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Wirtschaftsausblick | GUS | Konjunktur

Russlands Nachbarländer erleben eine Sonderkonjunktur

Im Kaukasus und in Zentralasien läuft die Wirtschaft derzeit auf Hochtouren. Der Hauptgrund sind die vor der Einberufung geflüchteten Russen, die nun den Konsum antreiben.

Von Gerit Schulze | Berlin

Im Kaukasus und in Zentralasien haben die Volkswirtschaften ein turbulentes Jahr hinter sich. Zwar haben die rohstoffarmen Länder unter ihnen mit teuren Energieträgern und Vorprodukten zu kämpfen. Doch die massive Einwanderung von jungen Russen, die sich der Teilmobilisierung entziehen, kurbelt die Nachfrage nach Wohnraum und schnelldrehenden Konsumgütern an. Auch aus der Ukraine und aus Belarus gibt es starke Migrationsbewegungen.

Wachstum doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt

Deshalb dürfte die Wirtschaftsleistung in der Region auch 2023 schneller wachsen als in anderen Weltregionen. Während die Weltbank für das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) einen Zuwachs von nur 1,7 Prozent erwartet, liegen die Prognosen für alle südlichen Nachfolgestaaten der Sowjetunion deutlich darüber.

Schon 2022 lag das Wachstum im Kaukasus und in Zentralasien über dem globalen Durchschnitt von 2,9 Prozent.

Zweistelliges Plus in Georgien

Besonders dynamisch entwickelt sich die Kaukasusrepublik Georgien. Nach dem Wegfall aller Corona-Schutzvorkehrungen starten die von der Pandemie betroffenen Wirtschaftssektoren wieder durch. Außerdem sorgen die mehr als 100.000 russischen Immigranten, die nach der Teilmobilisierung im Nachbarland nach Georgien strömten, für Konsumimpulse. Laut Weltbank erreichte das reale Wachstum des Bruttoinlandsproduktes 2022 rund 10 Prozent.

Der Boom könnte sich 2023 mit einem BIP-Anstieg um etwa 4 Prozent fortsetzen. Dazu tragen der wiederbelebte Tourismus bei, die positive Entwicklung in Handel, Transport und Finanzen, Immobiliengeschäfte und steigende Anlageinvestitionen. Das stimuliert zudem die Bauwirtschaft.

Doch Russlands Krieg gegen die Ukraine birgt auch Risiken für Georgien. Die Lieferengpässe bleiben bestehen und erhöhen den Druck auf die Preise. Wohnraum wird vor allem in Tiflis knapp und sorgt für soziale Verwerfungen. Das hohe Wachstum könnte zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen und damit zu einer harten Landung.

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Dienstleistungen in Armenien boomen

Ein Wachstum von jeweils über 4 Prozent wird 2023 und 2024 auch in Armenien erwartet. Im Jahr 2022 legte das BIP in dem Binnenland sogar zweistellig zu. Einen regelrechten Boom erlebten die Hotels und Gaststätten, die Bauwirtschaft, der Groß- und Einzelhandel. Das hing vor allem mit dem Zustrom russischer Kurzzeit- und Dauertouristen sowie mit privaten Überweisungen aus Russland zusammen. Zugleich profitierte Armenien von den hohen Preisen für seine Metallexporte.

Die Sondereffekte von Russlands Kriegs gegen die Ukraine täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Wirtschaft mit ernsthaften Problemen zu kämpfen hat. Die Aufwertung der Landeswährung gegenüber dem US-Dollar schwächt die Konkurrenzfähigkeit der Exporteure. Die Inflation erschwert die Beschaffung von Rohstoffen und Materialien und bremst den Inlandskonsum. Zudem kommen Reformen nicht im gewünschten Tempo voran. Der schwelende Konflikt um Bergkarabach schreckt Investoren ab.

Viele Bauprojekte in Aserbaidschan

Nicht ganz so stark entwickelt sich die Wirtschaft im Nachbarland Aserbaidschan. Für 2023 und 2024 wird ein Plus von 2,8 und 2,6 Prozent erwartet. Laut Weltbank erreichte das Wachstum im Jahr 2022 noch 4,2 Prozent.

Branchen außerhalb des Rohstoffsektors entwickeln sich zurzeit besser als die Öl- und Gasindustrie. Impulse bekommt die Konjunktur in dem Land am Kaspischen Meer durch wachsende Dienstleistungssektoren wie Transport, Informationstechnologien, Telekommunikation und Tourismus sowie durch die Bauwirtschaft. Außerdem investiert Aserbaidschan in den Bau von Wind- und Solarparks sowie die Modernisierung der Wasserwirtschaft und der Verkehrsinfrastruktur.

Hohe Ölpreise beflügeln Kasachstan 

Kasachstan profitierte 2022 von den stark gestiegenen Rohölpreisen. Ein hoher Flüchtlingsstrom aus Russland befeuerte zudem die Binnennachfrage in dem zentralasiatischen Land. 

In der Folge entwickeln sich die Bruttoanlageinvestitionen sehr robust und könnten 2023 wie im Vorjahr deutlich über 3 Prozent wachsen. Die höheren Öleinnahmen verbessern den finanziellen Spielraum des Staates und der Unternehmen. Auch ausländische Investoren weiten ihr Engagement aus. Im 1. Halbjahr 2022 verdoppelten sich deren Direktinvestitionen auf rund 2,8 Milliarden US-Dollar (US$) gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Internationale Firmen, die den russischen Markt verlassen, weichen nach Kasachstan aus.

Jedoch sorgt Russlands Krieg in der Ukraine auch für Negativeffekte in Kasachstan. So sind bei vielen Vor- und Endprodukten die Lieferketten nachhaltig gestört. Das liegt nicht nur an den Sanktionen gegen Russland, sondern ebenso am Rückzug internationaler Produzenten aus dem größten Land der Erde. McDonald’s kündigte Anfang 2023 an, den kasachischen Markt nach sechs Jahren zu verlassen, weil der Fastfood-Konzern kein Fleisch mehr aus Russland beziehen kann. 

Usbekistan setzt Reformagenda fort

In Usbekistan beruht der Aufschwung weniger auf den Flüchtlingsbewegungen aus Russland als auf den starken Investitionen und Reformen. Die Regierung rechnet zwischen 2023 und 2025 mit Bruttoanlageinvestitionen von 94 Milliarden US$. Es gibt Entwicklungsprogramme für viele Industriezweige und ambitionierte Ausbauprojekte für die Infrastruktur.

Russlands Angriff auf die Ukraine verschiebt auch in Usbekistan den Zeitplan einiger Projekte nach hinten. Über das Land werden weniger Waren umgeschlagen, was vor allem der Logistikbranche schadet. Positiv wirken sich die höheren Weltmarktpreise für Bunt- und Edelmetalle, die steigenden Ausfuhren von Textilien und Bekleidung und weitere Reformen aus. Letzteres schließt auch die zunehmende Privatisierung staatlicher Unternehmen mit ein. 

Lieferungen aus Deutschland mit starken Zuwächsen

Für deutsche Exporteure zahlt sich die gute Entwicklung östlich und westlich des Kaspischen Meeres aus. Sie konnten ihre Ausfuhren in die Region 2022 kräftig steigern. Die Lieferungen nach Kasachstan und Usbekistan haben sich nahezu verdoppelt. Richtung Georgien und Aserbaidschan stieg der Exportwert um die Hälfte.

Gleich um das 6-Fache gewachsen sind im Zeitraum Januar bis November 2022 die deutschen Lieferungen nach Kirgisistan. Dafür sorgten vor allem Fahrzeuge, deren Wertvolumen im Vergleich zur Vorjahresperiode fast um das 50-Fache anstieg. Das könnte damit zusammenhängen, dass Kirgisistan als Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion als Drehscheibe genutzt wird, um Autos nach Russland zu verkaufen.

Auch Armenien und Kasachstan sind Teil dieser Zollunion, was die starken Exportanstiege dorthin erklären könnte.


Deutsche Exporte in den Südkaukasus und nach Zentralasien (in Millionen Euro)

Land

Januar bis November 2022

Veränderung zur Vorjahresperiode in %

Kasachstan

2.433

93

Usbekistan

968

87

Georgien

520

49

Armenien

416

167

Aserbaidschan

415

48

Kirgisistan

268

504

Turkmenistan

183

8

Tadschikistan

48

61

Quelle: Destatis, zitiert nach Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, 2022

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