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Special | Asien-Pazifik | Global Gateway

Global Gateway im Asien-Pazifikraum

Die EU hatte bereits 2018 eine EU-Asien-Konnektivitätsstrategie ins Leben gerufen. Global Gateway baut nun darauf auf und setzt Schwerpunkte in Entwicklungsländern. 

Für die Region Asien-Pazifik hat die EU 2023 und 2024 insgesamt 37 Flagship-Projekte ausgewählt. Bisher hat die EU nur ein Investitionsziel für die ASEAN-Region in Höhe von 10 Milliarden festgelegt. Wichtige Global-Gateway-Leuchtturmprojekte befinden sich auch in Zentralasien.

  • Global Gateway nimmt in Zentralasien Gestalt an

    Die Leuchtturmprojekte der EU-Initiative in Zentralasien sind ambitioniert. Finanzielle Zusagen der EU gibt es schon, doch die Umsetzung läuft schleppend. (Stand: 20.08.2024)

    Mit sieben Leuchtturmprojekten will die EU im Rahmen von Global Gateway die Infrastrukturentwicklung in Zentralasien unterstützen. Vier Flagship-Projekte wurden 2023 nominiert, drei weitere 2024. Weltweit verfolgt die EU über 200 Leuchtturmprojekte in den Bereichen Transport, Klima und Energie, Digitales, Gesundheit und Bildung.

    EU fördert Ausbau von Verkehrskorridoren

    Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hat 2023 im Auftrag der EU in einer Studie das Potenzial des Transkaspischen oder Mittleren Korridors zwischen Zentralasien und Europa bewertet. Die EBRD-Studie ist Grundlage des Leuchtturmprojekts Nachhaltige Transportkonnektivität, mit dem die EU den Ausbau der Transportinfrastruktur in Zentralasien fördert. Mehr als 30 potenzielle Projekte mit einem Investitionsumfang von rund 18,5 Milliarden Euro identifiziert die Studie. Die Vorhaben könnten – falls umgesetzt – die Konnektivität der zentralasiatischen Länder untereinander und ihre Anbindung an europäische Transportnetze verbessern.

    Der Studie folgte eine Investorenkonferenz im Januar 2024 in Brüssel, bei der die EU Zentralasien 10 Milliarden Euro zusagte. Die Mittel setzen sich aus bereits laufenden und geplanten Investitionen zusammen. Sie finanzieren unter anderem eine Koordinationsplattform. Sie soll die Zusammenarbeit zwischen der EU und den fünf zentralasiatischen Partnerländern verbessern, um die Entwicklung des Mittleren Korridors auf Kurs zu halten. Die Plattform hat am 12. Juni 2024 ihre Arbeit aufgenommen.

    Team Europe will Hochleistungsinternet mit Satelliten bereitstellen

    Im Rahmen einer sogenannten Team-Europe-Initiative (TEI) wird die EU die digitale Infrastruktur in Zentralasien ausbauen. Ein Ziel ist die Verbesserung des Zugangs zu sicherem Internet durch Satellitenverbindungen. Dafür sollen Bodenstationen mit integrierten Internetknoten und grünen Datenzentren in Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan mit bereits bestehender Breitbandinfrastruktur verbunden werden. Zudem werden die Länder dabei unterstützt, ihr jeweiliges rechtliches und regulatorisches Umfeld modernen Erfordernissen anzupassen.

    Für das Hochleistungsinternet in Zentralasien will die EU 55 Millionen Euro an Zuschüssen investieren. Eine erste Tranche von 20 Millionen Euro wird voraussichtlich Ende 2024 freigegeben. Eine Gruppe europäischer Organisationen unter Leitung von Expertise France soll die zentralasiatischen Länder gesetzgeberisch beraten. Die weiteren 35 Millionen Euro, finanziert durch die Europäische Investitionsbank (EIB), sind für den Bau der Bodenstationen vorgesehen. Hierzu führen EU und EIB Gespräche. Geplant sind außerdem EIB-Kredite für das Betreiberunternehmen. Gute Chancen rechnet sich das Luxemburger Unternehmen SES aus, das seit mehreren Jahren in die Vorbereitung des Projekts involviert ist.

    Zwei Leuchtturmprojekte zum Thema Rohstoffe

    Die EU hat Zentralasien außerdem als Lieferanten für kritische Rohstoffe ins Auge gefasst. Dafür gibt es zwei Global-Gateway-Flagships: eines mit Kasachstan und eines mit allen fünf Ländern Zentralasien. Beide Vorhaben zielen darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen der EU und den relevanten zentralasiatischen Ländern bei kritischen Rohstoffen zu verstärken und die Widerstandsfähigkeit der Rohstoff- und Batterieversorgungsketten durch technische Vorbereitungsarbeiten zu erhöhen.

    Die im Jahr 2022 geschlossene strategische Partnerschaft mit Kasachstan zu Rohstoffen, Batterien und grünem Wasserstoff wurde 2023 als Leuchtturmprojekt für Global Gateway nominiert. Teil dessen ist das Projekt Hyrasia One der deutschen Svevind Energy Group, die mit ihrer kasachischen Tochter Hyrasia Energy am Kaspischen Meer ab 2030 pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff beziehungsweise 11 Millionen Tonnen grünen Ammoniak erzeugen will.

    Mit dem 2024 zu Global Gateway hinzugefügten Leuchtturmprojekt zu kritischen Rohstoffen will die EU ihr Engagement im Bereich Rohstoffe auf ganz Zentralasien ausdehnen. Alle Partnerländer in Zentralasien sollen technische Hilfe sowie Investitionen für die Expoloration und Produktion von kritischen Rohstoffen nach internationalen Standards erhalten. Basis dieser Aktivitäten ist ein neues regionales EU-Programm für Wohlstand in Zentralasien, für das die EU insgesamt 14 Millionen Euro eingeplant hat. Davon sind 3 Millionen Euro für kritische Rohstoffe vorgesehen.

    Zwei Leuchtturmprojekte zu Wasser, Energie und Klimawandel

    Die TEI Wasser, Energie und Klimawandel stellt insgesamt 800 Millionen Euro – davon 200 Millionen Euro von der EU selbst finanziert – für die nachhaltige Nutzung von Wasser- und Energieressourcen, für Versorgungsnetze und zur Bewältigung von Umweltproblemen zur Verfügung. Sie ist das derzeit umfangreichste Paket im Rahmen von Global Gateway in Zentralasien und beinhaltet zwei als Leuchttürme ausgewiesene Projekte: die Unterstützung Tadschikistans beim Ausbau des Wasserkraftwerkes Rogun und die Unterstützung Usbekistan bei der nachhaltigen Wiederherstellung geschädigter Flächen am Aralsee.

    Im Rahmen der TEI Wasser, Energie und Klimawandel hat die EU hat bisher 20 Millionen Euro bereitgestellt. Davon werden 8 Millionen Euro von der Weltbank im Wasser- und Energieprogramm für Zentralasien verwaltet und weitere 12 Millionen Euro von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Diese übernimmt auch das Sekretariat der gesamten TEI.

    Finanzierungsinstrumente als übergreifendes Leuchtturmprojekt

    In Zentralasien setzt die EU ein bereits für andere EU-Partnerregionen genutztes Finanzierungsinstrument ein: Investitionsfazilitäten zur Kombination von Mitteln der EU sowie anderer öffentlicher und privater Quellen für die grüne und digitale Transformation. Dieser Ansatz sogenannter "blended finance" soll die Bereitstellung von Mitteln vor Ort vorantreiben und so die EU-Anschubfinanzierung in Form von Zuschüssen ergänzen. Teil dessen ist auch der Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung Plus (EFSD+)

    Einen Teil der Finanzierung für Global-Gateway-Vorhaben in Zentralasien stellt die EU mit ihrem Instrument Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (NDICI – Global Europe) zur Verfügung. Über die dort vorgesehenen Mehrjahresrichtprogramme (Multiannual Indicative Programmes, MIP) stehen den Ländern in Zentralasien von 2021 bis 2024 rund 300 Millionen Euro an Fördermitteln zu.

    Von Lisa Flatten, Edda Schlager | Bonn, Berlin

  • EU unterstützt Bau von Wasserkraftwerk Rogun in Tadschikistan

    Die Verhandlungen zur Höhe finanzieller EU-Zusagen laufen noch. Doch das Projekt hat jetzt Priorität. Denn nicht nur Tadschikistan braucht grünen Strom, sondern ganz Zentralasien. (Stand: 09.04.2024)

    Der Weiterbau des Wasserkraftwerks Rogun in Tadschikistan wird nach jahrzehntelangem Aufschub konkret. Auch dank der EU, denn diese unterstützt das Land dabei, das technisch und finanziell anspruchsvolle Megaprojekt fertigzustellen. Das Kraftwerk ist eines von derzeit sechs Leuchtturmprojekten der europäischen Konnektivitätsinitiative Global Gateway in Zentralasien. Es soll nicht nur die Produktion von grünem Strom in Tadschikistan deutlich steigern, sondern so auch die Energieversorgungssicherheit in der gesamten Region Zentralasien verbessern. 

    Höchster Staudamm der Welt geplant

    Ganze 3.780 Megawatt Leistung soll das Kraftwerk am Fluss Vakhsh haben, wenn es in Betrieb geht. Fast 60 Jahre werden dann von den ersten Bauarbeiten im Jahr 1976 bis zum derzeit avisierten Bauabschluss im Jahr 2035 vergangen sein. Der Staudamm wäre mit 335 Metern der höchste weltweit. 

    Der Zusammenbruch der Sowjetunion brachte das Bauprojekt erstmals zum Stillstand. Darauf folgten mehrere Vereinbarungen mit Russland zur Fertigstellung, die nie umgesetzt wurden. Seit 2008 wird das Projekt fortgesetzt. Im Jahr 2018 ging ein erster Kraftwerksblock mit 200 Megawatt Leistung ans Netz, 2019 ein zweiter gleichwertiger. Diese beiden Blöcke sollen auf jeweils 630 Megawatt erweitert werden. Insgesamt sollen bis 2035 dann sechs solcher Blöcke installiert sein. Damit beauftragt wurde der deutsche Technologiekonzern Voith. Für die weitere Erhöhung des Staudamms zeichnet der italienische Konzern Webuild (früher Salini Impregilo) verantwortlich, der schon mehrere Jahre an dem Projekt tätig ist.

    Geplante Parameter des Wasserkraftwerks Rogun
    Indikator 

    Gesamtkapazität

    3.780 MW 1)

    Erzeugte Strommenge

    13 bis 17 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr

    Höhe des Staudamms

    335 Meter

    Staufläche

    170 Quadratkilometer

    Volumen des Stausees

    13,3 Kubikkilometer

    Phase I, bis 2028, geplant

    • Dammhöhe: 1.185 Meter über Meeresspiegel

    • installierte Leistung: 1.660 MW (400 MW der temporären Kraftwerksblöcke 5 und 6 plus 1.260 MW der neu installierten permanenten Kraftwerksblöcke 3 und 4)

    Phase II, bis 2035, geplant

    • Dammhöhe: 1.300 Meter über Meeresspiegel 

    • installierte Leistung: 3.780 MW (6 neu installierte permanente Kraftwerksblöcke à 630 MW) 

    • Kosten: 3,66 Milliarden US$

    1 Megawatt.Quelle: AIIB 2023

    Internationale Geberorganisationen gefordert

    Neben der Technologie sind die Kosten die größte Herausforderung. Wurde 2008 noch mit Gesamtkosten von rund 3 Milliarden US-Dollar (US$) geplant, gehen tadschikische und internationale Planer mittlerweile davon aus, dass weitere 6,2 Milliarden US$ aufgebracht werden müssen. Das ist mehr als die Hälfte des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts von 130 Milliarden Somoni (TJS; circa 11,8 Milliarden US$).

    Bisher wurde der Bau durch staatliche Mittel finanziert. Seit 2008 flossen 35 Milliarden TJS (circa 3,2 Milliarden US$) in das Projekt, allein im Jahr 2023 rund 456 Millionen US$, so die Regierung.

    Fakt ist, ohne die Hilfe internationaler Geberinstitutionen kann das Wasserkraftwerk Rogun nicht fertiggestellt werden. Die Weltbank hat deshalb, gemeinsam mit der EU,  der Islamischen Entwicklungsbank (IsDB) und der Asiatischen Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) ein Finanzpaket von 2,44 Milliarden US$ in Aussicht gestellt. Es wird derzeit verhandelt, was davon als Darlehen und was möglicherweise als Zuschuss erteilt wird, um die hohe Auslandsverschuldung Tadschikistans von 6,7 Milliarden US$ (Dezember 2023) im Rahmen zu halten. Weitere internationale Geber haben Zusagen erteilt.  

    Auswahl bereits vereinbarter Zusagen internationaler Geberorganisationen

    Geber

    Förderung (in Millionen US$)

    Anmerkungen

    Weltbank

    15

    Zuschuss; bis 2026; Technische Hilfe für den Finanzierungsrahmen

    AIIB

    500

    Vorzugsdarlehen; bis 2028 (Phase 1) 

    ADB

    110

    Zuschuss; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm 

    (wegen Überflutung der alten Straße durch den künftigen Staudamm)

    AIIB

    40

    Darlehen; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm

    EBRD

    150

    Darlehen; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm

    OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) Fund for International Development

    40

    Darlehen; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm

    Islamische Entwicklungsbank IsDB

    150

    Darlehen (Erhöhung auf 250 Mio. US$ wird erwogen); 

    Ausschreibungslos 4, linkes Ufer, Tiefbauarbeiten

    Saudi Development Fund

    100

    Darlehen; Ausschreibungslos 4, linkes Ufer, Tiefbauarbeiten

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    EU unterstützt mit Team-Europe-Initiative

    Die EU bringt sich in das Projekt im Rahmen von Global Gateway mit der Team-Europe-Initiative (TEI) Wasser, Energie und Klimawandel in Zentralasien ein. Beteiligt sind Finnland, Frankreich, Deutschland, Lettland, Rumänien und die Slowakei als verantwortliche Mitgliedsländer sowie die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Ziele der TEI sind eine verbesserte regionale Zusammenarbeit und Governance, um die nachhaltige Entwicklung in Zentralasien zu unterstützen, sowie Investitionen in eine regional integrierte, grüne Transformation in Zentralasien. 

    Noch ist der Anteil der finanziellen Unterstützung für Rogun seitens der EU nicht bekannt. Doch eine Delegation der EIB besuchte Mitte März 2024 Tadschikistan und traf sich mit allen Stakeholdern vor Ort, um weitere Schritte zu diskutieren. Laut der innerhalb der EU-Kommission zuständigen Generaldirektion Internationale Partnerschaften (DG INTPA) werde mit einer Einigung und öffentlichen Bekanntgabe bis spätestens zum 1. Quartal 2025 gerechnet. Die EU bekennt sich dazu, einer der maßgeblichen Geber des Projekts zu werden.

    Künftiger Energielieferant für Zentral- und Südasien 

    Rogun spielt für Tadschikistan, das von permanenter Energieknappheit betroffen ist, eine wichtige Rolle. Schon heute deckt das wasserreiche Hochgebirgsland rund 95 Prozent seines Energiebedarfs aus Wasserkraft. Mit den avisierten jährlich produzierten 13 bis 17 Milliarden Kilowattstunden würde Rogun etwa so viel Strom produzieren wie 65 bis 85 Prozent derzeit betriebenen Kraftwerke im Land.

    Das Wasserkraftwerk wäre zudem ein Gewinn für ganz Zentralasien. Denn es soll auch die Hochspannungsleitung CASA-1000 (Central Asia-South Asia Power Project) versorgen, die künftig bis zu 1,3 Gigawatt Strom aus Kirgisistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan liefern soll. Im März 2024 verkündeten die Taliban, dass eine nach ihrer Machtübernahme im Jahr 2021 gestoppte Bauphase des CASA-1000-Projekts in Afghanistan wieder aufgenommen werde. Wirtschaftliches Einbinden der von Extremismus bedrohten Region und damit die Sicherung politischer Stabilität, sind  – wenn auch nicht vordergründig genannte – Gründe der internationalen Gebergemeinschaft, das Projekt zu unterstützen.

    Stromtrasse verbindet Zentralasien mit Afghanistan und Pakistan

    Die 1.400 Kilometer lange Hochspannungsleitung CASA-1000 wird aus Wasserkraft erzeugten, grünen Strom aus Kirgisistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan liefern. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 1,2 Milliarden US$. Ab Mai 2024 wird die Weltbank die Finanzierung des Abschnitts in Afghanistan wieder aufnehmen, nachdem diese im August 2021 gestoppt worden war. 

    Umweltorganisationen wehren sich gegen Rogun

    Obwohl das Projekt mehr grüne Energie ermöglichen soll, hat sich im März 2024 eine Gruppe aus 17 Nichtregierungsorganisationen (NGO) mit einem Appell an die von der Weltbank geleitete Gruppe aus Geberinstitutionen gewandt. Sie fordern die bereits abgeschlossene Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung unter Einbezug der Öffentlichkeit zu wiederholen. Sie sei "aufgrund ihres begrenzten Umfangs, ihrer geringen Qualität und der Nichtbeachtung der wichtigsten potenziellen Auswirkungen völlig ungeeignet." Die möglichen negativen Auswirkungen auf das Einzugsgebiet des Flusses Vakhsh, die Biodiversität und die von Umsiedlung betroffene Bevölkerung im Überflutungsgebiet des Stausees müssten vermieden werden.

    Von Edda Schlager | Berlin

  • EU verspricht Zentralasien 10 Milliarden Euro für Transportsektor

    Studien für bessere Transportwege in Zentralasien liegen bereits auf dem Tisch. Nun sucht die EU im Privatsektor nach Ideen, wie sich die Vorhaben umsetzen lassen. (Stand: 19.02.2024)

    Europäische und internationale Finanzinstitutionen werden 10 Milliarden Euro für nachhaltige Verkehrsnetze in Zentralasien bereitstellen. Das ist das Ergebnis des Investorenforums für Transportkonnektivität zwischen der EU und Zentralasien. Dieses fand im Rahmen der europäischen Infrastrukturinitiative Global Gateway am 29. und 30. Januar 2024 in Brüssel statt. Die Mittelzusagen setzen sich zusammen aus laufenden und geplanten Investitionen. Laut EU-Kommission sollen diese kurzfristig durch die EU und ihre Partner in Form von Zuschüssen und Investitionsgarantien mobilisiert werden.

    Forum folgt Empfehlungen von EU-Transportstudie

    Das Forum diente als Follow-up-Veranstaltung zur im Sommer 2023 vorgelegten Studie zu nachhaltigen Transportkorridoren in Zentralasien. Die EU-Kommission hatte sie bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) beauftragt.

    Rund 500 Gäste waren der Einladung der EU zum Investorenforum für Transportkonnektivität in Zentralasien gefolgt. Laut Veranstalter so viel wie nie zuvor bei diesem Thema – ein Beleg für das gestiegene europäische Interesse an Zentralasien. Vertreten waren neben zahlreichen EU-Institutionen Regierungsmitglieder der fünf zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, Repräsentanten von Regierungsinstitutionen aus Armenien, Aserbaidschan, Georgien, der Türkei und weiteren europäischen Ländern. Hinzu kamen internationale Finanzinstitutionen und Unternehmen aus allen vertretenen Ländern. 

    Die EBRD-Studie identifizierte 33 Infrastrukturprojekte und sieben weiche Konnektivitätsfaktoren, die eine bessere Vernetzung der zentralasiatischen Länder untereinander und der Region mit Europa durch den sogenannten Mittleren Korridor ermöglichen sollen. Wie werden diese Projekte nun realisiert und welche zuerst? Das waren die drängenden Fragen der Teilnehmenden des Forums.

    EU plant umfangreiches Maßnahmenpaket

    Die EU antwortet mit folgenden im Zuge des Forums getroffenen Vorhaben und Vereinbarungen:

    • Die Europäische Investitionsbank (EIB) unterzeichnete mit den Regierungen Kasachstans, Kirgisistans und Usbekistans sowie mit der Entwicklungsbank Kasachstans (KDB) vier Absichtserklärungen in Höhe von insgesamt 1,47 Milliarden Euro, um die Verkehrsinfrastruktur zu entwickeln. Dazu gehört unter anderem technische Hilfe für ein regionales Verkehrsprogramm für Zentralasien, das 2025 verabschiedet werden soll.
    • Die EBRD unterzeichnete eine Absichtserklärung mit Kasachstan, die ein Bündel an Vorhaben im Wert von 1,5 Milliarden Euro vorsieht, wobei Projekte für bessere Verkehrskonnektivität in Zentralasien bereits vorbereitet werden.
    • Eine Koordinierungsplattform, um die Zusammenarbeit zu überwachen und zu verbessern und die Entwicklung des transkaspischen Verkehrskorridors auf Kurs zu halten.
    • Ein auf regionalen Wohlstand ausgerichtetes Programm, das 2024 anläuft, vom Internationalen Handelszentrum (ITC) und der OECD umgesetzt wird und auf die praktische Umsetzung und Nutzung der transkaspischen Verkehrsnetze abzielt.
    • Die Einführung des Instruments hochrangiger Berater, sogenannter Twinning Advisors, die ab 2024 in den Verkehrsministerien aller fünf zentralasiatischen Länder eingesetzt werden sollen. In den kommenden Monaten wird mit der Organisation von Treffen zum Thema weiche Konnektivität begonnen.

    Wie genau sich die Investitionssumme von 10 Milliarden Euro über die genannten Eckpunkte hinaus zusammensetzt, ist bislang unbekannt. Ausschreibungen von EIB, EBRD und anderen Gebern sowie Projektmeldungen finden Sie in der GTAI-Datenbank.

    Interesse am Mittleren Korridor wächst – trotz Problemen

    Die Schwächen des Mittleren Korridors wurden beim Forum offen diskutiert: Moderne Transportinfrastruktur fehlt stellenweise. Zollverfahren an den zahlreichen zu überquerenden Landesgrenzen sind rechtlich kaum synchronisiert und nicht digitalisiert. Die Schiffsflotte auf dem Kaspischen Meer ist veraltet und hat eingeschränkte Kapazitäten. Aufgrund dieser Mankos wird die Route als unzuverlässig und wenig berechenbar wahrgenommen. Anstatt Güter vom Westen Chinas bis nach Mitteleuropa in 14 Tagen zu transportieren, wie theoretisch möglich, sind diese teilweise bis zu 60 Tage unterwegs.

    Dennoch wächst das Interesse am transkaspischen Korridor seitens der europäischen Privatwirtschaft. Beim Forum vertreten waren unter anderem die Logistikunternehmen Hellmann East Europe, die Hamburger Hafen und Logistik HHLA, die Reederei Maersk und ihre Tochter APM Terminals, die den georgischen Hafen Poti betreibt, die Hafenbehörde Antwerp-Bruges, die polnischen Häfen Gdansk und Gdynia und der türkische Energiekonzern Çalık Enerji. Aktuell sind die Warenströme jedoch noch zu klein, als dass deutsche Unternehmen in großem Stil investieren würden.

    Zentralasien fordert EU mit neuem Selbstbewusstsein

    Einerseits versicherten die zentralasiatischen Regierungsvertreter, wie wichtig die Zusammenarbeit ihrer Länder mit der EU im Bereich Konnektivität sei. Doch scheint diese zwischen den Ländern untereinander noch zu fehlen. Die beiden größten Volkswirtschaften, Kasachstan und Usbekistan, entwickeln unabhängig voneinander parallel verlaufende Transportstrukturen – den Ausbau der Eisenbahntrasse von der kasachisch-chinesischen Grenze zu den kasachischen Kaspi-Häfen Aktau und Kuryk und eine Trasse von China über Kirgisistan und Usbekistan zum turkmenischen Hafen Turkmenbaschi. Eine Abstimmung oder Verbindung der Großprojekte steht derzeit nicht im Raum. 

    Andererseits bemängeln die Vertreter Zentralasiens die oft langsamen EU-Entscheidungsprozesse. Die Länder Zentralasiens sind auch offen für Investoren aus Ostasien, insbesondere China und Südkorea, sowie dem Nahen Osten. Inoffiziell heißt es: "Wir können die Infrastruktur auch schneller und ohne die EU ausbauen." Die EU ihrerseits plant für 2025 ein weiteres Investorenforum mit Zentralasien. Die vereinbarte Koordinierungsplattform solle "im Laufe der nächsten zwei Jahre entstehen", so ein EU-Offizieller vor Ort in Brüssel.

    Von Edda Schlager | Berlin

  • EU-Studie evaluiert Transportwege von Zentralasien nach Europa

    Die Studie legt der EU Schlüsselmaßnahmen zum Transportausbau nahe. Empfohlene Infrastrukturinvestitionen könnten Basis für weitere Global-Gateway-Projekte sein. (Stand: 28.09.2023)

    Mehr als 30 Transportinfrastrukturprojekte mit einem Investitionsumfang von rund 18,5 Milliarden Euro: Das könnte in den kommenden Jahren die Konnektivität der zentralasiatischen Länder untereinander und ihre Anbindung an europäische Transportnetze deutlich verbessern. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Nachhaltige Transportverbindungen zwischen Europa und Zentralasien“. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hatte diese im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführt und im Juni 2023 veröffentlicht. Die Studie ist eines von vier Leuchtturmprojekten der europäischen Konnektivitätsinitiative Global Gateway in Zentralasien.

    Analyse bestehender Verkehrsnetze und Vorschläge zum Ausbau

    Ziel der Studie war es, zum einen die nachhaltigsten Verkehrskorridore in Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zu ermitteln. Die Transportrouten wurden auf Grundlage von Nachhaltigkeitskriterien bewertet. Dafür wurden ökologische, soziale, wirtschaftliche, fiskalische beziehungsweise schuldenbezogene Nachhaltigkeit sowie die politische Tragfähigkeit untersucht.

    Zum anderen schlägt die Studie Schlüsselmaßnahmen für die Entwicklung der ermittelten Korridore vor. Die empfohlenen Maßnahmen betreffen sowohl den Bau und Ausbau physischer Infrastruktur als auch regulatorische Rahmenbedingungen - in der Studie als harte und weiche Faktoren für Konnektivität charakterisiert.

    Als harte Faktoren gelten Investitionen in Eisenbahn, Straßen, Häfen und Seeverkehr, Logistik und intermodalen Verkehr sowie in Grenzübergänge. Weiche Faktoren sind rechtlich-regulatorische, institutionelle und politische Bedingungen, bi-/multilaterale Vereinbarungen sowie Digitalisierung. Beispiele dafür sind staatliche Investitionsstrategien oder Risikomanagementprogramme für Grenzkontrollpunkte. Sie können Institutionen, Vorschriften oder gar nationale Verkehrspolitik betreffen.

    Für die Studie wurden von Ende 2021 bis Mitte 2023 zahlreiche Stakeholder befragt, unter anderem Regierungsbehörden aller fünf zentralasiatischer Länder (Ministerien für Verkehr, Wirtschaft und Investitionen, Eisenbahn- und Straßenbehörden, Zollbehörden). Angehört wurden außerdem Verbände und Vertreter des Privatsektors in Zentralasien, Europa, im Kaukasus und in der Türkei, die EU-Mitgliedstaaten, EU-Delegationen in der Region, internationale Finanzinstitutionen, UN- Organisationen, NGOs und andere Interessengruppen.

    Der Fokus der Studie liegt auf dem Landverkehr (Schiene und Straße). Jedoch macht die Querung von Kaspischem und Schwarzem Meer auf dem Seeweg aus den Korridoren intermodale und interoperable Verkehrsverbindungen, deren rechtliche und regulatorische Besonderheiten ebenso analysiert wurden.

    Zentraler transkaspischer Korridor am nachhaltigsten

    Der transkaspische oder Mittlere Korridor durch Zentralasien und über das Kaspische Meer ist neben dem nördlichen Korridor durch Russland und dem südlichen Korridor durch Zentralasien und Iran eine von drei Landrouten quer über den Eurasischen Kontinent. Die Studie betrachtete den Mittleren Korridor noch einmal differenzierter mit seinen drei Strängen:

    1. Nördlicher transkaspischer Korridor durch Nordkasachstan
    2. Zentraler transkaspischer Korridor durch Südkasachstan
    3. Südlicher transkaspischer Korridor durch Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan

    Der zentrale transkaspische Korridor - auch zentral-kaspisches Netz (CTCN) genannt - wurde entsprechend der Kriterien Verkehr, Infrastruktur, Sozial- und Umweltverträglichkeit, Länderbewertung und wirtschaftliche Integration als nachhaltigste Option ermittelt. Er ermöglicht laut Studie eine umfassende Entwicklung des Verkehrsnetzes in der Region. So deckt er mit seinem Einzugsgebiet bis zu 600 Kilometer nördlich und südlich seiner Hauptroute alle fünf zentralasiatischen Länder und die wichtigsten Bevölkerungs- und Produktionszentren wie Almaty, Taschkent, Bischkek oder Duschanbe ab.

    Anbindung an transeuropäisches Verkehrsnetz der EU (TEN-V)
    Die in der Studie betrachteten transkaspischen Korridore schließen über die Länder der Östlichen Partnerschaft (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau, Ukraine) und die Türkei an das erweiterte transeuropäische Verkehrsnetz der EU (TEN-V) an. Somit erhielten die 27 EU-Mitgliedstaaten und die Länder des westlichen Balkans (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien) Anbindung an Zentralasien.

    Regulatorische Maßnahmen fast wichtiger als Investitionen

    Zentrales Element der Studie sind Empfehlungen, um die Funktionalität des Verkehrsnetzes zu verbessern. Dazu gehört zum einen der konkrete physische Ausbau der Infrastruktur. Für jedes der fünf zentralasiatischen Länder wurde ein Katalog aus kurz-, mittel- und langfristigen Investitionsprojekten ermittelt, deren Umsetzung teilweise bereits im Gang ist. Beispiele dafür sind der Bau des Hafens Kuryk in Kasachstan oder der Bau der Eisenbahnverbindung zwischen China, Kirgisistan und Usbekistan.

    Überrascht zeigten sich die Macher der Studie darüber, dass nicht fehlende Infrastruktur oder Finanzierungen das größte Problem darstellen, sondern komplizierte Zollprozesse, unterschiedliches Regelwerk in Nachbarländern oder fehlende Abstimmungen noch problematischer erscheinen.

    Daher trägt die Studie auch Maßnahmen zusammen, um Vorschriften und Gesetze der Länder zu harmonisieren und insgesamt die Transparenz zu erhöhen:

    • Digitalisierung von Verkehrsdokumenten
    • Förderung der Interoperabilität,
    • Verbesserung des Umfelds für öffentlich-private Partnerschaften (PPP),
    • Handelserleichterungen,
    • Marktliberalisierung,
    • Verbesserung von Mechanismen zur Festsetzung von Tarifen,
    • Aufstockung der Mittel für Instandhaltung von Anlagen

    Ausbau soll Kapazität des Mittleren Korridors deutlich steigern

    Im Vergleich zum Seeweg durch den Suezkanal und zum Landkorridor über Russland ist der Mittlere Korridor bisher relativ unbedeutend. Dennoch geht die Studie davon aus, dass bei Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen das Transitcontainervolumen auf dem CTCN von geschätzten 18.000 TEU im Jahr 2022 bis auf 865.000 TEU im Jahr 2040 ansteigen könnte. Von dieser Entwicklung würde nicht nur der Verkehr zwischen Europa und Asien profitieren, sondern auch das Wirtschaftswachstum und generell die Entwicklung Zentralasiens.

    Im Januar 2024 plant die EU ein Investorenforum in Brüssel, um die Umsetzung von in der Studie empfohlenen Projekten zu erleichtern. Angestrebt ist ein Team-Europe-Ansatz, der bereits bei anderen Global-Gateway-Projekten genutzt wird.

    Von Edda Schlager | Berlin

  • EU will Zentralasien mit Satelliteninternet ausstatten

    Mit ihrer Konnektivitätsinitiative Global Gateway unterstützt Europa die Region bei der Digitalisierung. Schnelles und sicheres Internet soll die Wirtschaftsentwicklung fördern. (Stand: 10.08.2023)

    Zentralasien soll für Europa bei der Versorgung mit Rohstoffen und Diversifizierung von Handelswegen eine größere Rolle spielen. Die EU verstärkt ihr Engagement in der Region im Rahmen von Global Gateway: Mit Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan hat die EU im Jahr 2023 vier Leuchtturmprojekte auf den Weg gebracht.

    Leuchtturmprojekt für digitale Konnektivität

    Eines dieser Leuchtturmprojekte ist die Team-Europe-Initiative (TEI) Digitale Konnektivität für Zentralasien. Sie zielt auf nachhaltige Versorgung der Region mit satellitengestütztem Hochgeschwindigkeitsinternet ab. Bei TEI bündeln mehrere EU-Länder und europäische Entwicklungsbanken ihre Aktivitäten und Ressourcen für bestimmte Vorhaben.

    Einerseits haben einige Länder Zentralasiens bei der Digitalisierung aufgeholt. Das zeigt der E-Government Development Index der Vereinten Nationen, der das Entwicklungsniveau von Ländern in den Bereichen Telekommunikationsinfrastruktur, Humankapital im IT-Sektor und Online-Services öffentlicher Einrichtungen abbildet. Kasachstan lag im Jahr 2022 auf Rang 28 – nur sechs Plätze hinter Deutschland. Usbekistan befand sich mit Rang 69 im oberen Drittel des Rankings von 193 Ländern.

    Andererseits offenbart der E-Government Development Index auch Digitalisierungslücken, vor allem in Tadschikistan und Turkmenistan. In allen fünf Ländern mangelt es zudem an der Internetanbindung entlegener Ortschaften und an gesetzlichen Regulierungen im IT- und Telekommunikationssektor. Dort setzt die EU mit ihrer TEI an. 

    Infrastruktur und Regularien sollen zusammenfinden

    Die TEI hat eine infrastrukturelle und eine regulatorische Komponente: Zum einen soll Satelliteninternet die bereits vorhandene Breitbandinfrastruktur in den fünf Ländern ergänzen. Rund 10 Prozent aller Haushalte in Kasachstan und Usbekistan sind laut deren Statistikämtern bisher ohne Breitbandanschluss. In Tadschikistan, Turkmenistan und Kirgisistan ist diese Rate noch deutlich höher. Unterversorgte Regionen sollen nun Bodenstationen zum Empfang von Hochgeschwindigkeitsinternet per Satellit erhalten. Im Vergleich zur Anbindung der entlegenen Ortschaften per Glasfaserkabel ist die Satellitenlösung rund 50- bis 100-mal kostengünstiger.

    Zum anderen fördert die EU Reformen im Bereich der digitalen Verwaltung, einschließlich des Telekommunikationssektors, des Schutzes personenbezogener Daten sowie der Cybersicherheit und des Schutzes von Menschenrechten. Dadurch sollen Standards der Region mit denen der EU in Einklang gebracht werden.

    EU plant Ausschreibung

    Eine Ausschreibung für die Bereitstellung von Satelliteninternet soll laut EU-Angaben noch im Jahr 2023 erfolgen, Anfang 2024 soll die Umsetzung der TEI in Kasachstan beginnen. Ortschaften ohne Breitbandinternet – allein in Kasachstan schätzungsweise rund 500 – erhalten dann Satellitenschüsseln als Bodenstationen. Über diese empfangen sie die Internetverbindung. Das umsetzende Unternehmen würde damit die Infrastruktur  – Hardware und Software  – für die sogenannte mittlere Meile zwischen dem Satellitennetzwerk in der Erdumlaufbahn und Verteilerstationen am Boden bereitstellen.

    Der kommerzielle Satellitenbetreiber SES aus Luxemburg sei bereits mit der EU im Gespräch, heißt es aus dem Unternehmen. Man habe mit der EU bisher keinen konkreten Vertrag abgeschlossen. In Kasachstan hat das Unternehmen aber bereits die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für digitale Entwicklung, Innovationen und Luft- und Raumfahrtindustrie zum Aufbau eines Kommunikationssystems über Satellit bekanntgegeben. Der Dienst soll über O3b mPOWER, ein Satellitensystem von SES, bereitgestellt werden. 

    Bei einem Zuschlag für SES würde das Unternehmen laut eigener Aussage technisches Equipment von führenden Anbietern aus Amerika oder Europa nutzen. Lokale Firmen sollen in den Aufbau einbezogen und später den Betrieb und Service der Bodenstationen übernehmen. Den Service auf der so genannten letzten Meile, mit der das Internet zum Endverbraucher gebracht wird, sollen Telekommunikationsunternehmen der zentralasiatischen Länder bereitstellen.

    Europa sichert Anschubfinanzierung und erwartet Eigeninitiative 

    Die EU-Kommission wird sowohl Maßnahmen im regulatorischen Bereich als auch Infrastrukturinvestitionen mit einem Beitrag von zusammen mindestens 40 Millionen Euro finanzieren. Zusätzlich werden sich die EU-Mitgliedsstaaten und Finanzierungsinstitutionen der EU an TEI beteiligen, darunter die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

    Die EU sieht ihr Engagement für digitale Konnektivität in Zentralasien als Unterstützung: "Wir gehen davon aus, dass die Länder selbst weitere finanzielle, technische und regulatorische Anstrengungen unternehmen werden, um sich im Bereich der Digitalisierung weiterzuentwickeln", so Johannes Baur von der EU-Delegation in Kasachstan, zuständig für Kooperation mit Zentralasien. Möglich seien beispielsweise öffentlich-private Partnerschaften. 

    Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan haben bereits nationale Strategien zur Digitalisierung verabschiedet. In Tadschikistan und Turkmenistan sind die Digitalisierungsprogramme Teil der allgemeinen nationalen Entwicklungsstrategien.

    Kasachstan plant Glasfaserkabel durch Kaspisches Meer

    Die kasachische Regierung verlässt sich nicht allein auf die Unterstützung der EU. Mit Aserbaidschan will das Land ein rund 400 Kilometer langes Glasfaserkabel durch das Kaspische Meer verlegen. Es soll von der kasachischen Hafenstadt Aktau bis zur aserbaidschanischen Hauptstadt Baku reichen, die Geschwindigkeit der Datenübertragung 4 bis 6 Terabit pro Sekunde betragen. Im Juli 2023 haben der kasachische Telekommunikationsanbieter KazakhTelecom und die NEQSOL-Holdinggesellschaft des aserbaidschanischen Telekommunikationsbetreibers AzerTelecom ein Joint Venture für die Verlegung des Kabels vereinbart.

    Von Edda Schlager | Berlin

  • Polen unterstützt stabile Stromnetze in Thailand

    Thailändischer Netzbetreiber benötigt moderne Systeme, um sein Netz zu synchronisieren. Ausländische Technik ist gefragt. (Stand: 12.07.2024) 

    Im Rahmen eines Global-Gateway-Projektes zur Implementierung und Verbesserung der kritischen Infrastruktur unterstützt Polen den thailändischen Stromversorger Electricity Generating Authority of Thailand (EGAT). Das europäische Land finanziert und leitet das Projekt. Dabei erfolgen Ausschreibungen im Rahmen des Vorhabens über polnische Stellen. Die EU ist zwar nicht direkt beteiligt, hatte das Projekt aber in ihre Global-Gateway-Initiative integriert.

    In der ersten Phase wurden 2022 Kontrollräume der EGAT mit Geräten zur Zeitsynchronisation ausgestattet, denn die Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie erzeugt Schwankungen im Stromnetz. Das Netz kann sicherer und zuverlässiger gesteuert werden, wenn die gemeinsame Zeitbasis der beteiligten Knotenpunkte exakt synchronisiert ist. 

    Das polnische Unternehmen Elproma lieferte mehrere Netzwerkzeitserver seiner Marke NTS-5000 an die EGAT. Im laufenden Jahr 2024 wird Elproma weitere NTS-5000-Server, Antennen und Software an den Stromversorger ausliefern.

    Auch für deutsche Unternehmen bestehen Chancen, denn die Energiewende nimmt Fahrt auf. So soll der Anteil der erneuerbaren Energien im thailändischen Stromnetz von derzeit rund 10 Prozent bis auf knapp 70 Prozent im Jahr 2040 gesteigert werden. Die EGAT und andere Stromversorger müssen daher auch massiv in Netzwerktechnik und Smart Grids investieren.

    Von Thomas Hundt | Bangkok

  • Deutschland finanziert den Bau einer S-Bahn in Surabaya

    Erste Ausschreibungen sollen im laufenden Jahr veröffentlicht werden. Im Rahmen der deutsch-indonesischen Klimainitiative sind weitere Kredite für Infrastrukturprojekte vorgesehen. (Stand: 02.02.2024)

    In Surayaba, der zweitgrößten Stadt Indonesiens, soll in den kommenden Jahren ein neues S-Bahn-Netz entstehen. Der Bau der Strecke wird von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert. Die Kredite dafür belaufen sich auf insgesamt 250 Millionen US-Dollar (US$). Geplant ist ein Schienennetz von insgesamt 120 Kilometern Länge. Die sogenannte Surabaya Regional Railway Line (SRRL) soll bis zu 500.000 Menschen an den öffentlichen Personennahverkehr anbinden und gleichzeitig bis zu 100.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen. Später soll die SRRL separat mit Buszubringern ergänzt werden. Sie ist ein Leuchtturmprojekt von Global Gateway, der europäischen Infrastrukturinitiative.

    In Surayaba im Osten der Insel Java leben 2,9 Millionen Menschen, im gesamten Ballungsraum sind es 10 Millionen. Die erste Linie soll über sechs Stationen das Stadtzentrum mit dem südlichen Vorort Sidoarjo verbinden. Später werden die jeweils etwa 30 Kilometer entfernten Nachbarstädte Mojokerto und Lamongan sowie das nördlich gelegene Industriezentrum Gresik (Station Indro) angebunden. Als gesamte Projektzeit sind fünf Jahre und drei Monate eingeplant. Noch im 1. Quartal 2024 soll der Darlehensvertrag unterschrieben werden. Die Jahre 2024 und 2025 sind für das Streckendesign und die Erfüllung der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstandards vorgesehen. Der Bau soll von 2026 bis 2028 erfolgen. Im Jahr 2029 sind die Tests und Zulassungen geplant.

    Erste Ausschreibungen im Jahr 2024

    Die insgesamt elf Ausschreibungen werden in drei Schritten erfolgen. Im Jahr 2024 sollen in vier Ausschreibungen Consultants in den Bereichen Railway Design, Umwelt und Soziales, Landerwerb und Umsiedlung sowie für weitere Umweltstudien für das Bahndepot (Station Sidotopo) bestimmt werden. Zwei Ausschreibungen wird es für Räumungsmaßnahmen ("Site Clearance"), Schienenbau und Materialbeschaffung geben. Die restlichen fünf Ausschreibungen sind für 2026 geplant: für weitere Bauleistungen, Gleisüberführungen, das Design für Phase 2 sowie elektrische und mechanische Arbeiten an den Stationen. 

    Beratende Ingenieure im Ausland

    Bei großen Infrastrukturprojekten sind vielfältige Beratungsleistungen gefragt. Deutsche Ingenieurbüros führen weltweit unter anderem Machbarkeitsstudien durch, prüfen Designs und überwachen den Bau. Branchenvertreter berichteten GTAI von ihren Projekten in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika. Dabei wird deutlich: Deutsche Ingenieure sind vor allem in aufstrebenden Märkten aktiv. Dort sind sie oft auf Partner angewiesen. Wir beleuchten, wie sich die Deutschen gegen die Konkurrenz durchsetzen und an Aufträge kommen. Außerdem geben wir rechtliche Tipps. Erfahren Sie im GTAI-Online-Special mehr über Erfolgsfaktoren, Hürden und Besonderheiten der Branche.

    Laut dem Green Book der nationalen Planungsbehörde Bappenas, das ausländische Kredite ausweist, werden die KfW-Gelder in sechs Tranchen ausgegeben. Die Kreditvereinbarung umfasst aber keine Züge. Diese werden vom Betreiber Kreta Api Indonesia (KAI) gestellt. Das Staatsunternehmen fertigt Züge selbst. 

    Vorbild Jakarta

    Bisher gibt es in Surabaya keinen nennenswerten öffentlichen Nahverkehr, die meisten Menschen sind mit dem Motorrad oder dem Auto unterwegs. Mit steigendem Wohlstand wächst auch in der zweitgrößten Stadt Indonesiens der Verkehr auf den Straßen. In allen größeren Städten Indonesiens sind massive Staus nicht nur Ärgernis, sondern längst auch erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung, weil sie die Mobilität von Werktätigen und den Transport von Gütern einschränken. Darüber hinaus sind sie ein ökologisches Problem, denn es werden große Mengen an Abgasen ausgestoßen, ohne einer Wertschöpfung zu dienen. 

    Die Hauptstadt Jakarta ist international berüchtigt für ihre stundenlangen Verkehrsstaus. Alleine für die Millionenmetropole beziffert Bappenas die durch die Verkehrssituation verursachten jährlichen wirtschaftlichen Verluste mit umgerechnet 10 Milliarden US$. Aus dieser Misere heraus sind in den vergangenen Jahren Mobilitätsalternativen zu Auto und Motorrad entstanden. So hat Jakarta mittlerweile eine Metrolinie, S-Bahnen (genannt "Light Rapid Transit" - LRT), einen Airport-Train und separate Busspuren auf den Hauptverkehrsstraßen. Und seit November führt der erste Hochgeschwindigkeitszug in die Nachbarstadt Bandung. Die Stausituation hat sich dadurch nicht wesentlich verbessert, aber die Mobilität hat sich deutlich erhöht.

    Nicht nur Wirtschaftszentren, sondern auch touristische Destinationen leiden unter dem Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf der Urlaubsinsel Bali mussten zu Jahresbeginn 2024 etliche Touristen kilometerweit mit ihren Koffern zu Fuß zum internationalen Flughafen in Denpasar gehen, weil der Verkehr über Stunden praktisch stillstand. Und auf dem Weg zum Wochenendausflugsziel Puncak südlich von Jakarta sind Staus von mehr als fünf Stunden keine Seltenheit - trotz wechselndem Einbahnverkehr.

    2,5 Milliarden Euro für grüne Infrastrukturmaßnahmen

    Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) will in den kommenden Jahren im Rahmen der deutsch-indonesischen Klimainitiative über die KfW 2,5 Milliarden Euro für Infrastrukturmaßnahmen in indonesischen Städten bereitstellen. So soll Indonesien bei der Erreichung seiner Klimaschutzziele unterstützt werden. Vorgesehene Bereiche sind städtische Mobilität, Abfallmanagement, Abwasser und Wasserversorgung. Hierzu gehören der Auf- und Ausbau von S-Bahnsystemen, die Verkehrsanbindung der Peripherie an die Stadtzentren von Ballungsräumen durch Pendlerzüge, die Errichtung von Abfalldeponien und Müllverbrennungsanlagen, der Bau von modernen Kläranlagen sowie der Ausbau von Wasserversorgungssystemen.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Neue Hauptstadt sucht digitales Know-how

    Indonesiens zukünftiger Regierungssitz Nusantara soll grün, smart und digital werden. Investoren warten aber ab, ob das Großprojekt im vollen Umfang oder überhaupt umgesetzt wird. 

    Indonesien bekommt eine neue Hauptstadt: Nusantara. Der Standort der sich im Bau befindlichen Stadt liegt im Sub-Distrikt Sepaku in der Provinz Ostkalimantan. Der Aufbau der dortigen digitalen Infrastruktur ist eines der Leuchtturmprojekte von Global Gateway. 

    Doch ein Besuch vor Ort offenbart eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. So präsentiert das auf einem Hügel gelegene Informationszentrum das sogenannte Techno House in bunten Animationsfilmen ein naturnahes, aber trotzdem urbanes Zentrum mit glücklichen Menschen im Freizeitmodus. Der Querschnitt einer Musterwohnung im Miniaturformat zeigt gediegenen Wohlstand mit Einbauküche im Landhausstil und geräumigem Wohnzimmer. 

    An weiteren Ausstellungsständen zeigen internationale Technologiekonzerne wie Siemens, Huawei oder Honeywell, was sie anbieten können, wenn Kapital vorhanden ist: etwa ein hochmodernes 5G-Netz, eine digital gesteuerte Abwasserentsorgung und -wiederaufbereitung und grüne Stromversorgung. Doch spätestens die fliegenden Taxis von Hyundai regen beim Beobachter den Verdacht, dass es diesen Ort möglicherweise nie geben wird. 

    Obwohl Präsident Joko Widodo gerade per Handstreich die Fertigstellung des Regierungsviertels um fast zwei Monate auf den Unabhängigkeitstag am 17. August 2024 vorverlegt hatte, waren hier im April 2024 gerade einmal Rohbauten zu sehen. Die großen staatlichen Baukonzerne haben sie aus dem Boden gestampft, aber die beschaulichen Baustellen bieten keinen Vergleich zu entsprechenden Großprojekten in China. Vor einigen Wochen mussten der Chef und der Stellvertreter des Hauptstadtbaus zurücktreten: Der Rückstand in den Zeitplänen war offenbar zu groß. 

    Noch keine bestätigte Auslandsinvestition

    Die Ambitionen für Nusantara könnten größer nicht sein. Die neue Hauptstadt soll das Symbol für die Fortschrittlichkeit Indonesiens sein: grün, nachhaltig, smart und digital. Nur Elektroautos sollen hier fahren dürfen. Der Strom für diese E-Kfz wird jedoch bis auf Weiteres aus den umliegenden Kohlekraftwerken kommen. Nusantara soll weit mehr werden als nur steriler Verwaltungssitz, sondern eine Großstadt mit eigener wirtschaftlicher Basis. Die Kosten werden mit umgerechnet circa 30 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Der größte Teil davon soll aus der Privatwirtschaft kommen, insbesondere aus dem Ausland. Indonesien selbst hat kaum technologisches Know-how zu bieten. 

    Vordergründig läuft bei der Investorensuche alles nach Plan. Die indonesische Presse überschlägt sich fast täglich mit Meldungen, in denen die Regierung potenzielle Geldgeber aus aller Welt präsentiert. Steueranreize und leichterer Landerwerb sollen den Prozess anschieben. Laut Nusantara Capital Authority haben etwa 400 Unternehmen eine Absichtserklärung (Letter of Intent) für eine Investition in der neuen Hauptstadt abgegeben. Fast die Hälfte davon kommt aus dem Ausland. Die Behörde listet fünf deutsche Firmen auf: Den Pumpenhersteller Wilo, das Architekturbüro Nickl & Partner, Bosch, die Commerzbank sowie Siemens, das Technologie für den geplanten Flughafenzug zuliefern will. 

    Allerdings ist ein "Letter of Intent" die niedrigste Form des Investitionsbekenntnisses. Mitte Juni 2024 musste Investitionsminister Bahlil Lahadalia einräumen, dass noch keine einzige ausländische Nusantara-Investition bestätigt ist.

    Nur wenige Beschäftigte im öffentlichen Dienst wollen Standortwechsel

    Die potenziellen Mittelgeber warten ab. Der im Februar 2024 neu gewählte Präsident Prabowo hat sich im Wahlkampf zwar zu Nusantara bekannt. Schließlich ist das Projekt das im Alleingang initiierte Vermächtnis seines Amtsvorgängers, dessen Unterstützung er seine Wahl verdankt. Doch Prabowo hat in seinem Wunsch, indonesischer Präsident zu werden, ein Kostenloses-Mittagessen-Programm für Schüler versprochen. Dieses ist so teuer, dass sogar die auf Armutsbekämpfung spezialisierte Weltbank davor warnt. Das Programm könnte durchaus Nusantara den Wind aus den Segeln nehmen.

    Darüber würden sich viele öffentlich Bedienstete freuen, denn noch im Jahr 2024 sollen mehrere Tausend von ihnen nach Nusantara wechseln. Der Standortwechsel gilt aus ausgesprochen unbeliebt. Die Nachrichtenagentur Reuters sprach mit knapp einem Dutzend Kandidaten: Nur zwei wollten wechseln, alle anderen wollen sich dem Umzug durch Kündigung und Jobwechsel entziehen. Das halbfertige Nusantara mit ungewisser Zukunft im menschenleeren Niemandsland kann mit der pulsierenden Metropole Jakarta, wo sich die Lebensbedingungen durch den Ausbau der Infrastruktur verbessern, nicht konkurrieren. Schon der Weg von den Flughäfen der umliegenden Städte Balikpapan und Samarinda nach Nusantara ist beschwerlich und erfordert mehrere Stunden. 

    Viele Nusantara-Szenarien sind möglich

    In welchem Umfang Nusantara ausländische Technologien benötigt sowie ob und in welchen Branchen deutsche Anbieter zum Zuge kommen, ist schwer abzusehen. Das Potenzial hängt vom Entwicklungsweg der zukünftigen Stadt ab. Zahlreiche Szenarien sind denkbar. Für eine komplette Aufgabe des Projekts ist es möglicherweise zu spät. Denkbar ist beispielsweise eine abgespeckte Version einer Hauptstadt mit nur hoheitlichen Kernaufgaben. Eventuell entsteht eine voll funktionsfähige Verwaltungshauptstadt, etwa nach dem Vorbild der malaysischen Planstadt Putrajaya. 

    Am unwahrscheinlichsten erscheint derzeit die ursprüngliche Vision einer Metropole im Jahr 2045 mit eigener Wirtschaftsstruktur und knapp zwei Millionen Einwohnern. Das entspräche der Hälfte der heutigen Bevölkerungszahl der flächenmäßig drittgrößten Provinz Indonesiens und würde alle indonesischen Transmigrationsprojekte der vergangenen 100 Jahre in den Schatten stellen.

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • JETP setzt hohe Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren

    Eine Energiepartnerschaft zwischen Indonesien und einigen Industrieländern soll die Stromerzeugung im Archipel nachhaltiger machen. Der Investitionsbedarf ist enorm. Die Hürden auch.

    Die Arbeitsgruppe der Just Energy Transition Partnership (JETP) hat den Investitionsplan für den Umbau der indonesischen Stromerzeugung hin zur Klimaneutralität veröffentlicht. Dieser skizziert den Prozess zum Aufbau eines weitgehend auf Erneuerbaren basierenden Elektrizitätssektors bis 2050. Insgesamt sind 1.000 Projekte geplant. Der Investitionsbedarf allein bis 2030 wird mit 97,3 Milliarden US-Dollar (US$) angegeben.

    Die JETP mit Indonesien wurde im Jahr 2022 auf dem G20-Gipfel auf Bali ins Leben gerufen. Ähnliche Partnerschaften bestehen mit den deutlich kleineren Volkswirtschaften Südafrika, dem Senegal und Vietnam. Im Rahmen von JETP-Indonesien stellen die Geberländer 11,6 Milliarden US$ zur Verfügung, überwiegend in Form von Krediten und zu einem kleinen Teil (295,4 Millionen US$) in Form von Zuschüssen und sogenannter "Technical Assistance". Zu den Partnerländern gehören die USA, Kanada, Japan, die EU sowie Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Italien und Norwegen (als International Partners Group, IPG). Die JETP ist zudem ein sogenanntes Leuchtturmprojekt von Global Gateway, einer Konnektivitätsinitiative der EU. 

    Ausländische Finanzierungsorganisationen loben JETP als einen guten Rahmen, der in der indonesischen Politik Aufmerksamkeit für Erneuerbaren-Projekte schafft. 

    Indonesien soll bereits 2030 Höhepunkt bei Emissionen erreichen

    Die Ziele von JETP sind außerordentlich ambitioniert und bedeuten einen gigantischen Umbau der bisher auf Kohle und Gas basierenden indonesischen Stromerzeugung in einem engen Zeitfenster: Bereits bis 2030 soll das Schwellenland, dessen Wirtschaft jährlich um 5 Prozent wächst und dessen Bevölkerung um 3 Millionen Menschen pro Jahr zunimmt, den Höhepunkt der Emissionen erreichen – und bis 2050 Netto-Null-Emissionen. Gleichzeitig geht die JETP-Arbeitsgruppe davon aus, dass sich der Stromverbrauch zwischen 2022 und 2050 auf 1.500 Terawattstunden verfünffacht und die Erzeugungskapazität auf 518 Gigawatt mehr als verachtfacht.

    Berücksichtigt man den geplanten Ausstieg aus der Kohleverstromung, dann muss die Leistung aller anderen Erzeugungsformen in Indonesien um den Faktor 15 steigen, die Erzeugungskapazität um den Faktor 17. Rechnet man auch den laut JETP zu halbierenden Gasstrom heraus, so müssen alle grünen Erzeugungsformen sogar um die Faktoren 31 in Leistung und 45 in Kapazität ausgebaut werden. 

    Nickelverarbeitung benötigt Kohlestrom

    Das ist kaum zu schaffen. Denn um den steigenden Strombedarf zu decken, setzt Indonesien weiterhin auf Kohlestrom und baut die Erzeugungskapazitäten um etwa 50 Prozent aus. Ein Großteil davon entsteht außerhalb der Stromnetze ("Off-Grid"). Diese sogenannten Captive Power Plants sollen den riesigen Bedarf der boomenden Rohstoffverarbeitung vor allem bei Nickel decken. Indonesien besitzt große Mengen an Kohle, das mit Abstand wichtigstes Exportgut ist. Im Jahr 2023 wurde mit einer Fördermenge von 775 Millionen Tonnen - einer Steigerung von 13 Prozent gegenüber 2022 - ein neuer Rekord erzielt.

    Solar- und Windkraftanlagen bisher kaum vorhanden

    Zugleich steht der Ausbau der Erneuerbaren in Indonesien noch am Anfang. Der Anteil von Solar und Wind an der Stromerzeugung liegt derzeit bei jeweils unter 1 Prozent, ihr Anteil an der Primärenergieerzeugung sogar unter 0,1 Prozent. Landesweit gibt es nur zwei Windparks, im November 2023 wurde das erste größere Solarkraftwerk des Landes eröffnet.

    Trotzdem soll laut JETP die Kapazität bei den Solarkraftanlagen bis 2050 auf 265 Gigawatt ansteigen (Vergleich Deutschland 2023: 75 Gigawatt). Doch die Bedingungen für den Ausbau sind nicht ideal: Der Archipel stellt keine Solarzellen her, die Politik stellt sich gegen Importe. Viele Vorhaben scheitern daher an strengen Local-Content-Vorgaben. Die laut JETP bis 2050 zu installierende Kapazität von 265 Gigawatt benötigen Hunderttausende Hektar an freier Fläche, die es zumindest auf Java, wo 75 Prozent des indonesischen Stroms benötigt werden, kaum gibt. 

    Zugleich gilt die Region um den Äquator als windschwach. Um etwas windstärkere Gegenden zu erschließen, müsste mancherorts erst eine Verkehrsinfrastruktur gebaut werden. Windtechnologie muss komplett importiert werden und verteuert diese Erzeugungsform volkswirtschaftlich zusätzlich. Deshalb hatte die Regierung bisher kein Interesse an einem Ausbau.

    Massiver Ausbau von Geothermie, Wasserkraft und Kernkraft erforderlich

    Auch bei anderen Energieformen sind die Ausbauziele kaum zu realisieren:  Aus den derzeit 18 bestehenden Geothermiekraftwerken müssten etwa 200 werden, aus den 162 größeren Wasserkraftwerken mehr als 2.000. Zusätzlich soll Kernkraft eingeführt werden. Deren geplante Kapazität von 10 Gigawatt entspricht der von zehn Atomkraftwerken. 

    Abnahmepreis ist eine Investitionshürde

    Größtes Hindernis für eine Energiewende in Indonesien ist die Notwendigkeit niedriger Strompreise. Sie sind Teil der Armutsbekämpfung. Knapp die Hälfte der fast 70 Millionen indonesischen Haushalte bezieht subventionierten Strom. Denn im Archipel sind die Strompreise im Verhältnis zu den Einkommen deutlich höher als in Industrieländern. Privaten Stromerzeugern rentable Abnahmepreise für teure Erzeugungsformen zu gewähren, ist für den Staat als Monopolabnehmer schwierig. Andernfalls muss er den Strompreis für die Endverbraucher dauerhaft mit großen Summen subventionieren.

    Im Jahr 2024 sieht der indonesische Staatshaushalt umgerechnet 5 Milliarden US$ für diese Stromhilfen vor. Für die gesamten Energiesubventionen (für Strom, Benzin und Kochgas, inklusive der Kompensationszahlungen für die staatlichen Energieunternehmen) sind 22 Milliarden US$ eingeplant. Das entspricht 10 Prozent aller Staatsausgaben. 

    Von Frank Malerius | Jakarta

  • Deutschland prägt Global Gateway in Indien

    Ab 2024 entstehen die ersten beiden Leuchtturmprojekte der EU-Infrastrukturinitiative in Indien. Ihr Erfolg hängt wesentlich von deutschen Geldgebern ab. (Stand: 13.12.2023)

    Selbst für die Delegierten der EU-Kommission in New Delhi ist Global Gateway noch Neuland: Von den 87 gelisteten Global-Gateway-Leuchtturmprojekten des Jahres 2023 weltweit war kein einziges in Indien verortet.

    Franck Viault, Leiter des Kooperationsprogramms der EU-Delegation in Indien und Bhutan, liefert die Erklärung: "Die EU-Delegation in Indien war in diesem Jahr noch kein Mitglied von 'Team Europe'." Da Global Gateway mit sogenannten Team-Europe-Initiativen einem Zusammenschluss von EU-Institutionen, EU-Mitgliedsstaaten und europäischen Entwicklungsbanken – umgesetzt wird, tauchte Global Gateway in Indien bislang nicht auf. Ab 2024 ändert sich das: Mit der EU-Kommission, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden besteht das Team Europe in Indien zu Beginn aus vier Mitgliedern. Andere EU-Staaten haben bisher wenig oder kein Interesse an Global Gateway in Indien und einer Team-Europe-Beteiligung dort gezeigt.

    EU-Staaten formen Global Gateway

    Insgesamt rund 80 Millionen Euro hat die EU-Kommission im Jahr 2023 in verschiedene Infrastrukturcluster wie nachhaltige Urbanisierung, erneuerbare Energien oder Wasserversorgung investiert. Das ist wenig – im Vergleich zu den Infrastrukturförderungen der Europäischen Investitionsbank (EIB, European Investment Bank) und der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten: Mit deren Mitteln laufen 2023 zahlreiche Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 15,5 Milliarden Euro. Die Einzelprojekte gehören vor allem zu den Clustern Transport, Energie, Wasserversorgung und Landwirtschaft. Die zahlreichen Einzelprojekte zu erfassen und dann unter das Dach "Global Gateway" zu bringen, ist nun eine Kernaufgabe der EU-Kommission in Neu-Delhi. Global Gateway in Indien ist damit vor allem ein gemeinsames und sichtbares Label europäischer Investitionen im Infrastrukturbereich.

    Die 15,5 Milliarden Euro stammen nur zu insgesamt knapp 30 Prozent von der EU und ihrer Hausbank, der EIB. Mehr als 70 Prozent der geförderten Infrastrukturen finanzieren vier Geldgeber dreier Mitgliedsstaaten: Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die französische Agentur für Entwicklung (AFD, Agence française de développement) und die niederländische Bank für unternehmerische Entwicklung (FMO, Financierings-maatschappij voor Ontwikkelingslanden). 

    Hälfte der Investitionen stammt aus Deutschland

    Die führende Rolle unter den europäischen Entwicklungsbanken spielt die deutsche KfW. In Form zinsgünstiger Kredite fördert die KfW sogenannte "Green Energy Corridors" und damit den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien in Indien. Entlang der mittlerweile 7.770 Kilometer langen Korridore entstehen Solar- und Windkraftprojekte sowie neue Stromleitungsnetze. Energiespeicher sind ein weiteres großes Thema. Im Jahr 2023 unterstützt die KfW laufende Projekte und Projektplanungen in Indien mit rund 7,8 Milliarden Euro. "Deutschland gibt das meiste Geld. KfW und GIZ gehören dabei zu den wichtigsten europäischen Akteuren. Die GIZ ist federführend dabei, um Indiens grüne Transformation voranzubringen", resümiert Laurent Le Danois, ein Teamleiter der EU-Delegation.

    Nach Recherchen der EU-Delegation in New Delhi belaufen sich die finanziellen GIZ-Leistungen in den laufenden Projekten des Jahres 2023 zwar nur auf rund 415 Millionen Euro. Doch die technische Expertise und der hochqualifizierte Personaleinsatz in zahlreichen Projekten zur umweltverträglichen Transformation Indiens sind weit bedeutender.

    EU plant zwei Leuchtturmprojekte in Indien für 2024

    "Für das Jahr 2024 sind wir endlich so weit, in Indien zwei Cluster mit Leuchtturmprojekten für Europas Konnektivitätsprogramm zu identifizieren und voranzubringen", sagt Laurent Le Danois. Der erste Cluster umfasst Projekte für nachhaltige Urbanisierung – dazu gehört besonders der U-Bahn-Bau. Der zweite Cluster fördert erneuerbare Energien und damit direkt die Energiewende in Indien.

    Grundlage der Global-Gateway-Leuchttürme sind ebenfalls bereits bestehende Aktivitäten: Bis 2023 förderten EU-Kommission, EIB und die EU-Mitgliedsstaaten nachhaltige Urbanisierung – vom U-Bahn-Bau bis zur intelligenten Verkehrsplanung – mit knapp 8,2 Milliarden Euro. Den größten Anteil daran stellen die KfW-Bank mit über 4 Milliarden Euro an Fördermitteln und die EIB. Diese vergab rund 3 Milliarden Euro an niedrig verzinsten Krediten für U-Bahnsysteme in indischen Städten. In Projekte, die ab 2024 zum zweiten Leuchtturmprojekt – der Förderung von Indiens Energiewende – gehören sollen, waren 2023 insgesamt rund 4,8 Milliarden Euro europäisch investiert. 

    Beide Cluster zusammen enthalten über 80 Prozent der Projektmittel, welche EU und Mitgliedsstaaten in Indien derzeit einbringen. Weitere Themen der europäischen Infrastrukturförderung in Indien sind unter anderem Wasserversorgung, Digitalisierung, Landwirtschaft und Standards für nachhaltige Finanzierung.

    Mapping soll Firmen den Einstieg in Projekte ermöglichen

    "Je genauer wir dokumentieren, wieviel Geld für welche Projekte in welchen Clustern ausgegeben wird, desto genauer kann ein europäisches Unternehmen erkennen, wo es in Indien aktiv werden kann", sagt Laurent Le Danois. Anhand des Mappings sollen sich deutsche und andere europäische Unternehmen künftig über die bestehenden und geplanten Vorhaben informieren können. Die EU hofft, so Unternehmen für Public-private-Partnerships im indischen Infrastrukturbau zu gewinnen. Welche Projekte 2024 zusätzlich zu den laufenden oder bereits geplanten Vorhaben der EU, der EIB und der nationalen Entwicklungsbanken im Rahmen von Global Gateway gefördert werden, ist noch nicht bekannt.

    Von Marcus Hernig | Bonn

  • Global Gateway nimmt in Vietnam alle seine Kräfte zusammen

    Der Fokus der geplanten EU-Projekte liegt vor allem auf dem Energiesektor. Die deutsche KfW finanziert gleich zwei der drei Leuchtturmprojekte im Land. (Stand: 28.11.2023)

    Die EU will im Rahmen ihrer Konnektivitätsinitiative Global Gateway 10 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 für Projekte in Südostasien mobilisieren. Ein besonders bedachtes Land ist Vietnam. Für die Region des Staatenbundes Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) existieren zwei Team Europe Initiativen (TEI) – eine zu Nachhaltiger Konnektivität und eine Grüne Initiative, beide mit deutscher Beteiligung. 

    Passend zur zweiten TEI legt die EU in Hinblick auf Global Gateway den Schwerpunkt in Vietnam auf den Energiesektor. Vietnam ist eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder in der Region. Der Bedarf, die Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien umzustellen und die dafür notwendigen infrastrukturellen und regulatorischen Voraussetzungen zu schaffen, ist groß.

    Leuchtturmprojekte: Ausbau und Speicherung von erneuerbaren Energien

    Neben den Philippinen und Indonesien gehört Vietnam zu drei der zehn ASEAN-Staaten, die im Jahr 2023 von der EU mit Global-Gateway-Leuchtturmprojekten bedacht wurden – und das gleich dreimal.

    Erweiterung des Wasserkraftwerks Tri An

    Das in den 1980er Jahren von der Sowjetunion gebaute Wasserkraftwerk am Dong Nai Fluss hat eine Kapazität von 400 Megawatt. Nun soll das Werk in der südvietnamesischen Provinz Dong Nai um 200 Megawatt erweitert werden. Seine Wichtigkeit für die Stromgewinnung Vietnams markiert seine Abbildung auf dem 5.000 Vietnamesische-Dong-Schein (rund 20 Eurocent). 

    Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) plant dem staatlichen Stromanbieter Electricity Vietnam (EVN) einen substaatlichen Förderkredit für den Ausbau zur Verfügung zur stellen. Zurzeit steht nur noch die Genehmigung des Finanzierungsvorschlags durch die Commission for Management of State Capital at Enterprises (CMSC) aus. Im Jahr 2024 soll der Vertrag unterzeichnet und mit dem Bau des 140-Millionen-Euro-Projekts begonnen werden. Die Vertragsverhandlungen laufen bereits.

    Im Frühsommer 2023 kam es vor allem im Norden des Landes zu starken Dürren. Doch auch im Stausee des Wasserkraftwerks Tri An im Süden fielen die Wasserstände auf den niedrigsten Stand seit 13 Jahren, was vor allem verheerende Folgen für den Fischfang in der Region hatte, aber auch das Kraftwerk für kurze Zeit lahmlegte. Aufgrund der zunehmenden Dürreentwicklungen ist es umso wichtiger, auch andere erneuerbare Energiequellen in Vietnam zu fördern.

    Chancen für deutsche Firmen

    Die Beteiligung internationaler Baufirmen wird bei dem Projekt als recht niedrig eingeschätzt, da es sehr erfahrene vietnamesische Unternehmen gibt, die bei Projekten im Inland deutlich wettbewerbsfähiger sind. Chancen für deutsche Firmen könnten sich für Ausrüstungszulieferungen ergeben. Ausschreibungen der KfW werden vor allem im Bereich der spezialisierten Consultingdienstleistungen folgen. Dies lohnt es, im Auge zu behalten. 

    Mehr deutsche und europäische Beteiligungsmöglichkeiten im Bereich von Zulieferungen und Beratungsdienstleistungen sind beim Bau des Bac Ai Pumpspeicherkraftwerks (siehe unten) zu erwarten. Auch wenn europäische Firmen beim Aufbau von Pumpspeicherkraftwerken einiges an Erfahrung mitbringen, könnte starke Konkurrenz aus China lauern.

    Ausbau der Nearshore Windfarm Tra Vinh

    Hier setzt die angedachte Erweiterung des 48 Megawatt Windparks in der Provinz Tra Vinh an. Investoren des Windkraftwerks waren die koreanische ST International sowie die Mischfinanzierungsfazilität Climate Investor One (CI1), die von verschiedenen Gebern und Investoren, darunter auch der EU, finanziert wird. Der Windpark ging im Oktober 2021 in Betrieb. Somit konnte er noch von der staatlich garantierten Einspeisevergütung für erneuerbare Energien profitieren, die Ende 2021 auslief. Die Einspeisung neuer Kapazitäten ins Netz durch den angedachten Ausbau, über den bisher wenig bekannt ist, würde dagegen keine solch vorteilhaften Vergütungen mehr erhalten.

    Herausforderung für den Ausbau erneuerbarer Energien in Vietnam

    Die Unsicherheit über zukünftige Einspeisetarife ist groß und erschwert die Aufstellung eines rentablen Geschäftsszenarios für zukünftige Projekte wie die Tra-An-Windfarmerweiterung. Zurzeit gilt ein zu beantragender Übergangstarif – der nur halb so hoch ist wie noch bis Ende 2021. Es ist damit zu rechnen, dass in Zukunft ein neuer im Einzelfall auszuhandelnder Tarif greifen wird. Mehr Details – auch zum Zeitpunkt der Einführung - liegen zurzeit nicht vor.

    An Onshore-Windkapazitäten mangelt es nicht in Vietnam. Einige erneuerbare Energieprojekte mussten zeitweise vom Netz genommen werden und andere wurden bisher gar nicht erst angeschlossen. Ursache ist vor allem der Mangel an Speichermöglichkeiten sowie Übertragungs- und Verteilernetzen.

    Bau des Bac Ai Pumpspeicherkraftwerks

    Die erste Phase des 1,2 Gigawatt Pumpspeicherkraftwerkprojekts Bac Ai wurde im März 2021 abgeschlossen. Sie betraf vor allem Arbeiten am unteren Stausee. Für die zweite Projektphase unternehmen die vier Kofinanzierer – die EU, die Agence Française de Développement (AFD), die Europäische Investitionsbank (EIB), die KfW und die Japan International Cooperation Agency (JICA) – zurzeit eine Due-Diligence-Prüfung in Hinblick auf Finanzierung sowie Umwelt- und Sozialschutz.

    Die zweite Phase, das Hauptprojekt, wird sich auf die Bauarbeiten am oberen Stausee, die Abflusskanäle und das Kraftwerk konzentrieren. Sie soll in der 1. Hälfte des Jahres 2024 beginnen. Die Inbetriebnahme ist für Dezember 2030 angesetzt. Insgesamt werden die Kosten auf knapp über 900 Millionen Euro geschätzt. Die vier Entwicklungsbanken werden voraussichtlich jeweils 150 Millionen Euro einbringen, EVN weitere 300 Millionen Euro. Auch bei diesem KfW-Beitrag handelt es sich wieder um ein substaatliches Darlehen direkt an EVN.

    Laut Insidern gestaltet sich die Zusammenarbeit mit EVN vertrauensvoll. Probleme liegen dagegen eher in der Uneinigkeit der zuständigen vietnamesischen Ministerien sowie in einem mangelnden Entscheidungswillen öffentlicher Stellen. Hintergrund ist auch die derzeit laufende Antikorruptionskampagne der Regierung. Es ist das erste Pumpspeicherkraftwerk des Landes. Insgesamt sei bei einem solch komplexen Projekt Geduld gefragt.

    EU und G7-plus unterstützen Vietnam auf dem Weg zur Klimaneutralität

    Auch an einer TEI für Vietnam zum Thema Climate Resilient, Low-carbon Circular Economy ist Deutschland beteiligt. Durch Investitionen und technische Kooperation sollen Umweltkatastrophen vorhergesehen, verhindert und bewältigt werden. Zudem unterstützt Team Europe den Ausbau erneuerbarer Energien, Energieeffizienzsteigerungen sowie den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft.

    Vietnam hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Um das Land auf diesem Weg zu begleiten, wurde Ende 2022 eine Just Energy Transition Partnership (JETP) geschlossen. Im Rahmen der Partnerschaft stehen Vietnam in den kommenden Jahren weitere 15,5 Milliarden US-Dollar (US$) zur Dekarbonisierung im Energiesektor zur Verfügung.

    Im Rahmen des Global-Gateway-Forums in Brüssel im Oktober 2023 unterzeichneten Vietnam und die EIB eine Absichtserklärung zur Umsetzung des JETPs. Ziel ist es, eine multi-Projekt-Kreditfazilität im Umfang von 500 Millionen Euro einzurichten. Darüber hinaus wird die EU 16,6 Millionen Euro an technischer Hilfe für die französische AFD bereitstellen, um EVN bei der Vorbereitung und Durchführung von JETP-Projekten zu helfen. Auf politischer Ebene unterstützt die EU Energiesektorreformen, gerade auch zur Schaffung rechtlicher und technischer Voraussetzungen für erneuerbare Energien, Energieeffizienz sowie Übertragungsleitungen.

    Neben den Leuchttürmen werden auch weitere Vorhaben unter das JETP gefasst

    Projektname

    Details

    Erweiterung des Ialy Wasserkraftwerks

    Installation von zwei zusätzlichen 180-Megawatt-Turbinen, um Kapazität auf 1.080 Megawatt bis 2024 auszuweiten. Finanziert wird das Projekt in den Provinzen Kon Tum und Gia Lai u.a. von der französischen AFD.

    Unterseestromkabel zur Anbindung der Nam Chau Insel

    Mehr als 10 Kilometer langes Unterseestromkabel zur Versorgung von 107.858 Haushalten mit zuverlässiger Energie (vermehrt on-grid). Projekt scheint bereits seit 2020 fertiggestellt zu sein.

    Investitionen in harte und weiche Infrastruktur zur Vorbeugung und Bewältigung von Klimawandelrisiken

    Als Beispiel wird genannt: Projekt zur Anpassung an den Klimawandel und zur Widerstandsfähigkeit gegenüber Naturkatastrophen in der Provinz Dien Bien

    Quelle: EU-Kommission 2022, Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

    Von Lisa Flatten | Hanoi

  • Global Gateway will Straßen in Laos klimaresilienter machen

    Weltbank und EU fördern den Straßenbau in Laos. Andere Verbindungen im Land sind für den internationalen Transport jedoch bedeutsamer. Stand (09.09.2024)

    In Laos hat der Ausbau der Nationalstraße 2 (N2-Projekt) im 1. Quartal 2024 begonnen. Mit dem Ausbau der N2 erhalten abgelegene Regionen in Nordlaos einen besseren Zugang zu den Nachbarländern Thailand und Vietnam. Das Projekt wird von der Weltbank und der europäischen Investitionsbank (EIB) finanziell unterstützt. Damit fällt es unter das Dach der europäischen Konnektivitätsinitiative Global Gateway. Die N2 verbindet als Ost-West-Route die Grenze zu Thailand bei Muang Ngeun mit der Grenze zu Vietnam bei Tay Trang.

    Bei Muang Xay im Norden von Laos kreuzt die Nationalstraße 2 die Laos-China-Eisenbahn (LCR). Güter aus Nordthailand oder aus Vietnam könnten von dort mit der Bahn weitertransportiert werden, wenn ein entsprechender Logistikhub gebaut würde. Geplant ist auch der Ausbau der Autobahnverbindung von der laotischen Hauptstadt Vientiane nach Südchina als zweiter Teil des Laos-China-Korridors, doch bleibt die Finanzierung unklar.

    Weltbank und EU finanzieren Ost-West-Verbindung

    Das Southeast Asia Regional Economic Corridor and Connectivity (SEARECC)-Projekt der Weltbank unterstützt den ASEAN Masterplan für Konnektivität 2025 und damit die Vernetzung der Länder des Verbandes südostasiatischer Nationen (ASEAN) untereinander. 

    Die Verbesserung des Korridors soll laut Weltbank rund 200 Millionen US-Dollar (US$) kosten. Der Ausbau der N2 macht mit 81 Prozent oder rund 162 Millionen US$ den Hauptanteil der Kosten aus. Die Weltbank übernimmt davon rund 97 Millionen US$ inklusive einer Beteiligung von etwas mehr als 8 Millionen US$ durch Australien. Die laotische Regierung steuert weitere 2,2 Millionen US$ bei. Die EU finanziert die Restsumme des Projekts von knapp 63 Millionen US$: Davon stammen rund 54 Millionen US$ aus einem Kredit der Europäischen Investitionsbank (EIB). Zusätzlich werden rund 9 Millionen US$ als Zuschuss aus Mitteln der Asia Pacific Investment Facility (APIF) der EU gewährt. APIF-Gelder fördern unter anderem Projekte, die dem Klimaschutz dienen. 

    Mit den europäischen Mitteln wird die östliche Route der N2 von Muang Xai an die vietnamesische Grenze (100 Kilometer Länge) und der Verbindungsknoten Muang Xai zwischen der Ost- und Westroute der Nationalstraße ausgebaut. Den Ausbau des westlichen Abschnitts von 145 Kilometern Länge bis zur thailändischen Grenze finanziert die Weltbank.

    Koreanisch-italienisches Joint Venture übernimmt Bauaufsicht und Beratung

    Das Bauvorhaben soll zwischen 2024 und 2028 fertiggestellt werden. Empfänger der internationalen Gelder ist das laotische Ministerium für Bau und Transport mit seiner Abteilung für Straßenbau. Beauftragt wurden zwei chinesische Bauunternehmen (Guangdong Water Conservancy and Hydro Electric Engineering Board sowie China Jiangxi international Economic and Technical Cooperation) und drei laotische Firmen (Souphaphone Survey-Design Building and Road-Bridge Construction Sole, Sengthong Construction Development Group und Khountharong Lao Construction).

    Beraten werden die fünf Straßenbauer aus Laos und China von einem neu gegründeten Joint Venture der beiden südkoreanischen Beratungsfirmen Yooshin Engineering und Ilshin Engineering gemeinsam mit dem italienischen Unternehmen IRD Engineering. Das Joint Venture übernimmt die Bauaufsicht und unterstützt die Umsetzung nachhaltiger Baumaßnahmen. 

    Das unzureichende und in weiten Teilen marode Straßennetz in Laos soll mit Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels werden. Erdrutsche und Überschwemmungen führten entlang der N2 immer wieder zur Beeinträchtigung des Güter- und Personenverkehrs. Daher unterstützt das koreanisch-italienische Joint Venture die Straßenbauer, Drainagen und Hangsicherungen gegen Überflutungen und Erdrutsche anzulegen. Zusätzlich werden neue Brücken entlang der Strecke errichtet.

    Straßenbauprojekt hat kaum Bedeutung für internationale Logistik

    Obwohl das Straßenbauprojekt formal Teil der Asienstraße 13 (Asian Highway, AH) ist, spielt die Straßenverbindung für die wirtschaftlich weit bedeutenderen Nachbarn Thailand und Vietnam nur eine untergeordnete Rolle. Erst nach Jahren könnte sich das ändern, wenn vietnamesische Teile der Asienstraße 13 in Richtung der Metropolregion Hanoi ausgebaut werden. 

    Auch eine Vernetzung mit der Laos-China-Eisenbahn scheint in näherer Zukunft wenig realistisch: Machbarkeitsstudien für einen Logistik-Hub in Muang Xai wurden 2023 ausgeschrieben – bis zu einem möglichen Bau können jedoch noch Jahre vergehen.

    Wichtigere Ost-West-Verbindungen liegen weiter südlich

    Der sogenannte Ost-West-Wirtschaftskorridor (East-West Economic Corridor, EWEC) verbindet als Asienstraße 16 (AH16) die Andamanensee in Myanmar via Thailand und Laos mit der vietnamesischen Küste bei Danang. Für Logistiker der Region gilt die Strecke als wichtigste Route zwischen Nordthailand und Zentralvietnam via Laos. In der laotischen Provinz Savannakhet – dort ist AH16 als Nationalstraße 9 bekannt – liegt die Sonderwirtschaftszone Savan-Seno. Sie bildet den am besten entwickelten Industriestandort des Landes. 

    Eine zweite wichtige Handelsverbindung ist die Asienstraße 15. Sie verbindet über Laos die vietnamesische Küste bei Vinh mit Thailand und erreicht über die angrenzende Asienstraße 11 auch Laos Hauptstadtregion um Vientiane.

    Weiteres Global-Gateway-Projekt unterstützt ökologischen Anbau

    Im März 2024 konnte ein weiteres Global-Gateway-Leuchtturmprojekt mit Laos gestartet werden, um nachhaltigen Handel und Investitionen in Land- und Forstwirtschaft (TICAF) zu fördern: Die EU unterstützt den ökologischen Anbau von Kaffee und Tee sowie den Holzexport aus Laos. Dabei könnten EU-Staaten zu Zielmärkten biologischer Produkte aus Laos werden. 

    Der N2-Straßenausbau steht mit diesem neuen Projekt nicht in direktem Zusammenhang. Beide Vorhaben sind aber jeweils ein Baustein der Team Europe Green Initiative in Laos, die verschiedene europäische Länder – darunter Deutschland – unterstützen.

    Von Marcus Hernig | Bonn

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