Branche kompakt | Indien | Ernährungswirtschaft
Branchenstruktur
Große Unternehmensgruppen dominieren die Branche, wenngleich viele kleinere Unternehmen im Markt tätig sind. Es wird investiert, aber die Exporte stocken.
09.07.2025
Von Florian Wenke | Mumbai
Indien zählt zu den größten Lebensmittelproduzenten weltweit und liegt bei der Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Getreide (besonders Reis und Weizen), Obst und Gemüse sowie bei Milchprodukten mit an der Spitze. Trotzdem hinken die Agrar- und Lebensmittelindustrie bei Effizienz und Verarbeitungstiefe im internationalen Vergleich oft hinterher. Die weitverbreiteten Schätzungen, dass rund 10 Prozent der produzierten Lebensmittel verarbeitet werden, dürften mittlerweile überholt sein.
Die Unternehmensberatung Deloitte gab 2021 an, dass in Indien nur 4 Prozent Obst, 3 Prozent Gemüse, aber 92 Prozent Reis verarbeitet werden. Auch bei Fleisch (34 Prozent) und Milch (21 Prozent) hat Indien Verarbeitungskapazitäten. Aktuellere Daten sind nicht verfügbar, aber die Werte dürften sich seitdem nur geringfügig verändert haben.
Produkt | 2023/2024 | 2024/2025* | Veränderung |
---|---|---|---|
Zuckerrohr | 453,2 | 435,1 | -4,0 |
Getreide | 308,1 | 307,9 | -0,1 |
Milch und Milchprodukte | 239,3 | k. A. | - |
Gemüse | 207,2 | 214,6 | 3,5 |
Obst | 113,0 | 113,2 | 0,2 |
Ölsaaten | 39,7 | 41,7 | 5,0 |
Hülsenfrüchte | 24,2 | 23,0 | -5,0 |
Fisch und Meeresfrüchte | 18,4 | k. A. | - |
Gewürze | 12,5 | 12,0 | -3,9 |
Fleisch | 10,3 | k. A. | - |
Viele kleine Unternehmen prägen Nahrungsmittelbranche
Das National Statistical Office meldet über 41.500 registrierte Fabriken für die Nahrungsmittelverarbeitung in den letztverfügbaren Daten für 2023. Die meisten Unternehmen liegen in den Bundesstaaten Andhra Pradesh, Tamil Nadu, Telangana und Maharashtra. Rund die Hälfte der Unternehmen befasst sich mit dem Mahlen von Getreide. Hier zählt der Bundesstaat Punjab ebenfalls zu den wichtigen Standorten. Mit Abstand folgen die Herstellung von Ölen und Fetten sowie die Produktion von Getränken beziehungsweise Milch und Milchprodukten. Insgesamt beschäftigt die Branche 2,2 Millionen Personen und ist damit einer der wichtigsten Arbeitgeber des Landes.
Bereich | Anzahl Unternehmen | Beschäftigte |
---|---|---|
Herstellung von gemahlenen Getreideprodukten und Stärke | 20.738 | 479.769 |
Herstellung von pflanzlichen sowie tierischen Fetten und Ölen | 2.726 | 119.035 |
Herstellung von Getränken | 2.293 | 180.334 |
Herstellung von Milchprodukten | 2.176 | 210.900 |
Verarbeitung von Obst und Gemüse | 1.346 | 90.481 |
Verarbeitung von Fisch und Meeresfrüchten | 706 | 111.882 |
Verarbeitung von Fleisch | 187 | 31.822 |
Sonstige | 11.396 | 978.243 |
Insgesamt | 41.568 | 2.202.466 |
Großunternehmen erzielen Milliardenumsätze
Viele der Firmen sind Klein- und Kleinstunternehmen. Auch der quantitativ nur schwer erfassbare informelle Sektor spielt bei der Verarbeitung von Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Das Beratungsunternehmen Grant Thornton geht davon aus, dass in der Branche 75 Prozent Kleinstunternehmen aus dem informellen Sektor sind. Dominiert wird die Nahrungsmittelindustrie jedoch von großen indischen Unternehmen, darunter ITC, Parle Agro, MTR Foods, Britannia Industries, Amul und Haldiram sowie multinationalen Herstellern wie Nestlé, PepsiCo, Mondelez, Coca-Cola und Unilever.
Unternehmen | Wichtige Produktkategorien | Umsatz 2023/2024 |
---|---|---|
Nestlé | Instantnudeln, Soßen, Süßwaren, Milch und Milchprodukte | 2.789 |
ITC | Kekse, Nudeln, Fertiggerichte, Getränke, Süßwaren, Gewürze, Snacks | 2.642 |
Britannia | Kekse, Kuchen, Zwieback | 1.859 |
Hindustan Unilever | Soßen, Suppen, Getränke, Eis, Tee | 1.757 |
Tata Consumer Products* | Grundnahrungsmittel, Fertiggerichte, Getränke, Gewürze | 1.747 |
Parle | Kekse, Snacks | 1.733 |
Modernisierungsprogramme laufen, aber langsam
Der Aufbau von 41 sogenannten Mega Food Parks zur Verarbeitung von Lebensmitteln erfolgt weiterhin nur langsam. Diese Parks sollen den heimischen Nahrungsmittelproduzenten optimale Produktionsmöglichkeiten bieten und Investitionen aus dem Ausland anlocken. Ende Oktober 2024 waren laut indischen Angaben erst sieben Parks komplett fertiggestellt und weitere 17 zumindest in Betrieb genommen.
Etwas besser kommt der Aufbau der "Agro Processing Cluster" voran. Ende März 2025 waren 22 von 71 Projekten in Betrieb, der Rest ist im Aufbau. Die Cluster sind Teil des Programms Pradhan Mantri Kisan Sampada Yojana und sollen für den Aufbau von Verarbeitungsstrukturen in der Nähe von Lebensmittelanbaugebieten sorgen. Dabei geht es insbesondere darum, die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Das beinhaltet auch Lager- und Kühlhäuser sowie Sortier- und Verpackungsmöglichkeiten.
Das Programm "Scheme of Creation/Expansion of Food Processing & Preservation Capacities" macht ebenfalls Fortschritte. Beim Aufbau von Kapazitäten sowohl für Verarbeitung als auch für Kühlung geht es voran. Durch die neuen Förderrichtlinien könnte das Programm einen Schub erhalten.
Neue Fertigungsanlagen entstehen
Investoren haben das Potenzial des Wachstumsmarktes erkannt und tragen dem Rechnung. Sowohl einheimische Firmen, als auch die vor Ort tätigen Ableger internationaler Konzerne investieren im Land. Zu den Investoren gehören auch deutsche Firmen wie Krones. Das Unternehmen begann im Februar 2025 mit dem Bau einer Fabrik zur lokalen Fertigung von Abfüllanlagen. Indiens allgemein gute Wirtschaftslage, Nähe zu Kunden und die Möglichkeit, kostengünstig vor Ort einkaufen und produzieren zu können, waren Argumente für die Entscheidung. Damit dürfte die Firma sinnbildlich für viele andere Investoren stehen.
Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Erweiterung des Netzwerkes an Produktionsanlagen in Uttar Pradesh und Bihar durch SLMG Beverages | 919 | Planungsphase | SLMG Beverages gehört zur Ladhani Group. Das Unternehmen ist der größte unabhängige Abfüller von Coca Cola |
Erweiterung von bestehenden Produktionskapazitäten durch Lotte Wellfood | 300 | Planungsphase | Das Unternehmen produziert Eiscreme (Havemor Ice Cream) |
Bau einer neuen Fertigungslinie für KitKat durch Nestlé | 126 | Angekündigt | Die Fertigungslinie soll in der bereits bestehenden Fabrik in Sanand im Bundesstaat Gujarat entstehen |
Bau einer Fabrik zur Verarbeitung von Zwiebeln durch HyFun Foods | 57,4 | Angekündigt | Die Fabrik soll nahe der Zwiebelanbaugebiete in Maharashtra und Madhya Pradesh entstehen |
Bau einer Fabrik für Abfüllanlagen durch die Krones AG | 36,2 | Baubeginn war im Februar 2025 | Die Anlage entsteht in Vemagal im Bundesstaat Karnataka |
Ausbau der Fabrik für Kindernahrung durch Danone | 21,5 | Angekündigt | Die Fabrik befindet sich in Lalru im Bundesstaat Punjab. Die Investition soll sich über vier Jahre erstrecken |
Aufbau von zwei Produktionsanlagen für Palmöl und Flaschenverschlüsse durch Unilever | k. A. | Angekündigt | Die Anlagen sollen im Kamareddy Distrikt im Bundesstaat Telangana entstehen |
Dem Ministry of Food Processing Industries zufolge beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung im Finanzjahr 2023/2024 (1. April bis 31. März) auf 608 Millionen US-Dollar (US$). Von April bis September 2024 konnte Indien weitere 368 Millionen US$ einwerben. Zwischen April 2000 und Dezember 2024 flossen insgesamt 13 Milliarden US$ in den Sektor, so das Department for Promotion of Industry and Internal Trade.
Nahrungsmittelexporte sind zum Wirtschaftsfaktor geworden
Zunehmend entwickeln sich Teile der Lebensmittelproduktion zu wichtigen Exportbranchen. Die Regierung unterstützt dies. Zu den Exportprodukten zählen insbesondere Fisch und Meeresfrüchte aus Aquakulturen sowie Reis.
Für die Ausfuhr müssen die Waren nach international konkurrenzfähigen Standards verarbeitet und verpackt sein. Das macht Exportunternehmen zu wichtigen Kundengruppen für die dazu notwendigen Maschinen. Das Ministry of Commerce and Industry meldete Ausfuhren von Nahrungsmitteln und Getränken in Höhe von 40,9 Milliarden US$ für den Zeitraum zwischen 1. April 2024 bis 31. Januar 2025. Das ist ein Plus von 7,8 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die wichtigsten Zielländer der indischen Exporte waren die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und China.
Exportierenden Firmen stehen unsichere Zeiten bevor. Dafür sorgt die unberechenbare Zollpolitik der USA. Sollten die angekündigten Zölle in Höhe von 26 Prozent in Kraft treten, dann dürften vor allem die Ausfuhren von Garnelen leiden.
Nahrungsmittelimporte spielen eine untergeordnete Rolle. Lediglich bei Pflanzenölen ist Indien auf Einfuhren angewiesen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Palmöl aus Indonesien.