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Verkauf von Elektroautos boomt trotz Stromengpässen
Chinas Automarkt erholt sich: Elektroautos sind gefragt wie nie. Der chinesische Hersteller BYD liegt im Inland an der Spitze, Tesla beim Export. Doch wie lange noch?
29.09.2022
Von Corinne Abele | Shanghai
Obwohl Wirtschaftskonjunktur und Konsumverhalten in China dümpeln, geht es mit dem Automobilsektor bergauf. Grund ist der starke Verkaufsanstieg bei Elektroautos. Verglichen damit sehen die Zuwachszahlen bei Verbrennern "alt" aus.
Kategorie | 2019 | 2020 | 2021 | 1. Halbjahr 20223) | 20223) 4) |
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Kfz gesamt | 25.769 | 25.311 | 26.275 | 12.057 | 27.000 |
NEV1) | 1.206 | 1.367 | 3.521 | 2.600 | 5.500 |
davon reiner Batterieantrieb | 972 | 1.115 | 2.916 | 1.7452) | k. A. |
Pkw | 21.444 | 20.178 | 21.482 | 10.355 | 23.000 |
davon mit alternativem Antrieb | 1.062 | 1.246 | 3.334 | 2.485 | k. A. |
Elektroautoabsatz wächst stark
Chinas Plan könnte aufgehen: Mit zeitweise protektionistischen Maßnahmen und anhaltenden Subventionen hat die Regierung Elektroautos auf die Überholspur gebracht. Absatz und Export boomen gleichermaßen. Im 1. Halbjahr 2022 war bereits fast jeder vierte verkaufte Pkw ein Fahrzeug mit alternativem Antrieb (NEV – New Energy Vehicle). Und zum ersten Mal exportierte China nach Angaben des chinesischen Zolls knapp mehr als 2 Millionen NEV. Auch Europa muss sich auf die neue Konkurrenz einstellen. Noch sind die Zahlen gering; doch diese könnte sich angesichts neuer Exportambitionen von chinesischen Firmen wie BYD oder Geely schnell ändern.
Zur guten Elektroautokonjunktur trägt auch die Verlängerung von Subventionen bis Ende 2022 bei. Allerdings wurden sie 2022 um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr reduziert; inzwischen wird über eine Verlängerung bis Ende 2023 diskutiert. Vor dem Hintergrund der schwachen Gesamtkonjunktur, wachsender geopolitischer Spannungen und anhaltender Covid-Restriktionen ist das Wachstum der Branche für Chinas Wirtschaft insgesamt von hoher Bedeutung.
Doch die anhaltende Hitzewelle setzt im Spätsommer 2022 die NEV-Lieferkette unter Druck: von Produktionsausfällen sind vor allem die auf Wasserkraft angewiesene Provinz Sichuan sowie die regierungsunmittelbare Stadt Chongqing betroffen. Dort ansässige Produzenten von Lithiumprodukten wie beispielsweise die Tianqi Lithium Corp. oder Werke des weltweit größten Batterieherstellers CATL können, wie andere Komponentenzulieferer auch, zeitweise nicht produzieren. Welche Dimensionen der Schaden bei anhaltenden Produktionsausfällen für die Lieferketten zunächst in China und in der Folge weltweit nehmen könnte, bleibt abzuwarten. Auch europäische Firmen sind betroffen.
BYD ist Spitzenreiter beim Absatz in China
Platzhirsch bei den inländischen NEV-Kunden ist der südchinesische Hersteller BYD. Er baut sowohl Akkus (ursprünglich nur für die eigene Produktion) als auch Elektroautos. Seit März 2022 produziert BYD keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr.
Marken | 2021 | 1. Halbjahr 2022 |
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BYD | 593.745 | 623.524 |
Tesla | 320.743 | 198.445 |
GAC Aion | 123.660 | 103.180 |
XPeng | 98.155 | 69.086 |
Hozon Neta | 69.674 | 61.848 |
Li Auto | 90.491 | 60.403 |
Leapmotor | 43.121 | 51.349 |
NIO | 91.429 | 51.341 |
Um mit der chinesischen Konkurrenz mithalten zu können, investieren auch ausländische Original Equipment Manufacturer (OEM) wie Volkswagen, BMW und Daimler weiterhin in China. Dortige Produktionskapazitäten sollen zunächst die chinesische Nachfrage bedienen, wobei ausländische Elektroautos mit Ausnahme von Tesla bislang wenig gefragt sind. Die Werke sollen wohl auch die Welt bedienen.
Vorbild ist Tesla mit seiner Gigafabrik in Shanghai. Dort produzierte das Unternehmen nach Angaben der China Passenger Car Association (CPCA) allein im 1. Halbjahr 2022 (trotz des zweimonatigen Covid-bedingten Lockdowns) knapp 295.000 Fahrzeuge, wovon allein ein Drittel in den Export gingen. Damit waren 26 von 100 aus China ausgeführten Elektro-Pkw Tesla-Modelle. Künftig soll jeweils ein Joint Venture von Mercedes-Benz sowie BMW mit den entsprechenden Partnern in China batteriebetriebene Smart und Mini für die Welt produzieren, inklusive China.
Batterierecyclinganlagen im Aufbau
Produktion für die benötigten Akkus wird gleich mitaufgebaut: Nahezu alle größeren Batteriehersteller erweitern ihre Kapazitäten, allen voran CATL und BYD. Bewegung gibt es auch bei Projekten für das Recycling von Batterien und Akkus. Basierend auf Angaben einer Publikation der American Chemical Society liegt China mit existierenden und geplanten Recyclinganlagen für Lithiumbatterien Ende 2021 weltweit mit deutlichem Abstand an der Spitze.
Akteur/Projekt | Investitionssumme* | Anmerkungen |
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BYD-Industriepark für NEV-Komponenten in Xi'an (Provinz Shaanxi) | 2,18 | Baubeginn: 05.12.2021; geplanter Betriebsstart: 2024; anfänglich angestrebte Jahresproduktion: Komponenten (u. a. elektronische Steuerung, Motoren) mit einem Produktionswert von rund 10 Milliarden Euro |
BYD-Produktionsbasis für integrierte Entwicklung und Anwendung in Yichun (Provinz Jiangxi) | 4,15 | Unterzeichnung eines Rahmenabkommens mit Yichun am 15.08.2022; geplante Jahresproduktion: 30 GWh Akkus; 100.000 jato Lithiumkarbonat |
NEV-Produktionswerk von Audi-FAW in Changchun (Provinz Jilin) | 5,09 | Baubeginn: 28.06.2022; geplante Betriebsaufnahme: Dezember 2024; geplante Jahreskapazität: 150.000 Fahrzeuge |
Intelligente Fertigungsfabrik für Elektro-Pkw von Beijing Li Auto (Beijing) | 0,94 | Produktionsstart: voraussichtlich 2023; Produktionskapazität: ca. 100.000 Einheiten pro Jahr |
F&E- sowie Fertigungsprojekt für Brennstoffzellen von Toyota SinoHytec Fuel Cell (Beijing) | k. A. | Projektvergabe: Juli 2022; Produktionslinie für Brennstoffzellen, Testlinie, Forschung und Entwicklung von Wasserstoff-Brennstoffzellensystemen, Produktion von Brennstoffzellensystemen; geplante Produktionskapazität: 10.000 Einheiten pro Jahr |
Angesichts der Zuspitzung der wirtschaftlichen und geopolitischen Auseinandersetzung zwischen China und den USA drohen einige bislang erfolgreiche Start-ups (häufig mit internationalem Hintergrund) zwischen die Fronten zu geraten. Gerade Start-ups mit Fokus auf autonomes Fahren auf Level 5, wie beispielsweise Pony.ai, fehlt ein profitables Geschäftsmodell; die nächste Finanzierungsrunde zu überstehen, ist schwierig.
Erste Robotaxis ohne Fahrer
Die Unterstützung der Regierung ist ungebrochen. Anfang August 2022 gab Baidu bekannt, in ausgewiesenen Gebieten in den Städten Wuhan (Provinz Hubei) und Chongqing Genehmigungen für den kommerziellen Betrieb komplett fahrerloser Robotaxis erhalten zu haben. Nach eigenen Angaben ist Baidu bezüglich entsprechender Genehmigungen ebenfalls mit Beijing, Shanghai und Shenzhen im Gespräch. Die Transportkommission der Stadt Shanghai arbeitet an Regelungen für intelligent vernetzte Fahrzeuge – unter anderem Robotaxis. Im August 2022 lag ein Entwurf vor.
Der Robotaxi-Service Apollo Go von Baidu hat gemäß Unternehmensangaben seit 2020 über eine Million Fahrten in zehn chinesischen Städten absolviert. Allerdings bleiben wesentliche Versicherungs- und Haftungsfragen ungeklärt, ist aus der Branche zu hören. Inwieweit ausländische Automobilhersteller beim autonomen Fahren in China künftig noch Forschung und Entwicklung vorantreiben wollen und können, hängt auch von der Präzisierung des rechtlichen Rahmens ab: China beschränkt den Transfers personenbezogener sowie „wichtiger“ Daten außerhalb des Landes.
China fördert Brennstoffzelltechnologie
Das Bestreben nach mehr Klimaschutz und Technologieführerschaft ist ein Motor hinter Chinas erstem mittelfristigen Entwicklungsplan für Wasserstoff bis 2025. Teil dessen ist die Förderung der Brennstoffzellentechnologie und entsprechender Fahrzeuge (FCEV – Fuel Cell Electric Vehicle). Ende 2021 fuhren etwa 8.000 FCEV auf Chinas Straßen; 2021 wurden mit knapp 1.600 Fahrzeugen fast 35 Prozent mehr als im Vorjahr verkauft. Bei den meisten handelt es sich um Busse oder Lastwagen. Das Segment befindet sich in einer Pilotphase und ist stark von Subventionen abhängig. Dennoch soll die Zahl der FCEV bis 2025 auf 50.000 steigen.