Branchen | Indien | Automobilsektor
Marktchancen Automobil- und Kfz-Teile-Produktion
Die Produktion von Kfz in Indien wächst wieder erheblich. Die Hersteller blicken positiv in die Zukunft.
27.03.2023
Von Florian Wenke | Mumbai
Die Produktion erholt sich deutlich
Die Fahrzeugproduktion in Indien stieg im Finanzjahr 2021/2022 (1. April bis 31. März) gegenüber dem Vorjahr. Es war eine spürbare Erholung für eine Branche, die zunächst stark unter der Pandemie und anschließend unter Lieferkettenengpässen, insbesondere bei Halbleitern, gelitten hat. Lediglich bei Zweirädern setzte sich der Produktionsrückgang gegenüber dem Vorjahr fort, weil die lokale Nachfrage dafür nicht in Schwung kommt.
Im Finanzjahr 2022/2023 setzt sich die Erholung fort. Wahrscheinlich dürften die Produktionszahlen in allen Fahrzeugkategorien, außer bei Zweirädern, die Vorjahreswerte erreichen oder übertreffen. Bei Bussen liegen die Stückzahlen bereits jetzt deutlich über dem Vorjahreswert.
Dementsprechend gut ist die Stimmung in der Branche. Eine Umfrage der Federation of Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI) vom Oktober 2022 zufolge lag die durchschnittliche Kapazitätsauslastung in der Automobilindustrie bei 90 Prozent. Circa 80 Prozent der Unternehmen berichteten von besser laufenden Geschäften im Vergleich zum Vorjahr. Ein Viertel der befragten Unternehmen plante, die Produktion zu erhöhen. Rund 40 Prozent der Unternehmen wollten neue Arbeitskräfte einstellen. Gleichzeitig berichteten 80 Prozent der Firmen von mindestens gleichen oder höheren Lagerbeständen. Knapp 40 Prozent der Befragten gaben an, höhere Exporte zu erzielen.
Importe von Kfz-Teilen legen kräftig zu
Mit dem Abflauen der Coronapandemie habe die Hersteller ihre Produktion wieder deutlich hochgefahren. Hierfür benötigen sie auch importierte Teile. Ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau legten die Einfuhren 2021 um gut 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu auf einen Wert von rund 7 Milliarden US-Dollar (US$). Darunter waren Importe (Auswahl siehe Tabelle) aus Deutschland im Wert von circa 785 Millionen US$. Die Einfuhren aus der Bundesrepublik verzeichneten über alle Produktkategorien hinweg Zunahmen.
SITC Kategorie | 2022 | Veränderung | aus Deutschland 2022 |
---|---|---|---|
778.3 Kfz-Elektrik | 813,9 | -5,0 | 52,3 |
784 Karosserien, Stoßstangen usw. | 5.589,1 | 11,2 | 757,2 |
773.13 Zündkabelsätze | 108,7 | 43,1 | 11,0 |
713.2 Motoren | 639,9 | 3,0 | 11,2 |
748.4 Getriebe und Getriebeteile | 573,2 | 30,6 | 74,0 |
Summe | 7.724,8 | 10,0 | 905,8 |
Im Jahr 2022 setzte sich die Erholung weitgehend fort, wenngleich sie etwas an Schwung verlor. Für den Zeitraum von Januar bis November 2022 meldete Indien Importe von Kfz-Teilen in Höhe von insgesamt knapp über 7 Milliarden US$, eine Steigerung von 21 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Einfuhren aus Deutschland legten mit rund 25 Prozent noch stärker zu und betrugen 805 Millionen US$ in der Betrachtungsperiode.
HS-Kategorie | Jan.-Nov. 2023 | Veränderung | aus Deutschland Jan.-Nov. 2023 |
---|---|---|---|
HS 8511, 8512 Kfz-Elektrik | 766,9 | 2,7 | 52,7 |
HS 8706, 8707, 8708 Karosserien, Stoßstangen etc. | 5.622,3 | 10,8 | 849,4 |
HS 8544.30 Zündkabelsätze | 115,5 | 18,4 | 12,9 |
HS 8407.31-34, 8408.20 Motoren | 514,1 | -12,6 | 19,2 |
HS 8483.40 Getriebe und Getriebeteile | 550,9 | 9,4 | 83,5 |
Summe | 7.569,7 | 8,0 | 1.017,7 |
Tata übernimmt Fordwerk in Gujarat
Für ausländische Hersteller ohne lokalen Partner ist der indische Automobilsektor eine große Herausforderung. Ford ist zum Beispiel seit 1995 in Indien tätig, hat aber nie den Durchbruch geschafft, sondern rund 2 Milliarden US$ an Verlusten eingefahren. Nun zieht sich der Hersteller vollständig zurück. Seit 2022 stehen die Bänder still. Der Produktionsstandort in Chennai hat bisher zahlreiche Interessenten, aber keinen Käufer gefunden.
Anders sieht es für das Werk in Sanand im Bundesstaat Gujarat aus. Der für Elektroautos zuständige Unternehmensarm von Tata Motors, Tata Passenger Electric Mobility, hat die Anlage 2022 für umgerechnet 88 Millionen US$ gekauft. An geeignete Bauflächen zu kommen ist eine große Herausforderung in Indien. Daher kann es sinnvoll sein, bestehende Anlagen zu übernehmen. Am Standort können derzeit rund 300.000 Fahrzeuge pro Jahr hergestellt werden, mit der Möglichkeit, diese Zahl auf 420.000 zu steigern. Tata gab an, in Sanand Elektroautos produzieren zu wollen. Die entsprechende Umrüstung des Werkes läuft inzwischen an und die Produktion soll zwischen Anfang und Mitte 2024 beginnen.
Investitionen in Elektromobilität und moderne Ausstattung
Viele der Hersteller investieren derzeit in Elektromobilität, allen voran Mahindra & Mahindra mit einem neuen Werk in Pune. Zudem setzen die Unternehmen allgemein auf moderne Technik an den Standorten. Während der Pandemie wurden diese Investitionen weitgehend aufgeschoben und werden nun nachgeholt.
Im Finanzjahr 2021/2022 hat der Automobilsektor nach Regierungsangaben zudem ausländische Direktinvestitionen im Umfang von rund 7 Milliarden US$ angezogen. Von April bis September 2022 waren es auch bereits fast 1 Milliarde US$.
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. US$)*) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Zwei Fertigungen im Bereich Elektromobilität durch JSW in Odisha | 4.804 | Absichtserklärung unterzeichnet | Rund 3 Milliarden US$ sollen in die Herstellung von E-Fahrzeugen und Batterien fließen. Die restlichen 1,8 Milliarden US$ gehen in den Bau einer Fabrik für Komponenten im Bereich Elektromobilität |
Bau eines neuen und Erweiterung eines bestehenden Werkes durch Maruti Suzuki | 4.202 | Angekündigt | Es handelt sich um das 2. Werk von Maruti Suzuki in Gujarat |
Umbau und Erneuerung eines alten Werkes durch Hyundai Motors India | 721 | Absichtserklärung unterzeichnet | Es handelt sich um das alte Werk von General Motors in Talegaon nahe Pune |
Bau eines Werkes durch Toyota Kirloskar Motor | 396 | Inbetriebnahme geplant für 2026 | Es ist das 3. Werk am Standort Bidadi nahe Bengaluru |
Bau von zwei Fabriken für Elektrofahrzeuge durch Omega Seiki Mobility | 200 | Angekündigt | Wahrscheinlicher Standort der Fabriken wird in Südindien sein |
Investitionen von Mahindra & Mahindra in das Zweiradgeschäft | 150 | Angekündigt | Investitionen unter der Dachmarke Classic Legends, zu der Mahindras Beteiligung an den Marken Java, Yezdi und BSA gehört |
Bau von zwei Fabriken für Komponenten im Bereich Elektromobilität durch Omega Seiki Mobility | 96 | Angekündigt | Unter anderem sollen Batterien und Antriebsstränge gefertigt werden |
Probleme bereiten vielen Unternehmen mittlerweile die Finanzierungskosten. Bereits im Oktober 2022 berichtete eine Umfrage von FICCI über durchschnittliche Kreditzinsen in Höhe von mehr als 10 Prozent. Seitdem ist der Leitzins weiter gestiegen, und mit ihm die Kreditzinsen. Das wird die Investitionstätigkeit der Unternehmen dämpfen.
Volkswirte halten Zinssenkungen erst in der 2. Hälfte des Finanzjahres 2023/2024 für möglich. Von 2023 an treten außerdem Regelungen zur Messung von Emissionen im praktischen Fahrbetrieb in Kraft. Zudem werden die Emissionsnormen Bharat Stage VI 2023 weiter verschärft. Die Aufwendungen dafür erhöhen die Produktionskosten für die Unternehmen, wodurch noch weniger Spielraum für Investitionen bleibt.
Für die Zulieferindustrie geht es wieder aufwärts
Der Verband der indischen Automobilzulieferer Automotive Component Manufacturers Association meldete einen Gesamtumsatz der Branche von 56,5 Milliarden US$ für das Finanzjahr 2021/2022. Im laufenden Finanzjahr 2022/2023 läuft es weiter gut für die entsprechenden Unternehmen. Alleine im 1. Halbjahr lag der Branchenumsatz bei fast 34 Milliarden US$. Die Ratingagentur ICRA geht von einem Umsatzwachstum der Branche zwischen 8 und 10 Prozent für das gesamte Finanzjahr aus. Während die Inlandsnachfrage weiterhin stabil bleiben dürfte, bereitet die konjunkturelle Abkühlung in Europa und den USA den Unternehmen Sorgen.
Kategorie | Wert | Veränderung zum Vorjahr |
---|---|---|
Branchenumsatz 2022/2023 | 69,7 | 23,2 |
Lieferungen an Hersteller (Original Equipment Manufacturers; OEM) | 59,3 | 39,5 |
Importe | 20,3 | 10,9 |
Exporte | 20,1 | 5,2 |
Verschleiß-, Reparatur-, Zubehör- und Tuningteile (Aftermarket) | 10,6 | 6,6 |
Branchenumsatz 1. Halbjahr 2023/2024 | 36,1 | 6,5 |
Lieferungen an Hersteller (Original Equipment Manufacturers; OEM) | 30,8 | 7,7 |
Importe | 10,6 | 3,6 |
Exporte | 10,4 | 2,7 |
Verschleiß-, Reparatur-, Zubehör- und Tuningteile (Aftermarket) | 5,5 | 1,7 |
(Stand Februar 2023)