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Wirtschaftsumfeld | Irak | Handel und Vertrieb

Geschäfte mit Iraks Ölindustrie laufen geschmiert flüssiger

Iraks Ölindustrie investiert massiv. Das Projektgeschäft ist aber intransparent und hat eigene Regeln. Beteiligte berichten von dunklen Kanälen und Bestechung.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Die E-Mail des Projektentwicklers eines deutschen Mittelständlers klingt genervt. Er kommt einfach nicht voran bei seinen Kundengesprächen. Es geht um den Verkauf von Anlagen zur Nutzung von Erdgas, das in Irak bei der Ölförderung anfällt und als "Fackelgas" verbrannt wird. "Sie schieben die Verantwortung ab, treffen keine Entscheidung und wollen am Ende eine Finanzierung." 

Dabei müsste Iraks Ölindustrie genug Geld haben. Das Land ist nach Saudi-Arabien zweitgrößter Ölexporteur im Förderkartell der OPEC-Staaten. Und aktuell ist die Projektpipeline in der irakischen Öl- und Gasindustrie mit Vorhaben über 135 Milliarden US-Dollar (US$) so voll wie noch nie, hinzu kommen Chemieprojekte für 16 Milliarden US$. Die Vorhaben sind vor allem im Süden des Landes bei der Stadt Basra angesiedelt, wo die meisten Ölfelder liegen. 

Intransparenz durch staatlichen Besitz und privaten Betrieb

Die Öl- und Gasfelder Iraks sind allerdings in staatlichem Besitz, während die Ausbeutung durch private Firmen erfolgt. Ein Problem für den Projektentwickler der deutschen Firma. "Der Betreiber des Ölfelds, in der Regel ein ausländischer Konzern, will nicht investieren, weil ihm das Feld nicht gehört", erklärt er. "Und die staatliche Ölgesellschaft als Eigentümerin sieht das Abfackeln als Aufgabe des Betreibers." 

"Bei Beschaffungen auf den Ölfeldern bestimmen sowohl der staatliche Eigentümer als auch die privaten Betreiber", sagt dazu ein irakischer Vertriebsprofi in Basra. Der Vertreter für Messinstrumente und andere Technik meist US-amerikanischer Hersteller hat seinen Weg gefunden: Er versucht stets zuerst die staatliche Ölfirma zu überzeugen und dann erst den Investor. "Ohne Zustimmung des staatlichen Partners wird ein Geschäft nicht laufen."

Ein wichtiger Player für Vertriebler ist auch das irakische Ölministerium. Dies sagt ein anderer deutscher Mittelständler, der ebenfalls Anlagen im Bereich Fackelgas liefert und vor gut zehn Jahren ein Projekt erfolgreich abwickelte. Dem Ministerium seien alle staatlichen Firmen und auch Gemeinschaftsunternehmen mit privaten Betreibern zugeordnet. Als Anbieter müsse man deshalb vor allem dort weit oben gelistet sein. 

Wer letztlich zuständig ist bei Beschaffungen in Iraks Ölindustrie und wie diese konkret ablaufen, scheint unklar. Fest steht jedoch, dass diese Intransparenz die Korruption begünstigt. "Sie ist die dunkle Seite des Geschäfts im Irak", sagt der irakische Technikvertreter im Gespräch mit Germany Trade & Invest dazu. Im aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International landet Irak wie Kamerun und Nigeria auf Rang 140 unter 180 Ländern. 

Geschäfte mit der Ölbranche sind im Irak stärker von Korruption geprägt als etwa in Katar und Kuwait, sagt ein Branchenvertreter, der in mehreren Ölländern am Golf aktiv ist. "Die haben Geld, nur verschwindet es regelmäßig in irgendwelchen Kanälen", formuliert es die deutsche Firma mit abgeschlossenem Irak-Projekt. 

Genehmigung erst nach Bestechung

Typisch ist nach Aussagen mehrerer Branchenvertreter, dass Projekte einfach nicht vorankommen wollen und der Grund dafür nicht klar ist. Richtig Bewegung gebe es erst mit einer ordentlichen Zuwendung. Bei einem anderen Fackelgas-Projekt - es ging um die Nutzung des Gases zur Stromerzeugung - kam einer Erzählung zufolge nach zwei Jahren Bemühungen die Ansage, für die Genehmigung des Ministeriums brauche es ein Bestechungsgeld von 40 Prozent der Projektsumme. In einem anderen Fall wurden 15 Prozent verlangt. Die Forderungen kämen in der Regel über Mittelsmänner. Das Geld lande öfter bei einer der im Irak mächtigen Milizen.

Internationale Konzerne achteten sehr wohl auf die Einhaltung ihrer strengen Compliance-Regeln, heißt es. "Sie machen das, indem sie sich aus der direkten Marktarbeit raushalten", sagt der irakische Technikvertreter. Auch er übernimmt dieses Risiko zum guten Teil. "Die lokalen Vertreter müssen sehr viel Tee trinken", sagt ein deutscher Ingenieurdienstleister. Sie spielten das Spiel mit. 

Deshalb, so der Ingenieurdienstleister weiter, kämen auch die "flexiblen" Chinesen im Irak so gut zurecht. Dabei klagt auch der Vertreter einer chinesischen Firma über Korruption. "In Nigeria schmiert man einmal, dann läuft es", sagt der Chinese, der ebenfalls Anlagen für Fackelgas anbietet. "Im Irak tut man das auch, aber trotzdem geht es irgendwann nicht mehr vorwärts. Nach zwei und nach drei Jahren muss man nochmal zahlen." Der Umgang mit den Behörden sei "sehr schwierig". 

Lieferant sieht sich bei Bezahlung geprellt

Korruption kann auch nach dem Vertragsabschluss zum Problem werden. Davon erzählt ein anderer Anlagenbauer aus dem deutschen Mittelstand. Er hatte unlängst bei einem staatlichen Kunden in Iraks Ölindustrie einen mittleren siebenstelligen Betrag verloren, mehr als ein Zehntel der Kaufsumme. Und viel Zeit und Nerven dazu. 

Anlass war die Verzollung von gelieferten Anlagen vor Ort. Um die sollte sich laut Vertrag der Kunde kümmern. Leider steckte die Ware im irakischen Hafen fest, vermeintlich. Der irakische Vertreter des Lieferanten und dessen deutscher Spediteur konnten nichts machen. Einmal hatten sich angeblich die Vorschriften geändert, ein anderes Mal kamen Weisungen nicht an, irgendetwas war immer.

Über ein halbes Jahr häuften sich im Hafen so Liegegebühren von mehreren hunderttausend Dollar an. Erst dann konnten die Anlagen endlich weitertransportiert werden. Dann jedoch zog der Kunde die Liegegebühren von der vereinbarten Kaufsumme ab - obwohl er ja für die Verzollung zuständig war. Und machte als Nachklapp gleich darauf einen teuren Garantiefall geltend.

Der zuständige Manager des Anlagenbauers weiß bis heute nicht, was wirklich ablief. Er glaubt inzwischen, dass es das Problem mit dem Zoll gar nicht gab und sich letztlich einzelne Personen den Gewinn aus der Aktion geteilt haben. Heute würde er Sendungen nur noch per FOB verschicken, die Zuständigkeit also am europäischen Hafen abgeben. Ob die Kunden da mitmachen, ist allerdings eine andere Frage.

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