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Wirtschaftsumfeld | China | Geschäftsklima

China erhöht wirtschaftlichen Druck auf Unternehmen

Immer häufiger sanktioniert die chinesische Regierung "nicht-konformes" Verhalten ausländischer Firmen. Bei der Auswahl der Sanktionsmittel geht Beijing pragmatisch vor.

Von Katharina Viklenko | Bonn

Die Bekleidungskette H&M sowie mehrere Sportartikelhersteller wie Adidas, Puma und Nike wurden im Frühjahr 2021 zu Zielscheiben staatlich gesteuerter Boykott-Aktionen, nachdem sie aufgrund der Menschenrechtslage in Xinjiang keine Baumwolle mehr aus der westchinesischen Region beziehen wollten. Durch den politischen Streit zwischen China und Litauen über die Eröffnung einer taiwanischen De-facto-Botschaft in dem baltischen Land Ende 2021 gerieten auch deutsche Firmen ins Kreuzfeuer. Auf den Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi Anfang August 2022 in Taiwan reagierte die Volksrepublik mit teilweisen Im- und Exportbeschränkungen. All dies sind prominente Beispiele, die aufzeigen, wie Beijing wirtschaftlichen Druck auf Unternehmen oder ganze Regierungen im Ausland ausübt, um politische Zugeständnisse zu erzwingen.

Zunehmend aggressivere Rhetorik gegenüber ausländischen Unternehmen

Eine Studie des Mercator Institute for China Studies (MERICS) untersucht, wie Beijing wirtschaftlichen Zwang einsetzt, um strategische Ziele durchzusetzen. Im analysierten Zeitraum von Februar 2010 bis März 2022 identifizierte der Thinktank insgesamt 123 Fälle. Zugleich dürfte die Dunkelziffer höher ausfallen, so die Einschätzung der Studienautoren. Zahlreiche betroffene Firmen würden Vorfälle aus Sorge vor weiteren negativen Reaktionen nicht öffentlich bekannt machen.

Alarmierend ist dabei die zunehmend aggressive Rhetorik der chinesischen Regierung auf der internationalen Weltbühne. Einen deutlichen Anstieg der Zwischenfälle hat das Forschungsinstitut seit dem Jahr 2018 festgestellt. Waren es vorher rund vier Fälle von wirtschaftlichem Zwang pro Jahr, zählten die Analysten ab 2018 durchschnittlich 20 Vorfälle per annum. MERICS-Chefökonom und Mitautor der Studie Max J. Zenglein erläutert die Taktik der chinesischen Regierung folgendermaßen:

"Beijing drängt ausländische Firmen, heikle Themen zu umgehen, indem es den Eindruck erweckt, dass ihre Geschäftsinteressen von 'korrektem' Verhalten abhängen."

Eine weitere Besonderheit ist die Vielfältigkeit der Auslöser, auf die Beijing mit Einschüchterung reagiert. Traditionell schaltete sich die Regierung ein, wenn sie sich in Fragen der nationalen Souveränität, der nationalen Sicherheit oder bei territorialen Streitigkeiten benachteiligt sah. Als sogenannte neue "rote Linien" sind in den letzten Jahren weitere Auslöser hinzugekommen: das Chinabild auf der internationalen Weltbühne, der Umgang mit chinesischen Firmen im Ausland sowie als "anti-chinesisch" aufgefasste Maßnahmen anderer Länder. Beispielsweise belegte China als Reaktion auf Australiens Kritik am Umgang der Volksrepublik mit der Coronapandemie etwa Kohle- und Kupferimporte aus Down Under mit Sanktionen.

Öffentliche Boykotte bei Firmen, Handelsrestriktionen bei Regierungen als Mittel der Wahl

Die MERICS-Studie unterscheidet insgesamt sechs verschiedene Arten von wirtschaftlichem Druck. In mehr als der Hälfte der untersuchten Zwischenfälle prangerte die chinesische Bevölkerung Waren ausländischer Produzenten an und boykottierte diese. Auch administrative Hürden und subtile Nicht-Gleichbehandlung sind in Chinas Instrumentenkasten zu finden, lassen sich allerdings kaum nachweisen. Des Weiteren haben handelspolitische Maßnahmen und Handelsbeschränkungen in den letzten Jahren an Signifikanz gewonnen.

Die effektivste Maßnahme in Beijings Repertoire dürfte jedoch die alleinige Androhung von möglichen Vergeltungsmaßnahmen darstellen. Die Ungenauigkeit der chinesischen Rhetorik und die Unvorhersehbarkeit der tatsächlichen Auswirkungen auf das eigene Geschäftsfeld mehren die Befürchtung ausländischer Firmen, dass auch ihr Unternehmen zur Zielscheibe werden könnte. Dieses Risiko ist eine weitere neue Dimension, die für Firmen den Umgang mit China zu einem Balanceakt macht. Zugleich werden Unternehmen in China zum Spielball politischer Interessen.

Kritische Industriesektoren und Hightech-Firmen seltener unter Druck

Am häufigsten betroffen ist der Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich sowie Lieferanten von Agrargütern und Vorprodukten. Bei der Auswahl der sanktionierten Firmen geht die Volksrepublik äußerst pragmatisch vor. So versucht die Regierung, Auswirkungen auf die eigene Wirtschaft und den heimischen Handel möglichst gering zu halten. Gemäß der MERICS-Studie kristallisieren sich vier Verhaltensmuster heraus.

Firmen müssen immer häufiger politischen Spagat meistern

Auch in den Geschäftsklimaumfragen der Europäischen Handelskammer in China (EUCCC) taucht Wirtschaftsnationalismus regelmäßig als Herausforderung für Mitgliedsfirmen vor Ort auf. Im aktuellsten Positionspapier 2022/23 beklagt die EUCCC zusätzlich die intensivierte Politisierung des Chinageschäfts. Das Chinabild in westlichen Ländern ist kritischer geworden. Die negative öffentliche Stimmung sowie erkannte einseitige Abhängigkeiten sorgen dafür, dass Firmen sich häufiger öffentlich positionieren müssen. Gleichzeitig verfügt China über weitgehende Möglichkeiten, um Unternehmen, die sich kritisch zu China äußern, den Marktzugang zu erschweren. Mitunter wirkt sich das zunehmend angespannte Verhältnis mit der EU auf europäische Firmen aus.

Westliche Unternehmen können von Ostasien lernen

Rund ein Viertel der von MERICS untersuchten Fälle von wirtschaftlichem Druck erstreckten sich auf Firmen aus Japan, Südkorea und Taiwan. Aufgrund der geografischen Nähe sowie engen kulturellen und historischen Beziehungen verfügen ostasiatische Unternehmen über einen großen Erfahrungswert im Umgang mit dem Reich der Mitte. Firmen sollten ihr Risikoportfolio auf dem chinesischen Markt kontinuierlich prüfen und regelmäßig neu bewerten. Des Weiteren kann die Diversifizierung und Erschließung alternativer Märkte eine vorbeugende Maßnahme darstellen. Mitautor der MERICS-Studie Alexander Brown betont ferner:

„Gerade resiliente Großunternehmen verfügen über eine gewisse Hebelkraft, die sie einsetzen sollten, um europäische Werte und Interessen gegenüber China einzufordern.“

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