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Nickelverarbeitung schafft auf Sulawesi Fakten

Der Bezirk Morowali auf Sulawesi hat sich zu dem Epizentrum der indonesischen Nickelindustrie entwickelt. Der Erfolg beruht auf einer protektionistischen Maßnahme.

Von Frank Malerius | Jakarta

Im Indonesia Morowali Industrial Park (IMIP) bebt der Boden. Unzählige Lkw und Schwertransporter lassen die Oberfläche vibrieren. Sie transportieren Aushub, Stahlrollen oder Schmelztöpfe, über staubige und unter dem enormen Gewicht bröckelnden Straßen. Auch die riesigen Walzen der Stahlwerke erschüttern die Erde. Sie pressen glühende Stahlmasse zu Platten, eine Produktionslinie reiht sich an die nächste. Anderswo drehen sich riesige Rohre, in denen Erze getrocknet werden.  

Morowali ist ein Höllenschlund der Erzverarbeitung und das Epizentrum des indonesischen Nickelbooms. Die Industriezone IMIP liegt in der Provinz Zentralsulawesi, 2.000 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Jakarta und ist ein Gemeinschaftsprojekt von China und Indonesien. Insgesamt 52 Unternehmen der Schwerindustrie sind hier angesiedelt, die mehr als 80.000 Arbeiter beschäftigen, etwa jeder zehnte ist ein Chinese.

Wertschöpfung nach Indonesien umgeleitet

Indonesien verfügt über die weltgrößten Nickelreserven. Das Metall wird vor allem für die Produktion von Edelstahl benötigt, aber auch für Batterien von Elektroautos. Das Erz wird vor allem in den Minen des südöstlichen Zipfels von Sulawesi gewonnen und nach Morowali transportiert. Noch vor wenigen Jahren wurde es in riesigen Mengen nach China verschifft, denn der eigentliche Nickelgehalt des Erzes liegt nur zwischen 1 und 2 Prozent. Mit der Weiterverarbeitung sicherte sich die Volksrepublik die Wertschöpfung. Doch am 1. Januar 2020 war damit Schluss: Die indonesische Regierung verschärfte das Ausfuhrverbot für unverarbeitetes Nickelerz. Dieser Schritt hat den Distrikt Morowali, in dem noch Völker abgeschieden im Dschungel leben und der winzige Flughafen nur über unbefestigte Straßen zu erreichen ist, für immer verändert. 

Chinesische Branchenunternehmen haben in Morowali in Rekordzeit eine gigantische Stahlindustrie aufgebaut, die Indonesien aus dem Stand zu einem der größten Stahlexporteure gemacht hat. In einigen Fachmedien wird das südostasiatische Land sogar als weltgrößter Edelstahlexporteur bezeichnet. Nahezu die gesamte Produktion von IMIP wird nach China geliefert. Zudem werden dort Vorprodukte für E-Auto-Batterien hergestellt, wie Nickelsulfat, Nickelcarbonat oder Cobaltchlorid. Die Nickellieferketten sind von chinesischen Akteuren besetzt, wer hier mitmischen möchte, muss mit ihnen zusammenarbeiten.

Der Bedarf an Kohle ist hoch

Riesige Schmelzanlagen verarbeiten das Nickelerz. Laut Regierungsplan sollen von 2020 bis 2024 landesweit 30 dieser Anlagen gebaut werden, alleine sieben von ihnen in Morowali. Sie zermahlen das Erz und rösten die Bestandteile unter Einsatz von Kohle. Nach weiteren Produktionsschritten werden schließlich in einem elektrischen Ofen mit einer Spannung von 39.000 Kilovoltampere Zwischen- und Endprodukte herausgelöst. 

Um batteriefähigen Nickel zu erzeugen, sind weitere Prozesse notwendig, denn der indonesische Nickel stammt aus Lateritablagerungen. Diese müssen anders als bei den Sulfidvorkommen in Kanada, Russland und Australien eine sogenannte Hochdrucksäurelaugung ("High Pressure Acid Leaching" - HPAL) durchlaufen. Vor dem Gang durch die Anlagen müssen die Besucher ihre Handykameras zukleben. In den Laboren neben den Hochdruckbehältern ist deutsche Messtechnik zu sehen. 

All diese Prozesse benötigen enorme Mengen an Energie, die in eigenen Kohlekraftwerken erzeugt wird. Die Kohle stammt aus den Tagebauen in Ost- und Sükalimantan und wird mit unzähligen Frachtschiffen im Hafen von IMIP angeliefert. Gelagert wird die Kohle in halbzylindrischen Coal Domes, die so groß sind wie Fußballstadien. Mehr als ein Dutzend von ihnen sind zu sehen. Bizarr wirken in den rauen Industrieanlagen dabei die Wände mit Bildern, die romantische Naturlandschaften zeigen. 

Diese sogenannten Captive Power Plants der Erzverarbeitung und anderer Industriezweige werden Schätzungen zufolge bald genauso viel Erzeugungskapazität haben, wie alle On-Grid-Kohlemeiler, die für zweit Drittel der Stromerzeugung des Archipels mit seinen 280 Millionen Menschen verantwortlich sind. Dennoch produziert das Schwellenland pro Kopf gerechnet deutlich weniger Kohlestrom als Deutschland.  

Protektionismus als Erfolgsrezept

Die Transformation Morowalis von einer Agrarkultur zum Zentrum der Schwerindustrie wird in Politik und weiten Teilen der Bevölkerung begrüßt. Denn sie verspricht Arbeitsplätze und Wohlstand. Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung der Provinz Zentralsulawesi, in der etwa 3 Millionen Einwohner leben, hat sich zwischen 2018 und 2022 auf fast 7.000 US-Dollar verdoppelt. Das ist der höchste Wert nach Jakarta, den Kohleregionen Ostkalimantans und den Palmölzentren Ostsumatras. Die fremden Besucher in Anzug und lockerer Freizeitkleidung werden ohne sichtbaren Argwohn empfangen. Man ist stolz, Teil des Erreichten zu sein.

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Für die Regierung ist die erzwungene Verlagerung der Nickelwertschöpfung nach Indonesien ein großer Erfolg. Zwar hat die EU bei der WTO erfolgreich gegen das Ausfuhrverbot von Nickelerz geklagt. Doch der indonesische Einspruch wird über Jahre verhandelt werden. Gleichzeitig haben die Industriezone IMIP und das zweite Nickelverarbeitungszentrum in den Nordmolukken unumkehrbare Fakten geschaffen. 

Die Nickelpolitik soll nun als Blaupause für andere Branchen dienen. So wurde im Juni die Ausfuhr von Bauxit verboten, Exportbanns für Zinn und Kupfer werden erwogen. Auch jenseits des Rohstoffsektors wird die Regierung bei protektionistischen Maßnahmen mutiger, sei es bei Medizintechnik oder Elektronik. Es gibt sogar Planspiele zur politischen Kontrolle des Außenhandels.

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