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Special | Zentralasien | Konnektivität
Im 3. Quartal 2022 nahm die europäische Konnektivitätsinitiative Zentralasien ins Visier. Dort verkündete die EU auch erste konkrete Projekte.
05.01.2023
Von Lisa Flatten, Martin Walter | Bonn
Im usbekischen Samarkand fand am 18. November 2022 die EU-Zentralasien Konnektivitätskonferenz statt. Sie fokussierte sich auf die drei Themen Digitalisierung, Verkehr sowie Wasser und Energie. Hier wurden erste Global-Gateway-Maßnahmen für die fünf zentralasiatischen Länder Kirgisistan, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan vorgestellt. Im Nachgang des ersten Global Gateway Board Meetings verkündete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Mitte Dezember 2022 zudem weitere Details zu geplanten Projekten.
Einen Teil der Finanzierung für Global-Gateway-Vorhaben stellt die EU im Rahmen ihres neuen Instruments Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (NDICI, kurz Global Europe genannt) zur Verfügung. Über die im Global-Europe-Instrument vorgesehenen Mehrjahresrichtprogramme MIP (Multiannual Indicative Programmes) stehen den Ländern in Zentralasien von 2021 bis 2024 rund 300 Millionen Euro an Fördermitteln zu. Mitte November 2022 sprach Josep Borrell sogar von 390 Millionen Euro, die der Region zwischen 2021 und 2024 über bilaterale und regionale Programme zur Verfügung stehen sollen. Darin enthalten sind zwei sogenannte Team-Europe-Initiativen (TEI) für die Region, für die die Konferenz in Samarkand offiziell den Startschuss gab. Als Team Europe werden die gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen der Europäischen Kommission in Kooperation mit den EU-Mitgliedsstaaten und deren Finanzinstitutionen bezeichnet. |
Die erste Team-Europe-Initiative umfasst den Ausbau digitaler Infrastruktur. Hierbei will die EU das bestehende Glasfaserkabel im Schwarzen Meer, welches bislang Bulgarien mit Georgien verbindet, über Aserbaidschan und das Kaspische Meer nach Zentralasien verlängern.
Daneben will die EU den Zugang zu sicherem Internet durch Satellitenverbindungen verbessern. Es ist geplant, Erdstationen mit integrierten Internetknoten und grünen Datenzentren in Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan zu positionieren und mit der bestehenden Breitbandinfrastruktur zu verbinden. Neben Infrastrukturinvestitionen wird die EU auch Reformen bei der digitalen Verwaltung, im Telekommunikationssektor, beim Datenschutz und der Cybersicherheit fördern. Borrell verkündete Ende 2022, dass die EU 60 Millionen Euro investieren wird, um ein Hochleistungsinternet in der Region aufzubauen.
Auch im Energiesektor gibt es eine Team-Europe-Initiative sowie mehrere konkrete Global-Gateway-Projekte. Die TEI für Wasser, Energie und Klimawandel soll zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wasser- und Energieressourcen und zur Bewältigung von Umweltproblemen in der Region beitragen. Die hierfür vorgesehenen 700 Millionen Euro sollen auch in Infrastrukturprojekte (Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, Wasserkraft) fließen. Die EU steuert hierzu aus ihrem Budget 200 Millionen Euro bei.
Auch zwei bereits mit Tadschikistan gestartete bilaterale Programme für Energie und Wasser sind im Rahmen der TEI zu sehen: das Sustainable Energy Support Programme (15 Millionen Euro) und das Rural Drinking Water Supply Sanitation Project (14 Millionen Euro).
Das SECCA-Programm (Sustainable Energy Connectivity in Central Asia) ist ein weiteres Projekt, das die Konferenz in Samarkand im November offiziell lancierte. Es soll mit seinem 6,8-Millionen-Euro-Budget zu einem nachhaltigen Energiemix, einer regionalen Energieintegration und zu Reformen im Bereich der erneuerbaren Energien beitragen.
Die EU beteiligt sich in Tadschikistan zudem am Bau des 8 Milliarden US-Dollar (US$) teuren Rogun-Wasserkraftwerks. Seit 2016 wurden bereits 3 Milliarden US$ in das Kraftwerk investiert. Die EU wird nun 15 Prozent der verbleibenden 5 Milliarden US$ beisteuern. Mit einer Kapazität von 3.600 Megawatt wird das Kraftwerk die Stromproduktion in Tadschikistan verdoppeln und das von häufigen Stromausfällen geplagte Land energietechnisch unabhängig machen. Überkapazitäten könnten nach Usbekistan und Kasachstan exportiert werden.
Im November 2022 verabschiedete die EU mit Kasachstan eine strategische Partnerschaft zu Rohstoffen, Batterien und erneuerbarem Wasserstoff. Die Zusammenarbeit soll Wertschöpfungsketten für erneuerbaren Wasserstoff und Batterien fördern, Standards angleichen und gemeinsame Projekte identifizieren.
Passend zur europäisch-kasachischen Partnerschaft schlossen im Oktober 2022 die deutsch-schwedische Svevind Energy Group und die kasachische Regierung ein 50 Milliarden Euro schweres Investitionsabkommen. Konkret soll in der Mangystau-Region nahe dem Kaspischen Meer eine der weltweit fünf größten Wasserstoffproduktionsanlagen entstehen. Mit Hilfe von Solar- und Windkraft sollen hier ab 2030 jährlich 2 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden. |
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) bewertet im Auftrag der Europäischen Kommission im Rahmen einer Studie bestehende und potenzielle neue Landkorridore in Zentralasien.
Die EBRD untersucht drei Routen auf Grundlage strenger Nachhaltigkeitskriterien sowohl in Bezug auf deren physische Infrastruktur als auch auf deren Rahmenbedingungen. Breit angelegte Stakeholder-Konsultationen sollen mögliche Engpässe der Routen und die hierfür verantwortlichen Ursachen identifizieren. Die hieraus von der EBRD abgeleiteten Schlüsselmaßnahmen sollen der EU als Vorlage für nachhaltige Investitionen in Transportkorridore dienen. Vor der Umsetzung sollen interessierte Investoren die vorgeschlagenen Projekte einer Due-Dilligence-Prüfung unterziehen. Die Bank wird die Studienergebnisse voraussichtlich Ende Mai 2023 auf dem EU-Zentralasien Forum in Kasachstan präsentieren.
Die EU möchte ihr erweitertes transeuropäisches Verkehrsnetz (TEN-V) effektiver mit den fünf zentralasiatischen Staaten verbinden. Dabei sollen Verbindungen mit dem westlichen Balkan, der Türkei und den Ländern der östlichen Partnerschaft der EU, hauptsächlich in der Kaukasusregion, mitgedacht werden. Der Ausbau des sogenannten Middle Corridors stand auch im Vordergrund des Transportpanels auf der Konferenz in Samarkand.
Um diese Route langfristig zu einer Alternative zu den Eisenbahnverbindungen über Russland auszubauen, ist einiges zu tun. Noch ist die mittlere Route zu langsam und zu teuer. Unternehmen, die den mittleren Korridor als Alternative nutzen wollten, wechselten oft doch wieder auf die russische Nordroute zurück. Laut eines Diskussionsteilnehmers von Rhenus Logistics sollte die europäische Seite zuerst einen Strategieplan für einen voll funktionsfähigen Korridor ausarbeiten, bevor der konkrete Ausbau folgt.
Neben der Einführung eines Warentrackingsystems schlugen die Diskutanten auf der Konferenz eine stärkere Kooperation im Zollwesen, die Vereinheitlichung von Zollbestimmungen sowie digitale Technologien für Grenzverfahren vor. Dies könnte Wartezeiten enorm verkürzen und den grenzüberschreitenden papierlosen Handel erleichtern. Ein kasachischer Regierungsvertreter äußerte die Hoffnung, dass sich die EU am Aufbau eines einheitlichen Zolltarifsystems entlang des Korridors beteiligt. Einigkeit bestand, zuerst die schnell umzusetzenden, nicht-kapitalintensiven Investitionen zu realisieren, solange sich der Ausbau der harten Infrastruktur noch in der Planung befindet.
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