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Wirtschaftsumfeld | Finnland | Wahlen

Finnlands neue Regierung nimmt Arbeit auf

Firmen sollen entlastet und Investitionen aus dem Ausland schneller bearbeitet werden. Die Einwanderungsbedingungen werden verschärft. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Finnland hat eine neue Regierung. Petteri Orpo wurde am 20. Juni 2023 von Präsident Sauli Niinistö zum Ministerpräsidenten ernannt. Der neue Regierungschef gehört der liberalkonservativen Nationalen Sammlungspartei (Kokoomus) an. Zur Koalition zählen zudem die rechtspopulistischen Basisfinnen (Perussuomalaiset), die Schwedische Volkspartei (Suomen ruotsalainen kansanpuolue) und die Finnischen Christdemokraten (Suomen Kristillisdemokraatit). Eine erste Veränderung in den Reihen der Minister gab es bereits am 30. Juni 2023. Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila (Basisfinnen) erklärte seinen Rücktritt. Vorausgegangen waren Presseberichte über rechtsextreme Äußerungen Junnilas in der Vergangenheit. 

Geteilte Meinungen zu neuem Regierungsprogramm

Nach Einschätzung des Forschungsinstituts ETLA enthält das fast 250 Seiten lange Regierungsprogramm (englische Version) die richtigen Maßnahmen. "Die Schwachstellen in der finnischen Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt sind erkannt worden, und die Aufmerksamkeit wird nun auf die richtigen Dinge gelenkt", kommentiert der Geschäftsführer Aki Kangasharju gegenüber der Wirtschaftszeitung Kauppalehti. Kritik kommt vom Dachverband der finnischen Gewerkschaften SAK: Das Regierungsprogramm "enthält für Arbeitnehmer sehr wenig Positives".

Ein erklärtes Ziel der neuen finnischen Regierung ist es, den Verwaltungsaufwand für die Firmen im Land zu verringern. Unter anderem verpflichtet sie sich, mindestens 300 Vorschriften, die Unternehmen und Bürger beeinträchtigen, abzubauen. Auch will sie sich für eine Vermeidung von Arbeitskämpfen stark machenFür die Kündigung wird laut Regierungsprogramm künftig ein „sachlicher Grund“ für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ausreichen. Die Ansiedelung ausländischer Investitionsprojekte will die neue Regierung durch ein sogenanntes One-Stop-Shop-Modell vereinfachen. Genehmigungen sollen dann durch ein zentralisiertes System beantragt und von einer einzigen Behörde koordiniert werden. 

Arbeitsmarktmaßnahmen sollen Haushalt entlasten

Großes Thema im Vorfeld der Parlamentswahlen waren die finnischen Staatsfinanzen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte neben weiteren Organisationen angemahnt, dass Finnland seinen Haushalt mittelfristig erheblich konsolidieren muss. Die Schuldenquote des nordischen Landes war in den vergangenen Jahren schrittweise gestiegen. Orpos Regierung will den "Verschuldungstrend" umkehren. Die öffentlichen Finanzen will sie durch ein Maßnahmenpaket bis 2027 um einen Nettobetrag von 6 Milliarden Euro entlasten. 

Helfen soll dabei eine höhere Beschäftigung. 100.000 zusätzliche Erwerbstätige sollen den Staatshaushalt um 2 Milliarden Euro entlasten. Langfristiges Ziel ist eine Beschäftigungsquote von 80 Prozent. 2022 waren es 73,8 Prozent. Um das zu erreichen, sieht das Regierungsprogramm den Abbau von "Anreizfallen am Arbeitsmarkt" vor. Beispielsweise sollen die Sozialleistungen für Erwerbslose gekürzt werden. Eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf fast alle Produkte und Dienstleistungen mit einem derzeitigen Satz von zehn Prozent soll ebenfalls mehr Geld in die Staatskasse spielen. Das betrifft beispielsweise Medikamente, Bücher sowie Kultur- und Beherbergungsdienstleistungen. 

Neue Vorgaben für Einwanderung

Großes Streitthema bei den Koalitionsverhandlungen war das Thema Einwanderung. In Finnland herrscht ein großer Fachkräftemangel. Um diesem entgegenzuwirken, ist Finnland Experten zufolge auf die Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern angewiesen. Laut ETLA muss sich die Einwanderung nach Finnland verdreifachen, um den Geburtenrückgang und Arbeitskräfteschwund auszugleichen. Im Wahlkampf hatten sich abgesehen von den Basisfinnen alle Parteien für eine Zuwanderung von ausländischen Fachkräften ausgesprochen. 

Das neue Regierungsprogramm sieht eine Anhebung der Einkommensgrenze für Aufenthaltserlaubnisse zur Beschäftigung vor. Derzeit müssen im Ausland lebende Personen einen finnischen Arbeitsvertrag mit einem monatlichen Bruttogehalt von mindestens 1.331 Euro vorweisen, um einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu erhalten. Die Orpo-Regierung will diese Grenze auf 1.600 Euro anheben. Zudem sollen ausländische Arbeitnehmer Finnland verlassen, wenn das Beschäftigungsverhältnis endet und binnen von drei Monaten keine neue Beschäftigung gefunden wird. Das Regierungsprogramm sieht außerdem vor, die Bearbeitungszeit von Aufenthaltserlaubnissen zur Beschäftigung auf maximal einen Monat zu verkürzen. 

Neue Energie- und Klimastrategie angekündigt

Die Vorgängerregierung hatte 2022 das sogenannte Klimagesetz beschlossen. Dieses sieht vor, dass Finnland bis 2035 CO₂-neutral wird. Die Orpo-Regierung unterstreicht in ihrem Programm, dass Finnland den Zielen dieses Gesetzes verpflichtet ist. Es ist jedoch auch zu lesen, dass die Ausarbeitung einer neuen Energie- und Klimastrategie vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang soll die Strategie der CO₂-Neutralität überprüft werden. Finnland soll ein wichtiger Akteur in der Wasserstoffwirtschaft und ein attraktiver Standort für Projekte im Bereich der Weiterverarbeitung von Wasserstoff werden. 

Besonders interessant für Unternehmen ist das geplante Investitionsprogramm der neuen Regierung. Dieses sieht eine einmalige Investitionssumme von 4 Milliarden Euro vor. Die Mittel sollen beispielsweise in die Gebäudesanierung sowie in Infrastrukturprojekte fließen. Finanziert werden soll das Programm durch den Verkauf von Staatseigentum.

Monopole werden aufgelöst

Die neue Regierung möchte zudem das finnische Glücksspielsystem für den Wettbewerb öffnen. Derzeit liegt das Monopol beim staatlichen Unternehmen Veikkaus. Zudem ist eine Anhebung der Alkoholgrenze für im Einzelhandel verkaufte Getränke auf 8 Prozent (derzeit 5,5 Prozent) geplant. Waren über dieser Grenze werden nur vom staatlichen Einzelhändler Alko vertrieben. Die Regierung will zudem die Liberalisierung des Verkaufs von Weinen mit einem Alkoholgehalt von bis zu 15 Prozent prüfen. 

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