehmen können selbstverständlich weniger Verhandlungsgewicht einbringen und müssen in China besondere Umstände berücksichtigen: Daher sollte wegen der zunehmend komplexeren Rahmenbedingungen die China-Strategie innerhalb eines Unternehmens Chefsache sein. Als Faktor ist die zunehmende Politisierung des Geschäftsumfelds zu beachten, bei dem ideologische Interessen vor Wirtschaft gestellt werden.

Anspruchsvoller werden auch Compliance-Regelungen von beiden Seiten, welche den Umgang mit China für Unternehmen zu einem Balanceakt machen. Der demografische Wandel in China mit einem Rückgang der Bevölkerung könnte die künftige Entwicklung im Markt gefährden, zeichnet sich aber noch nicht im Passagier- und Frachtaufkommen ab. Um sich im Markt langfristig zu positionieren, betreiben die ausländischen Hersteller zum Teil mit lokalen Partnern vor Ort Entwicklungszentren.

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