Special | Frankreich | KI-Strategie
Frankreich auf dem Weg in den internationalen KI-Olymp
Frankreich will sich bei künstlicher Intelligenz an die Weltspitze schieben. Forschung und Unternehmen ziehen mit. Die Finanzierung aber fällt schwerer als in den USA.
03.11.2025
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
- Frankreich und Europa mobilisieren Fördermittel
- Großinvestitionen in Rechenzentren
- Frankreichs Forschungs- und Unternehmensszene für KI gut aufgestellt
- Mistral AI wird zum Decacorn
- Mehr als 600 Start-ups konzentrieren sich auf KI-Entwicklungen
- Politischer Stillstand und Schuldenkrise bedrohen das Förderumfeld
Frankreich hat den Kampf um einen Führungsplatz auf der KI-Weltkarte trotz härtester Konkurrenz aus den USA und China noch nicht abgeschrieben. Die Nationale Strategie zu künstlicher Intelligenz sieht einen Fahrplan vor, der Frankreich im Bereich künstliche Intelligenz an der Weltspitze verankern soll.
Die 2018 erstmals aufgelegte KI-Strategie wird fortlaufend weiterentwickelt. Anfang 2025 hat die Regierung die dritte Strategieetappe vorgestellt. Sie sieht vor, Recheninfrastrukturen und die KI-Wertschöpfungskette zu stärken, KI-Talente auszubilden und zu halten und KI in die Wirtschaft zu integrieren. Dabei legt Frankreich, im Einklang mit dem EU-AI-Act, besonderen Wert auf den Aufbau einer vertrauenswürdigen KI.
Trotz einer angespannten finanziellen Haushaltslage unterstützt das Land die Entwicklung einer konkurrenzfähigen KI-Branche auch finanziell. Im Rahmen des Innovationsplans France 2030 stellt die Regierung bis 2030 knapp 2,5 Milliarden Euro an Anschubförderung für innovative Lösungen bereit.
Frankreich und Europa mobilisieren Fördermittel
Zudem treibt Frankreich in Kooperation mit der EU die Entwicklung der eigenen, aber auch der europäischen KI-Szene voran. Im Februar 2025 hat die Europäische Kommission angekündigt, im Rahmen des Public-Private-Partnership "InvestAI" Investitionen in KI in Höhe von 200 Milliarden Euro zu mobilisieren. Insgesamt 150 Milliarden Euro werden durch einen Verbund von 70 europäischen Großunternehmen, die "EU AI Champions Initiative“, getragen. Industriegruppen wie Siemens, Airbus, L’Oreal oder Air Liquide, aber auch Unicorns wie Mistral AI oder Spotify haben sich dem Verbund angeschlossen. Die restlichen 50 Milliarden steuert die EU bei.
Großinvestitionen in Rechenzentren
Und Frankreichs Anstrengungen um den Aufbau eines eigenen KI-Ökosystems tragen Früchte. So haben im Februar 2025 vor allem internationale Akteure angekündigt, 109 Milliarden Euro in den Aufbau neuer Rechenzentren und die KI-Infrastruktur in Frankreich zu investieren.
Die angekündigten Investitionen sollen in den Auf- und Ausbau der gesamten KI-Wertschöpfungskette fließen. Die Regierung plant, nicht nur bei Rechenzentren, sondern auch bei der Herstellung von Halbleitern und Chips und der Entwicklung von Super- und Quantenkalkulatoren zu amerikanischen und chinesischen Konkurrenten aufzuschließen.
Projektbezeichnung | Leistung | Unternehmen | Status | Investitionsvolumen |
|---|---|---|---|---|
| Rechenzentrum und KI-Forschungs- und Ausbildungszentrum | 1.000 MW | Vereinigte Arabische Emirate / MGX (Abu Dhabi) | Rahmenvereinbarung Februar 2025 | 30 - 50 |
| Rechenzentren | 500 MW | Data4 / Brookfields (Kanada) | Projektankündigung Februar 2025 | 15 |
| Dekarbonisierter KI-Supercomputer | 1.000 MW | Fluidstack (Vereinigtes Königreich) | Projektankündigung Februar 2025, Inbetriebnahme geplant 2026 | 10 |
| Rechenzentren und KI-Infrastruktur | - | Amazon (US) | Projektankündigung Mai 2024; Investitionen laufend bis 2031 | 6 |
| Ausbau KI-Infrastruktur (Datentransfer, Halbleiterspeicher, Energieerzeugung) | - | Data4 / Brookfields (Kanada) | Projektankündigung Februar 2025 | 5 |
| Ausbau KI-Energieinfrastruktur | - | Apollo Global Management | Projektankündigung Februar 2025 | 5 |
| KI-Fabrik / Rechenzentrum | 96 MW | Evroc (Schweden) | Projektankündigung Februar 2025; Inbetriebnahme 1. Phase geplant 2025 | 4 |
| Rechenzentren und Rechenleistung |
| Iliad (Frankreich) | Projektankündigung Februar 2025 | 3 |
Frankreichs Forschungs- und Unternehmensszene für KI gut aufgestellt
Dass internationale Investoren sich in Richtung Frankreich orientieren, hat einen guten Grund. Mit neun forschungsstarken KI-Clustern und einer lebendigen Unternehmens- und Start-up-Szene bietet Frankreich für die internationale KI-Branche gute Entwicklungsmöglichkeiten.
International renommiert ist das Forschungscluster Paris-Saclay, das "französische Silicon Valley". In Paris-Saclay arbeiten Forscher von Weltrang, die Kooperation mit internationalen Branchengrößen wie Amazon oder Microsoft ist eng. Das World Economic Forum hat Paris-Saclay Ende Februar 2025 zum Standort des neuen "European Centre for AI Excellence (CAIE)" ernannt.
Der Großraum Grenoble hingegen ist Großcluster für die Halbleiter- und Chipindustrie. Die Region verfügt mit dem CEA-Leti nicht nur über ein Halbleiterforschungszentrum von Weltrang. Auch die Halbleiterkonzerne STMicroelectronics und Soitec haben ihre Produktionsstätten in der Region.
Mistral AI wird zum Decacorn
Mit dem Unternehmen Mistral AI verfügt Frankreich zudem über einen landeseigenen Konkurrenten zu ChatGPT und Co. Mistral AI bietet mit seinem Open Source Chatbot LeChat eine europäische Alternative zu amerikanischen und chinesischen Chatbot-Anbietern. Unter anderem das französische Verteidigungsministerium, aber auch Unternehmen wie Stellantis, Capgemini und Cisco nutzen Mistral AI. Sie schätzen nicht nur die Technologie, sondern auch die Tatsache, dass Mistral AI europäische Datenschutz- und KI-Vorgaben anwendet.
Mistral AI hat im September 2025 in einer Series C-Runde 1,7 Milliarden Euro eingeworben und so seine Bewertung auf knapp 12 Milliarden Euro getrieben. Damit ist Mistral AI das erste KI-Decacorn Europas. Allerdings liegt Mistral AI finanziell immer noch weit hinter US-amerikanischen Konkurrenten wie Open AI oder Anthropic zurück.
Mehr als 600 Start-ups konzentrieren sich auf KI-Entwicklungen
Die französische KI-Start-up-Szene aber hat mehr zu bieten als nur Mistral AI. Mehr als 600 Start-ups konzentrieren sich in Frankreich auf KI-Entwicklungen, unterstützt durch Start-up-Förderinstitutionen wie die French Tech und die Förderbank BPI (Banque Publique d'Investissement).
Großkonzerne, insbesondere die in Frankreich starke Luft- und Raumfahrt- sowie Verteidigungsindustrie, schieben die KI-Szene an. Durch Kooperationen und finanzielle Förderung unterstützen sie Start-ups bei der Überführung von Ideen in die industrielle Nutzung. So investiert Airbus über seinen Fonds AirbusVentures in KI-Unternehmen wie Bifrost. Thales Alenia Space treibt über sein 2014 gegründetes "Innovation Cluster" die Kooperation mit Start-ups voran.
Politischer Stillstand und Schuldenkrise bedrohen das Förderumfeld
Die seit Juni 2024 anhaltenden Regierungskrisen und die massive Staatsverschuldung verunsichern die Branche. Der Staat muss sparen. Start-ups fürchten, dass Fördergelder eingefroren und steuerliche Förderungen wie Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung zurückgefahren werden. Und mangels handlungsfähiger Regierung kommen Initiativen wie Erleichterungen für Risikokapital nicht voran.
Vivatech zieht die internationale KI-Szene an
Auf der Innovations- und Technologiemesse Vivatech trifft sich jedes Jahr die französische und internationale KI-Szene und stellt die neuesten Technologietrends vor. Die in Paris stattfindende Start-up- und Innovationsmesse hat sich mittlerweile als europäisches Branchenhighlight etabliert. Deutschland ist als einziges Ausstellungsland mit einem binationalen Stand, dem French-German Tech Lab, vertreten.
Vivatech: Deutschland ist 2026 Partnerland.
Die Messe findet vom 17.06. bis 20.06.2026 in Paris statt. Für deutsche Start-ups wird es eine Förderung für die Teilnahme geben (Informationen folgen demnächst).